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Mit Adam Green in die Gletscher-Dämmerung

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Die Situation ist brisant: Weltweit befinden sich Gletscher auf dem Rückzug; so verloren Beispielsweise die Alpen-Gletscher seit Mitte des neunzehnten Jahrhunderts rund zwei Drittel ihrer Masse. Doch das Phänomen der Gletscher-Schmelze entwicklete sich längst zum globalen Problem fort. Allerorts manifestiert sich diese Szenerie: So sieht der Direktor des Instituts zur Erforschung des tibetischen Hochplateaus, Yao Tandong zukünftig die Trinkwasserspeisung von 1,3 Milliarden Chinesen durch den Schwund des Yulong-Gletscher in der südwest-chinesischen Provinz Yunnan bedroht. Auf der anderen Seite steigen die Wasserspeicher: 50 Meter pro Jahr schwand, laut dem Wissenschaftsmagazin „Science“, in den letzten fünfzig Jahren durchschnittlich das Packeis der Antarktis, und ließ damit den Meeresspiegel um rund drei Millimeter klettern. Die ewigen Eiskolosse sind ihrer Vergänglichkeit preisgegeben. Gletscher-Dämmerung also. Um diesen Komplex schichtet nun dieser Tage die Eres-Stiftung, Forum für aktuellen Kunst- und Wissenschaftsdiskurs, ihren Think-Tank an der Münchner Maximilianstrasse, in der alten Residenzpost. Neunzehn Künstler und Wissenschaftler wurden gebeten, ihre Visionen zu diesem düsteren Thema zu Exponaten oder Expertisen zu verdichten. Einzig hierbei ist die Symbiose: Wissenschaftliche Zukunftsszenarien und Lösungsansätze werden gleichrangig neben künstlerische Abstraktionen gestellt. Sabine Adler, Kuratorin der Eres-Stiftung, bezeichnet dann auch die Ausstellung als Labor, in dem gerne Neues entstehen soll. Jedoch schon die Koexistenz der beiden Disziplinen ist alle Achtung wert. Selten auch die Ausgewogenheit und durchdringende Prägnanz der Werke, gleich ob Installation, Malerei oder Fotographie. Alle verzichten bewusst auf rüde Schockmomente, setzen derweil lieber auf subtile Momente der Beklemmung, wie Stephan Hubers Werk „Shining“, oder Peter Fends Tabula rasa-Fiktionen „Munich-Energy-Projekt“.

Stephan Hubers Werk "Shining": Provokation durch die Hintertür Der 54 jährige Huber definiert seine Kunst ausschließlich über seine Biographie. Authentizität lebe von Unmittelbarkeit. Und so steht und fällt seine Installation von der biederen Beschaulichkeit eines idyllischen Bergrefugiums, eingeschlossen vom imposanten Eismassiv. Bedeutungsschwangere Kunst aber ist dem pop-affinen Stephan Huber, der auch einen Lehrstuhl an der Akademie der bildenden Künste in München inne hat, unkommod. Kunst müsse nicht immer den Zeigefinger recken, schon gar nicht immer die Welt verbessern. Schließlich dürfe Adam Green auch gnadenlos sinnentleert und über-hypt durch den Pop waten. Wesentlich konkreter wird da Peter Fend. Der Wahl-Berliner und Amerikaner arbeitete sich schon in den 80er Jahren an der Fiktion einer fossil-freien Energiegewinnung ab. Sein Crossover an künstlerischen Habitus und visionär-wissenschaftlicher Ausrichtung macht ihn wohl zu so etwas wie einer neuen Spezies von Umwelt-Aktivist. Seine Arbeit hängt Peter Fend an dieser Idee auf: Meeralgenplantagen und ihr Abfallprodukt, das Methan, sollen zukünftig den Energiehunger auf schonende Art stillen. Samstag dann kulminiert das Treffen der verschiedenen Klassen in einem Symposium. Spannend sicherlich, ob dort eine gemeinsame Sprache gefunden werden kann. Bedeutender aber wohl folgende widerliche Randerkenntnis aus Al Gores Film “Eine unbequeme Wahheit”, dem Peter Fend Samstags seine Antwort “Günstige Taten” entgegensetzt: Setzt man einen Frosch abrupt ins warme Glas, spring er heraus. Erhitzt man das Glas kontinuierlich, platzt er irgendwann. Keine guten Aussichten.

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