Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Mit Papa vor der Glotze

Teile diesen Beitrag mit Anderen:


Abkühlung von der Fußballhitze: Das DFB-Pokalfinale
Es ist das eine Spiel im Fußball-Jahr, das eigentlich niemanden so richtig interessiert. Das darf man nicht so laut sagen, denn es ist das wichtigste deutsche Spiel – im Sinne von deutsch und Nation. Es findet in Berlin statt und außer den Fans der beiden Teams, die es bis dahin geschafft haben (“Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin”), schaut jeder Fußball-Interessiert nur mit halbem Auge hin. Da aber mit der Spannung der Bundesliga (die meist schon ihren Meister gefunden hat) auch der Druck abgefallen ist, ist das Pokalfinale doch immer ein besonderes Spiel, das sich anfühlt wie eine entspannte Abkühlung nach einem heißen Sommertag: Es findet zur gefühlten Sportschau-Zeit im Berliner Olympiastadion statt und ist dem kleinen Menschen, der die Samstag-Abende noch auf dem heimischen Sofa verbringt, immer ein Highlight im Fußball-Jahr gewesen.

Es gab Schnittchen, die man ausnahmsweise vor dem Fernseher verzehren durfte (oft), es gab Spannung (manchmal) und immer ergreifende Fernseh-Kommentare auf dem schmalen Grad zwischen Sieg und Niederlage (immer). Dieser besondere Zauber ist es, der vom Pokal ausgeht. Alles andere ist Wurst – egal, was die Moderatoren von Gesetzen und Sensationen redeten. Es ging immer nur um diesen Abend auf dem Sofa, der anders als ein gewöhnlicher Sportschau-Abend einen klaren Sieger und einen klaren Verlierer hatte. Es ging um die Möglichkeit einer Verlängerung – was immer bedeutete, dass man zumindest die Chance hatte, länger aufbleiben zu dürfen. Und es ging um das Abendbrot, das man vor dem Gerät zu sich nehmen durfte. Das ist mit Abstand betrachtet auch der wahre Sinn des DFB-Pokals!

Christian Berg




Regen und Leiden in Roland Garos  
In den Pfingstferien, die sich sehr regelmäßig mit den French Open in Paris überschnitten, hatte ich als Spunt viel zu tun. Jeden Vormittag ab zehn Uhr setzte ich mich in unsere Fernsehstube und wartete, bis die Öffentlich-Rechtlichen ihre Übertragung aus dem Stade Roland Garros begannen. Die ersten Tennisspiele des Tages bei den French Open waren für mich wie eine Messe. Die Plätze waren unbespielt, man konnte die Taufrischheit des Tages und der frisch aus der Dose geholten Bälle bis in meine Stube riechen. Der Sand war noch unbegangen. Das erste Spiel des Tages war damals für mich das, was heute der erste Schluck Kaffee des Tages ist. Ich war Tennisfan. Ich schaute die Spiele mit Ball und Tennisschläger in der Hand. Immer wenn sie das Spiel in Paris wegen Regens unterbrechen mussten (was oft geschah, weil es um Pfingsten herum in Paris immer instabil ist, in Sachen Wetter), also bei jeder Unterbrechung ging ich raus in unseren Hof und drosch den Tennisball gegen die Garage. Nach 15 Minuten dann: wieder rein und schauen ob zum Beispiel Michael Chang, der 1988 so überraschend im Alter von 17 Jahren das Turnier gewann, über seinen Rang als One-Hit-Wonder hinaus kommt. Die Pfingstferientage waren wie eine Meditation vor dem Fernseher und vor der Garage im Hof. Nur das „Plop“ und ich. Schauen und gegen die Garage bolzen. Verbunden mit der Hoffnung, irgendwann selbst mal in Paris zu spielen. Es ist nix draus geworden. Aber wenn ich heute um Pfingsten rum TV schaue und roten Sand sehe, spüre ich meinen Tennisarm.

Peter Wagner




Strampeln statt Skaten - die Tour de France

Ich habe nie ein Rennrad besessen. Und ich bin nie in große Begeisterungsbekundungen ausgebrochen, wenn irgendjemand vorgeschlagen hat, eine Radtour zu unternehmen. Die Tour de France aber gehört zu meiner Jugend wie Guns’n’Roses und Arschbombe vom Steg. Wenn ich heute durch die Fernsehprogramme schalte und dort eine Hundertschaft durch französische Dörfchen strampeln sehe, kann ich deswegen nicht sofort weiter schalten. Ich kenne zwar kaum einen der Fahrer, und nach all den Dopingskandalen halte ich es schon aus moralischen Gründen wie das ZDF und distanziere mich von der gesamten Sportart.



Aber aus einer Art nostalgischen Solidarität heraus muss ich trotzdem wenigstens kurz zuschauen, wenn ich im Fernsehen einer Tour-Etappe begegne. Die Strampelei bringt für einen kurzen Moment die Zwanglosigkeit eines Schülerlebens zurück. Heimkommen, die Schultasche in die Ecke werfen, und dann: Hallo Nachmittag! Hier bin ich, Hausaufgaben kann ich morgen abschreiben, jetzt machen wir was! Und wenn ich nur sechs Stunden strampelnde Menschen in hässlichen Trikots betrachte.

Ich habe viele Juli-Nachmittage mit der Tour de France vergeudet. Die Rundfahrt beginnt ja immer im schönsten Sommer, zu einer Zeit also, die man als Schüler eigentlich hauptsächlich am See, auf Sportplätzen oder irgendwelchen Skate-Rampen verbringt. Eigentlich lag auch mir nichts lag ferner, als mich bei traumhaftem Wetter sechs Stunden lang vor der Glotze aufzuhalten. Aber wenn Tour de France war, ging das. Wenn das Sonnenlicht draußen zu grell war und sich die Bäume im Garten auf dem Bildschirm spiegelten, habe ich sogar die Rollos runter gelassen.

Ich saß dann im kühlen Halbdunkel, während draußen die Rasenmäher lärmten, und schaute den Radlern zu. Bergetappen, Col de Calibier, Col de Tourmalet, von vorne bis hinten, mit allen kilometerlangen Anfahrten, Anstiegen, Abfahrten, Reifenpannen und Hungerästen. Mein Vater kam meistens erst im Schlussanstieg dazu. Wenn man ehrlich ist, reicht das ja auch, der Rest ist meistens Vorgeplänkel, den man sich nicht anschaut, wenn man erwachsen ist und zu tun hat. Manchmal kam er auch vorher kurz ins dunkle Wohnzimmer, um sich einen Zwischenstand abzuholen. Den gab ich ihm in einem detaillierten Bericht mit allen Zeitabständen durch. Ich war quasi sein Sportreporter. Mehr noch, sein Liveticker: Wenn jemand stürzte oder ein Fahrer dem Feld auszureißen versuchte, rief ich meinen Vater weg von seinem Rasenmäher oder Schreibtisch. Dann kam er und schaute kurz und beschwerte sich über Jan Ulrich, der wieder mal nur hinterherfuhr und leidend dreinschaute. Dann ging er wieder an die Arbeit, weil nach einem solchen Ereignis höchstwahrscheinlich erst mal wieder eine Stunde lang nichts passieren würde. Genau deshalb schalte ich heute nach zwei Minuten auch wieder um.

Christian Helten



Feiertagsverlängerung: Die Vier-Schanzen-Tournee

Die Bescherung gehörte der Vergangenheit an. Festbraten und Stollen waren verdaut, doch die Geschenke und Süßigkeiten türmten sich noch unter dem Baum und die gemütliche Stimmung nahm längst kein Ende. Ich saß mit Kakao und Plätzchen gespannt vorm Fernseher und übte mich als Sportkommentatorin: Die Vierschanzentournee füllte in meiner Jugend die Nachmittage zwischen den Jahren.



Aus irgendeinem Grund hatte dieser Wettbewerb beinahe kultischen Charakter in unserem heimischen Wohnzimmer. Vielleicht war es einfach nur die gefühlte Feiertagsverlängerung im Kreise der Familie, die dieses Event für mich so unentbehrlich gemacht hat. Natürlich hatte ich keine Ahnung von Skispringen und auch sonst konnte ich mit Wintersport nicht viel anfangen. Aber an diesen vier Tagen im Jahr glaubte ich, ich könne die Nachfolgerin von Dieter Thoma werden – jedenfalls in seiner Expertenrolle bei ARD. Auch der Neujahrsnachmittag gehörte ganz und gar den Skispringern, die in Garmisch-Partenkirchen durch die Luft flogen. Gemeinsam mit meinem Papa fieberte ich den Sprüngen meiner Favoriten entgegen. Mit Fachgesprächen über Sprungtechnik und Schanzenbeschaffenheit brachten wir den Rest der Familie zum Schmunzeln. In meiner bewusst erlebten Skisprung-Epoche dominierten Finnland und Japan auf den vorderen Plätzen, doch auch die Leistungen der deutschen und österreichischen Skispringer waren beachtlich. Sven Hannawald, Janne Ahonen, Noriaki Kasai, Martin Höllwarth und wie sie alle heißen waren meine Helden vom Schanzenteller. Nicht zuletzt der milkafarbene Martin Schmidt, seinerzeit Medien-Liebling und überaus erfolgreich, imponierte mir. Der Großteil meiner Sympathiepunkte ging aber auf das Konto dieses zierlichen jungen Mannes, der in mir jedoch eher Muttergefühle auslöste (Gebt dem Jungen was zu essen!), als pubertäre Schwärmereien. Hachja. Skispringen Schauen war meine Leidenschaft – wenn auch nur für vier Tage im Jahr. Auch wenn ich mittlerweile um Weihnachten und Neujahr - wenn überhaupt - andere Dinge im TV schaue, stimmt es mich doch ein wenig sentimental, wenn ich durch Zufall auf einen Skisprungwettbewerb stoße.

Uli Schuster

Text: jetzt-redaktion - Fotos: ap, dpa

  • teilen
  • schließen