Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Machen wir nur wegen der Karriere Freiwilligendienst?

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Im Mai hatte sich schon das SZ-Magazin über Egotrips ins Elend beschwert. Und jetzt eben "Die Zeit". Als Ziel fest fixiert ist die „Bewegung der neuen Internationalisten“, das „Lebensgefühl NGO“ – junge Freiwillige also, die zum Helfen in die Dritte Welt gehen. „Dient es dem Guten – oder bloß der Karriere?“, fragt Rudolf Novotny in der aktuellen Ausgabe der "Zeit". Zumindest der alte Immanuel Kant würde sich an der Debatte erfreuen. Der sagt, etwas vereinfacht: Was du nicht willst, das man dir tu’, das füg’ auch keinem anderen zu! (Und andersherum.) Er behauptet weiterhin, wichtiger für die Debatte: Wenn du Gutes ungern tust, ist das um so besser! Und: Schande über den, der etwas davon hat, dass er anderen hilft! Die neuen Internationalisten versuchen, so meint es Rudolf Novotny erkannt zu haben, Karriere und Helfen zu vereinen – und das treibe sie hordenweiße in die Dritte Welt.

Angenommen, Karrieregeilheit wäre der vornehmste Beweggrund, der freiwillige Helfer motiviert, Zeit, Geld und Energie zur Verfügung zu stellen: Was wäre so schlimm daran? Organisationen in der Dritten Welt, die junge Karrieristen benötigen, erhalten diese. Junge Karrieristen erhalten ein Abenteuer für den Lebenslauf. Unternehmen erhalten junge Karrieristen mit Fremdsprachen- und Auslandserfahrung. Außer einem Gefühl im Bauch, das dem, der gegen seinen Willen anderen hilft, mehr Ehre einräumen möchte als einem neuen Internationalisten, bleibt nicht viel. Eine andere Frage stellt sich aber: Sind die neuen Internationalisten die „traurigen Streber“, über die sich "Die Zeit" Ende August ereiferte? Unpolitisch und inkonsequent sollen sie sein, die neuen Internationalisten. Und „pragmatisch bis zum Opportunismus“, dazu noch – jetzt kommt’s! - „unideologisch“ und „global.“ Die traurigen Streber sind zudem charakterlos und unpolitisch und auf dem besten Wege, die nächsten Haifische des Großkapitals zu werden: Sie wollen „an der Spitze jener Hackordnung stehen, die für das Leben gehalten wird.“ Diese Kritik scheint zu treffen, denn ein Haifisch bleibt ein Haifisch, auch wenn man’s nicht allzu gut beweisen kann. Und was die traurige strebsame Jugend der Nullerjahre vor allem nicht ist: Sie ist nicht die aufbegehrende Jugend von Achtundsechzig. Der Wille zur Macht hat den Willen zum politischen Handeln ersetzt, die Visionen sind wohl auf der Strecke geblieben. An dieser Stelle muss man fragen: Wie passt das mit den neuen Internationalisten und ihrem „Lebensgefühl NGO“ zusammen? Mit dem „vielleicht etwas naiven Glauben an eine bessere Welt“, den Rudolf Novotny bei ihnen erkennt? Vielleicht gibt es ja doch zwei Jugenden? Novotny schreibt aber, dass der heutige Idealismus die Internationalisten an die Seite des Staates treibe: Der „kreative Elan (reicht) aber offensichtlich nur bis zum Ausfüllen der Bewerbung für ein Regierungsprogramm.“ Gemeint ist unter anderem weltwärts, der noch junge Freiwilligendienst der Bundesregierung, der größte dieser Art in Europa. Er bezuschusst Entsendeorganisationen, damit Freiwillige gut organisiert, ordentlich versichert und dazu kostenfrei in die Dritte Welt fahren können, um zu helfen. Novotny aber zitiert den Einwand eines Berliner Studenten, auch ein ehemaliger Freiwilliger: „Früher war Entwicklungshilfe ein Abenteuer, heute vereint sie drei reizvolle Aspekte: Sinnstiftung, Weltgewandtheit und die Sicherheit einer bürgerlichen Karriere.“ Mag ja sein. Aber was bitte wäre so schlimm daran?

Text: hannes-kerber - Foto: weltwaerts.de

  • teilen
  • schließen