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Mr Gore war immer der Zweite. Jetzt steht er plötzlich ganz Vorne

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Aus seiner Zeit als Vizepräsident unter Bill Clinton kennt man Al Gore in Amerika als seriösen, aber langweiligen "nearly man of US politics", man kennt ihn also als den "fast-Spitzen-Politiker". Die Präsidentschaftswahl im Jahr 2000 fügte sich am Ende perfekt in das Bild, das Amerika bereits von ihm gezeichnet hatte: Der zweite Platz, mal wieder. Ein Rivale hat einmal über seinen Charme gesagt: "Wenn Al Gore am Kaminfeuer sitzt und plaudert, geht das Feuer aus."

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Al Gore im Jahr 1998 mit Bill Clinton. (Foto: ap) Lauscht man heute, sechs Jahre nach seinem letzten großen Auftritt einer seiner Reden, will man nicht glauben, dass der Mann auf der Bühne einst der "wooden vice-president" war. Kein bisschen hölzern mehr wirkt Gore, wenn er seinen Auftritt mit dem Satz beginnt: "Ich heiße Al Gore und war mal der nächste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika." Der "nächste Präsident" zog sich damals nach der Niederlage in seine Heimat, nach Tennessee, zurück. Dort konzentrierte er sich "auf das, was mir am wichtigsten ist." Die Familie, die vier Kindern. Er reiste und reist noch heute viel, er hält Vorlesungen und berät Firmen wie Google und Apple. Er synchronisiert sich selbst in der Zeichentrickserie Futurama und gründet im Sommer 2005 den Privatsender Current TV, den er als "eine Mischung aus CNN und MTV" bezeichnet. Und jetzt ist er zurück auf der Bühne. Wortgewandt, humorvoll und selbstironisch präsentiert Al Gore sein neuestes Projekt, den Film An Inconvenient Truth, in dem er selbst als Hauptdarsteller und Moderator dem Zuschauer Computersimulationen, Filmsequenzen und Wetterkarten erklärt. Er erläutert das Schrecken, das uns mit der globalen Erwärmung blüht: schmelzende Polarkappen und überschwemmte Großstädte. Gore erklärt geduldig, verständlich und doch packend. Er erläutert dem Publikum, warum es dringend nötig ist, den Ausstoß von CO2 in die Atmosphäre zu bremsen, wieso Fahrgemeinschaften Sinn machen und weshalb eine Wäscheleine besser für die Umwelt ist als ein Trockner.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Gore 2006: Er erklärt den Klimwandel und die Folgen. (Foto: ap) Interessieren solche Themen die Amerikaner? Eine Nation, die für ihre Vorliebe zu XXL-Jeeps bekannt ist und Autos baut, die spritmäßig zwar das gleiche verbrauchen wie japanische Kleinwagen - nur eben in Gallonen anstatt in Litern? Scheinbar ist die Zeit reif für diese Themen. Gores Film war der Liebling des diesjährigen Sundance Film Festivals, erhielt Standing Ovations in San Francisco, L.A. und New York. Klar ist jetzt: Öko-Verantwortung ist in. Gores Engagement in diese Richtung hat ihn innerhalb von Wochen auf der Beliebtheitsskala nach oben schnellen lassen. Dabei ist er kein Trittbrettfahrer. Schon als junger Mann befasste er sich mit dem Thema Umwelt- und Klimaschutz: In den Siebzigerjahren zieht Gore mit einer Diashow durchs Land und warnt vor der Erderwärmung. Nachdem er mit 28 Jahren ins Repräsentantenhaus gewählt wird, hält er 1980 vor dem Kongress Vorträge zum Thema. Anfang der Neunzigerjahre veröffentlicht er das Buch "Earth in the Balance", das von vielen als das beste Buch eines aktiv arbeitenden Politikers bezeichnet wird. Vom bedauernswerten ewigen Zweiten zum beliebten Kämpfer für die Umwelt - die Wandlung ist bemerkenswert. Das alles zu einem Zeitpunkt, an dem die allgemeine amerikanische Zufriedenheit mit Präsident Bush fast unter die 30-Prozent-Marke gefallen ist. So mancher macht sich da Gedanken zu Gores Plänen für die Zukunft. Doch Beliebtheit hin oder her: Al Gore schließt eine Rückkehr in die Politik in Form einer Präsidentschafts-Kandidatur für 2008 kategorisch aus. Also, im Moment zumindest. Wie man gerade sehen kann, ist der Herr ja schon mal zurückgekommen.

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