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Lisbeth against President

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Im Dezember hat das Time Magazine den anonymen Protestierenden zur Person des Jahres 2011 auserkoren. Auf der Titelseite zum Jahreswechsel präsentiert er (oder sie) sich in ein Tuch gehüllt. Nur die Augen bleiben frei, die Brauen zu einem kritischen V zusammengezogen. Einem V wie Vendetta. Man hätte auch die Guy-Fawkes-Maske von Anonymous zeigen können. Oder das Gesicht von Lisbeth Salander.

Für alle, die nicht wissen, wer Salander ist: Am 12. Januar kommt die bereits zweite Verfilmung von Stiegs Larssons Roman „Verblendung" in die Kinos. Darin geht es um einen nicht mehr ganz so jungen Journalisten (Daniel Craig), der vom Oberhaupt der schwerreichen Industriellendynastie Vanger beauftragt wird, einen Mord aufzuklären. Der Täter ist in der eigenen, recht verdorbenen Familie auszumachen, die im Norden Schwedens eine eigene Insel besitzt. Hilfe bekommt er von Lisbeth Salander (Rooney Mara), einer ebenso hochbegabten wie radikalen Hackerin, die schlecht mit anderen Menschen kann. Es gibt einen Showdown im verschneiten Norden. Das ist sehr spannend und gut inszeniert, was auch nicht weiter verwundert, schließlich heißt der Regisseur David Fincher („Sieben" „The Social Network").

Die Bücher von Stieg Larsson, insgesamt sind es drei, beschreiben Inzest, Folter und heftige Vergewaltigungsszenen. Aber sie haben einen Nerv getroffen und sich weltweit mehr als 65 Millionen Mal verkauft. Und sie haben die Figur Lisbeth Salander bekannt gemacht, das hyperintelligente, blasse Mädchen mit dem Drachentattoo und den Piercings, die Computer und Junk Food mag und auch ansonsten jeglichem Hacker-Klischee entspricht. Mit ihr hat der früh verstorbene Larsson (der vom Erfolg seiner Bücher nichts mehr mitbekommen hat) eine moderne Heldin geschaffen. Eine Heldin, die eine tolle Galionsfigur für die protestierenden 99 Prozent zwischen der Wall Street und Madrid wäre. Also für all die jungen Leute, die gegen die alten Garden aufbegehren. Denn im Prinzip ist Lisbeth eine von ihnen. Und sie selbst geben sich kein Gesicht.


Rooney Mara als Lisbeth Salander Verblendung

In David Finchers Remake wird Salander von der 26-jährigen Rooney Mara gespielt. Die bislang relativ unbekannte Amerikanerin sagt: „Hacking ist zwar ein schwieriges Thema. Einfach, weil es immer auch einen Eingriff in die Privatsphäre bedeutet. Aber wenn du Hacking in der Art und Weise benutzt, wie es Lisbeth tut, um also die bösen Jungs dranzukriegen, dann ist das schon sehr cool." Und sie fügt an: „Sie könnte durchaus ein Mitglied von Anonymous sein."

Denn Lisbeth ist jung und unzufrieden mit den Verhältnissen, auch ihren persönlichen. Vom Staat erhofft sie sich nichts, denn die Vertreter der Behörden haben ihr übel mitgespielt, haben sie entmündigt und vergewaltigt. Deswegen ist ihr ganzer Lebensstil auf Autarkie ausgerichtet. Vertraue niemandem. Als Hackerin besitzt sie gegenüber der Vätergeneration natürlich einen großen Technologievorsprung. Und den setzt sie auch ein, genau genommen gegen ein Frankensteinmonster aus Feindbildern. Lisbeth recherchiert gegen die milliardenschweren Vangers. In deren Reihen befinden sich Alt-Nazis und Massenmörder, Kinderschänder und christliche Fanatiker. Eine nette Truppe also, gegen die sie ins Feld zieht.

Die Parallelen von Fakt und Fiktion? Politische Bewegungen richten sich gegen die Herrschaft der Alten. Gegen die politische Willkür und Gewalt, gegen den ungerecht verteilten Reichtum. Dafür organisieren sie sich dezentral, über Facebook und Twitter. Sie benutzen Handykameras und laden die Gräueltaten ihrer autokratischen Regime oder von mit Pfefferspray wütenden Polizisten auf Youtube hoch. Sie führen Denial-of-Service-Attacken gegen Server der Scientologen aus, werfen sich schützend vor Wikileaks oder fordern das mexikanische Drogenkartell der Zetas heraus. Für manche dieser Aktionen ist es gesünder, anonym zu bleiben. Oder sich mit einem fiktiven Gesicht zu schmücken. Guy-Fawkes-Masken stehen deswegen in der westlichen Welt als Symbol für den Wandel. Es gibt sie inzwischen auch bei amazon. Dabei wurde der echte Fawkes 1606 hingerichtet, weil er den König samt Parlament in die Luft jagen wollte. Lisbeth Salander begehrt auch auf. Aber im Geheimen und mit digitalen Mitteln. Das passt doch irgendwie besser in unsere Zeit. 

Text: tim-rittmann - Foto: Screenshot

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