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Liebesprotokoll. Heute: Thomas, die Ein-Sommerliebe

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Thomas war der Richtige - sein hinreißendes Gewinnerlächeln genügte mir als Beweis. Es war Sommer und er 24, ich 25. Mit ihm war’s allerdings wie wieder 17 sein: Picknick im Park, Geburtstagsüberraschungen und sich die Sonne auf den Bauch scheinen lassen. Schlicht: jung sein. Wir konnten politische Debatten halten, gemeinsam beim Fußball schreien, die Nächte durchmachen. Er war so süß, dass mein Herz gelegentlich die Art Gluckser machte, die man sich wünscht. Vielleicht auch weil ich sah, dass er mich noch mehr anstrahlte.

Er habe noch keine längere Beziehung gehabt, sagte er gleich zu Anfang. Es war mir egal. Schließlich tickte unsere Uhr, da er nach dem Sommer als Erasmusjünger nach Italien gehen würde. Schon vor seiner Abreise aber, nach etwas mehr als vier Monaten, fing es merklich an zu knirschen. Während ich mich um seine Sorgen kümmerte, sorgte er sich nicht. Was fehlte, ahnte ich, war etwas zwischen hochtrabenden Gesprächen und unbeschwerten Nächten. Es fehlte, das Normale, Alltägliche zu teilen. Dann war er weg, wir aber weiter ein Paar. Zum einen, weil er es wollte, und zum anderen, obwohl ich wusste, wie es ist, Erasmus-Studi zu sein. Waren die ersten zwei Wochen noch mit seinen Vermissensbekundungen und täglichen Anrufen versetzt, verloren wir bald nicht nur telefonisch zunehmend den Kontakt zu einander. Mein Flug zu ihm war jedoch längst gebucht. Und so wurde, sechs Wochen nachdem er gegangen war, aus der geplanten Romantikreise eine Beziehungsrettungsaktion. Bis zum Schluss war ich nicht sicher, ob ich nicht das Ticket und damit die vergangenen sechs gemeinsamen Monate verfallen lassen sollte. Aber ich hatte die Beziehung so wollen gewollt. Und bin hin. In Italien angekommen fühlte sich bald alles nach Schluss an. Es war Herbst, als wir heulend einander gegenüber saßen. Letztlich musste ich sagen, dass es aus ist, weil er es nicht konnte, aber wollte. Der wahre Grund für die Trennung war natürlich nicht die Distanz, sie wirkte allerdings als Brandbeschleuniger. Eigentlich ging es nämlich an dem Punkt auseinander, als das Zusammensein Anstrengung bedeutete. Als der Nur-Spaß vorbei war - und die körperliche Nähe es nicht mehr vertuschen konnte - zeigte sich, dass die Gefühle nicht reichten. Die Trennung war im Verhältnis zu vorherigen argen Liebeskummer-Erfahrungen fast einfach. Da er so weit weg war, quasi in einer anderen Welt, musste ich keine Sorge haben, ihm zufällig im Supermarkt zu begegnen oder mit der Neuen im Club. Es gibt viele Stufen, die man in der Trennung gehen muss. Einige davon sind wir gegangen: die erneute Annäherung am Telefon zum Beispiel, das ultimative Postbeziehungs-Kaffeetrinken bei seinem Heimatbesuch und die folgende Funkstille. Andere Stufen aber wurden aufgeschoben. So kam noch eine kleine Aufarbeitungs-Nachwehe, als er über ein halbes Jahr später wieder in Deutschland strandete. Was wahrscheinlich daran lag, dass er gleich seine italienische Freundin mitbrachte. So bin ich manchmal, selbst wenn ich es ungern zugebe, doch etwas sauer auf Thomas - weil mein Stolz verletzt wurde oder es möglicherweise heute noch nicht lange genug her ist. Die echte Ursache aber machen mir meine Freunde stets mit einem Satz klar: „Er war doch nicht deine große Liebe, oder?“ Nein, leider nicht. Über das Verknalltsein hinaus haben wir es nicht geschafft. Es hat tatsächlich nicht so viel bedeutet, wie ich immer dachte. Heute ist Thomas nämlich wieder nur einer von den Leuten, die man so kennt. Wenn ich jetzt an ihn denke, bin ich gar nicht traurig, dass es vorbei ist. Ich bin traurig über die Erkenntnis, dass es „einfach nur so“ vorbei sein kann. Illustration: marcus-holzmayr

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