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Mitten aus dem wahren Spielerleben: Gamer FM

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Diese Nihilisten: Computerspiele sind heute aufgepumpt mit Effekten, vollgestopft mit 3D-Grafik und höher auflösend als die Wirklichkeit. Und die Macher von Gamer FM verzichten einfach auf das Bild. Das Motto des Internetsenders ist „Hear the Game“. Das Programm: Games als Radioreportagen. Live von der Lan-Party oder aus dem eigenen Wohnzimmer.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

"Im Grunde ist das gleiche Prinzip, wie bei Fußball-Übertragungen im Radio“, sagt Hardy Bäcker. Er ist 35 und im Organisationsteam des Senders für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Der Sender ist sein Hobby, wie für alle Mitarbeiter. Einige sind noch Schüler, andere sind schon jenseits der 30 und haben eine Familie und einen festen Job. Die Begeisterung für Spiele und das Radio hat sie zusammengebracht. Das war Anfang 2002. Zu der Zeit war aus den ambitionierten Wettkampf-Computerspielern in Deutschland schon eine aktive E-Sport-Szene gewachsen. Es gab Ligen. Es gab Mannschaften, über die jeder redete. Es gab aber keine Berichterstattung. Um das zu ändern, taten sich eine Handvoll Hobbymoderatoren zusammen. Gamer FM war geboren. Täglich wird von 14 bis 2 Uhr gesendet, per Audiostream von der Webseite gamerfm.de. Es laufen Musiksendungen, DJ-Battles und E-Sport-Magazine. Wenn ein wichtiges Counterstrike-, Quake- oder Warcraft-Match stattfindet, wird es live übertragen. Und es gibt eigentlich immer ein wichtiges Match. Für einem Nicht-Spieler sind die Kommentare der Live-Reporter dabei ungefähr so verständlich wie der technische Schaltplan einer Playstation. „Wir machen Übertragungen für Leute, die das Spiel gut kennen und damit etwas anfangen können“, erklärt Hardy Bäcker. Das sind über den Tag verteilt ein paar hundert. „Eine sehr kleine, sehr nette Community“, meint Bäcker. Denn Quoten sind egal. Die Gamer-FM-Mitarbeiter finanzieren ihr Programm aus der eigenen Tasche. Weil das auf die Dauer sehr teuer kommt, suchen sie gerade dringend nach Sponsoren. Es gibt kein Gamer-FM-Studio, nur einen Server in Frankfurt. Die Moderatoren loggen sich von einem Turnier oder ihrem PC zu Hause ein. Mehr als einen Computer und ein Mikrophon brauchen sie nicht. Vom PC aus übertragen sie ihre Sendungen, während sie das Spiel live im Internet verfolgen. Gerade ist der Verlierer eines Warcraft-Turnierfinals am Mikrofon. Der Moderator fragt: „Wann war das Spiel? Wie war das Spiel?“ – Mightyx:„Das Spiel war um sieben Uhr morgens. Wir haben quasi die Nacht durchgespielt. War alles ziemlich anstrengend. Ich hab wenig geschlafen.“ Moderator: „Möchtest Du noch wen grüßen?“ Mightyx: „Ne, dazu bin ich zu müde jetzt.“ Ein Spitzenspieler, der von der schlaflosen Zockerei so müde ist, dass er kaum mehr einen Satz herausbringt – mit so viel Nähe zum wahren Spielerleben wie auf Gamer FM gibt es E-Sport in keinem anderen Medium. Das liegt daran, dass die Macher auf ihrer Unabhängigkeit bestehen. Das machen nicht alle: Der Fernsehsender Giga bezeichnet sich, seit dort vor wenigen Monaten der Liga-Veranstalter Turtle Entertainment eingestiegen ist, als der große deutsche E-Sport-Sender (hier das Interview auf jetzt.de nachlesen). Übertragen werden aber vor allem die Spiele der eigenen Liga ESL. „Wir wollen uns nicht von einer bestimmten Liga abhängig machen“, sagt dagegen Hardy Bäcker von Gamer FM. „Das wäre nicht journalistisch objektiv.“ Auf Gamer FM, laufen zwar auch ESL-Spiele, aber nur die, die Giga nicht überträgt.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Parallel zum Radiobetrieb macht Gamer FM seit mehreren Monaten vor allem Internet-Fernsehen. Der Videostream läuft rund um die Uhr. Wenn kein Spiel ist, werden Videoclips gezeigt. Solche, die es bei MTV und Viva nicht in die Rotation schaffen. Die Plattenfirmen sind dafür recht dankbar. Beim Videostream ist alles ein wenig ernster. Die Quoten werden erfasst und es gibt Mediadaten für potentielle Werbekunden. Das Radio bleibt das Liebhaberprojekt des Teams. Weil es ihnen Spaß macht – auch ohne opulente Graphik. Egal wie die Quoten sind. „Unsere Philosophie ist“, erklärt Hardy Bäcker, „egal ob 50, 500 oder 1000 Leute zuhören, es muss den Leuten gefallen die es machen“. In unserem Radioschwerpunkt sind bereits diese Artikel und Interviews erschienen: Was ist ein Piratensender? Das Studentenradio mephisto Deutschlands beste Musiksendung: der Sunday Service und Wie kommt die Musik ins Radio? Wird "Motor FM" die erste bundesweite Jugendwelle? Illu: dirk-schmidt

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