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Liebesprotokoll: Fredrik, die ewige Chance

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Ich vergesse immer, dass ich Fredrik gar nicht so toll fand, als wir uns das erste Mal trafen. Begonnen hatte es im Urlaub. Natürlich. Da war er: der groß gewachsene Skandinave, der mir sympathisch war, weil er die Fraggles mochte. Dazu etwas Sonnenaufgang, Strand und ich, die ihn irgendwann trotzdem nach Hause schickte. Nach Schicksal riecht im Rückblick bereits die Tatsache, dass er auf meine im Morgengrauen lustlos daher gefaselte Email-Adresse sofort eine Antwort schrieb. Trotzdem wollte ich ihn nicht. Das ist der Teil, den ich heute normalerweise verdränge, wenn ich alles mit zuviel Weichzeichner nacherzähle. Ein Jahr und einige aussagenlose Emails später jedenfalls hatte ich Fredrik fast vergessen. Aber: Gelegenheit macht Liebe. Meine nächste Sommerurlaubstour führte natürlich auch in seine Stadt. Und schon als ich ihn am Bahnhof sah, wollte ich ihn dann doch unbedingt. Ein paar Stunden später wurde das Wirklichkeit. Genauso wie die anschließenden schönen Tage mit dem schönen Skandinavier und einem Gefühl von Selbstverständlichkeit.

Wieder zu Hause fuhr ich das komplette Kopfkino: Auswandern! Zum Mann meines Lebens? Ich war verknallt. In ihn und die Idee von ihm. Drei Wochen telefonierten und mailten wir, bis wir uns endlich wieder sahen. Und es war toll, nett, zuckersüß – dachte ich und machte Pläne fürs nächste Wiedersehen. Dass er das anders sah, wurde klar, als er wort- und kusslos mit einem Hechtsprung im Zug verschwand. Erst ein paar Tage später bekam ich die Erklärung: „I’m not in love with you“, sagte er. Er wollte keine Fernbeziehung. Außerdem verliebe er sich nie, schrieb er. Mit seinen 28 Jahren passiere ihm das, rechnete er vor, nur alle 14 Jahre. Das half mir wenig. Vor allem wollte ich es nicht glauben. Es passte nicht zum von mir erdachten Plot, dessen Schluss er verdorben hatte. Nachdem ich anfangs schwer eroberbar gewesen war, blieb ich kopflos zurück, weil ich nicht verstand, warum es aus war. Ja, warum eigentlich? War’s die Fernbeziehung? Die Sprache? Oder doch wir? Dass es einfach nicht gereicht haben mag, möchte man ungern glauben, selbst wenn es das Wahrscheinlichste ist. Ein paar gegenseitige nächtliche Anrufe à la „I just wanted to say Hello“ und wieder aussagenlose Emails später war’s endgültig vorbei. Fredrik war nicht mehr eine reale Person, sondern wurde zur fertig verpackten Geschichte in meinem Nachtschränklein. Ich glaube, Fredrik ist genau der Mann, den jede Frau noch in der Schublade hat: Die viel versprechende Affäre mit Groschenromanpotential, die man immer hervorholt, wenn es gerade in der Liebe nicht klappt. Warum? Ganz einfach, denn bevor es richtig anfing, war es vorbei. Fredrik ist das verpasste Chancen-Syndrom. Es war keine Zeit sich richtig kennen zu lernen. Und damit auch keine Langeweile, Macken oder Fremdgehattacken. Alle meine Gedanken zu ihm verbleiben daher im Konjunktiv Irrealis mit einem Überschwang an „hätte“ und „könnte“. Insgeheim weiß ich vielleicht, dass seine Küsse nicht so toll, seine Augen nicht so grün und sein Berührungen nicht so exstatisch waren. Jene Ecken und Kanten aber verdeckt der Weichzeichner-Teppich meiner Erinnerung. Deshalb freue ich mich auch, wenn ich sie manchmal auspacke, die Geschichte aus Glanzpapier. Ehrlich gesagt jedoch – auch wenn wir uns heute vereinzelt sinnleere Nachrichten schicken oder ich mich an sentimentalen Tagen frage, ob er der Eine war - möchte ich ihn nicht wieder sehen. Die schöne Glanzpapier-Illusion wäre dann nämlich dahin.

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