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Liebesprotokoll: Hannes und/oder Thomas und das verflixte Entscheiden

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Hannes war groß und hatte Locken. Thomas klein und Strubbel-Haare. Es ging um braune Augen gegen grüne. Den aufstrebenden Biologen gegen den Laissez-Faire-Politikwissenschaftler. Eigentlich soll man keine Vergleiche anstellen. Ich tat’s trotzdem, verzweifelt auf der Suche nach dem Richtigen. Dabei kann ich gar nicht klar sagen, wer zuerst da war. Thomas jedenfalls kannte ich schon länger von der Uni. Man plauderte. So lala. Mal hier mal da. Kurz hatte ich sogar seine Telefonnummer in den Händen, ihn aus irgendeinem Grund aber doch nicht angerufen. Und dann passiert es, wie immer: wenn man nicht daran denkt oder es nicht passieren soll. Drei Tage nachdem ich aus dem Nichts Hannes kennen lernte, nach einer durchknutschten Nacht und seiner Einladung zum Essen, rief Thomas an. Ausgerechnet. Auch mit ihm traf ich mich und mit einer Menge Wein. Na, ja.

Manchmal glaube ich, Männer haben einen Sinn dafür, wann man gerade umworben wird. Nach vielen Nieten hatte ich also zwei Hauptgewinne. Da das Prinzip „Nimm zwei“ auf Dauer jedoch nicht funktioniert, musste eine Entscheidung her. Die Zwei-Männer-Situation war genauso spannend, wie sie mir Bauchschmerzen bereitete. Ich wollte beide kennen lernen. Aus Inkonsequenz. Verlockung. Und vielleicht, um mir alle Optionen offen zuhalten. Während Thomas bald wusste, dass es jemand anderen gab, konnte ich es Hannes einfach nicht beibringen. Meine Versuche in dieser Richtung grinste er weg. Schließlich wollte ich trotz allem nicht in etwas richtig zweigleisiges hineinschlittern. Für unsere Treffen wählte ich daher asexuelle Orte wie die Cafeteria des Matheinstituts, musste aber lernen, dass es keine unromantischen Orte gibt. Das ging drei Wochen so und die Koordination wurde zunehmend schwieriger. Jeden Tag versprach ich mir, mich heute zu entscheiden. In ihrer Art waren sie grundverschieden. Thomas sexy, süß, zärtlich, witzig. Hannes sonderbar, einnehmend, spannend, anders. Während Thomas ahnbar schwierig schien, war Hannes vermeintlich unkompliziert. Ich war in beide verknallt. Und beide in mich. Je näher ich sie kennenlernte, wusste ich weniger. So bescheuert es war, versuchte ich eine Art Vergleichsniveau herzustellen. Jeden noch einmal küssen, berühren und vielleicht noch das. Ich war dabei meine Gefühlswelt zu sezieren, nur um zu einer Lösung zu gelangen. Probierte alle Tricks: „Wenn die Ampel jetzt grün wird, ist es Hannes.“ „Wenn ich diesen Bus erwische, ist es Thomas.“ Es ist der, mit dem ich besser reden, lachen, küssen kann... Aber alle Überlegungen funktionierten genauso wenig wie der Wahre-Gefühle-Messpegel beim Gegenüber. Thomas lehnte sich zurück, zeigte sich unbegeistert wenngleich unbeeindruckt von dem ominösen Anderen. Hannes schrieb mir, er möge mich sehr, ließ mich bei unseren Dates allerdings im Ungewissen. Gefallen ist die Entscheidung dann plötzlich und gegen die zuvor rational-emotional getroffene. Am Morgen noch war sonnenklar: „Es ist Hannes“. Der mochte mich ehrlich. Sprach davon, dass er mir hier noch dieses Lied und jenen Film zeigen möchte und wir unbedingt noch und überhaupt. Er war so gut. Alles in allem so viel versprechend. Dass das nicht half, merkte ich als wir an diesem Tag durch die Stadt schlenderten, er seinen Arm eng um mich legte, mich küsste und ich nur dachte: „Oh, nein. Wenn das Thomas sieht“. Von Hannes hatte ich nie wieder etwas gehört, nachdem ich ihm sagte, dass ich doch eher Freundschaft wolle. Am Telefon ließ er mich abblitzen. Es war wohl etwas viel verlangt. Dieses Mal hatte ich mich nicht hundertprozentig verhalten. Die miese Ausrede: Ich konnte nicht anders. Der schnellere Herzschlag gehörte Thomas.

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