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Opak. Ein neues, anstrengendes Magazin

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Reflex. Bei der Nachricht, dass es ein neues Magazin aus einem Indie-Kontext gibt, muss man doch immer noch an Fanzines denken. Jene wichtigen Bestandteile der Popkultur der 80er- und 90er-Jahre, die von mehrheitlich tollen Menschen in mehrheitlich untollen Städten handgeklebt, kopiert und per Post in ganz Indiehausen verteilt wurden. In denen es um eine Huldigung des eigenen Lebenschaos inkl. manischer Überhöhung musikalischer Themen ging. Was der patente Oliver Koch, der einst tragende Säule bei Tomte war, nun als Chefredakteur an die Kioske bringt, hat aber schon auf den ersten Blick wenig mit einem Fanzine zu tun. Richtiges Papier, modernes Layout, Contributors-Köpfe auf der fünften Seite, wie bei jedem anderen modernen Magazin auch. Die üblich verdächtigen Namen kleben auch schon wieder unter den Texten, Büsser, Hanekamp, Elbeshausen gut, aber nicht neu. Also ist Opak, das muss man wohl hinnehmen, ein konventioneller Versuch die Magazinlandschaft zu ergänzen, der auf der normalen Bundesstraße einfährt und nicht wild durchs Gebäum bricht. Schade.

Am Anfang steht tatsächlich ein Manifest, ist sogar ein Teil des Klappcovers (der andere ist ein langweiliges Foto). Es stehen darin: assoziative Fetzen, die leider nicht ganz so umwerfend wirken, wie das wohl sein sollte, sondern eher egal. Dass am Ende „PS. We still love you“ stehen muss, lässt gleich saure Werbeslogans zwischen Google und Pro Sieben aufstoßen. Nach dem Manifest kommt ein Vorwort, das nicht nur erklären muss, was im Manifest keiner kapierte, sondern auch gleich mal entschuldigt: Wir können das eigentlich nicht, machen’s aber trotzdem. Ist ja gut, ist doch schön. Dann wird übel gephrast, von Kleckern und Klotzen und über die Stränge schlagen gesprochen, um schließlich über Redaktionsinterna zu plauschen. Also Stolz, Anpissen und Geschwafel - genauso hat sich zuletzt das Vorwort für die Abi-Zeitung gelesen. Nach so viel Getrommel will man dann wirklich sehr gerne sehen, warum Opak das Heft ist, das die Macher bisher vermisst haben. Es geht aber recht holperig los. Unwitzige Photo-Hatestory und ein katastrophal unwitziges Etwas, das angeblich die Kolumne von Tino Hanekamp sein soll. Der Mann kann eigentlich bombig schreiben, dieses „Die Redaktion hat mir gesagt, ich soll hier einen Text machen“-Gewölle muss also andere Gründe haben. Die zu lesen wäre interessanter gewesen. Nächste Seite, Überschrift: „Zur Aktualität Richard Buckminster Fullers“. Okay. Von da an also wird es klug. Es folgen eine universale Systemkritik mit offenem Hosenboden, dann Kritik an der Popkritik und ein schwer verspexter Sitzkreis zur Adaptation zeitgenössischer Musik inkl. Prognose was werden soll plus Kritik. Puh. Das alles präsentiert im konstruktivistischen Layout, da gehen die Augen schon mehr als einmal mit dem friedlichen Baum vorm Fenster fremd. So ehrenhaft und vielleicht auch schlau bearbeitet manche der Themen sein mögen, man schert sich dabei wenig um den Leser. Oder wie ist eine Überschrift: Geschürte Brüche / „Die visuelle Vorgabe diktiert dem Hörer die akustische Wahrnehmung“ / Mediale Vorbelastung / Text: Dino Spiluttini anders gemeint als egoistisch? Viele Kolumnen, kommt einem vor, jeder kriegt eine. Die meisten freuen sich so darüber, dass sie das, ihre Kolumne, gleich zum Thema machen. Dann Plattenreviews wie überall, Buchbesprechungen, Literatur, es fällt schwer immer genau zu merken, wo die Texte anfangen und aufhören, das Auge irrt über Seitentitel, Übertitel, Titel und Unterschriften, Fettgedrucktes und Unterstrichenes, man verbraucht spürbar Kalorien beim Lesen. Es macht nur eher, leider, keinen Spaß. Schlechtes Gewissen, nach dieser Feststellung. Ist man schon so abgestumpft und will Magazin-Mainstream, mit netter Abwechslung und klarer Kante? Nein, aber man will auch nicht etwas, das wirkt, als hätte eben jeder, der zufällig da war, sein intellektuelles Ränzlein irgendwohin hinkippen dürfen. Dabei soll das Ganze ja auch monothematisch sein. „Zäsur“, so heißt es auf dem Cover. Nun, mit gutem Willen lässt sich ein Anklang an „Zäsur“ wohl in jedem Text finden. Auch außerhalb von Opak. Aber ein richtig roter Faden taucht nicht mal in der Modestrecke auf. Dass es eine Modestrecke gibt, ist ohnehin schwer einzuordnen. Sie ist kein Gramm aufschlussreicher, besser, netter oder nutzwertiger als alle anderen Modestrecken, nicht mal toll fotografiert. Ist das der Gegenentwurf zur restlichen Magazinlandschaft, der im ersten Absatz des Vorworts anklang? Hinten raus wird es dann ruhiger, Gutes zu Superhelden, Interessantes über den Maler Stefan Sandrock. Ein sehr normales Treffen mit einer deutschen Schauspielerin, wie es auch die Welt online gebracht hätte. Am Schluss ein (guter) Comic. Auf dem letzten Quadratzentimeter, da wo der Comic seine Pointe hat, zum ersten Mal im ganzen Heft eine Spur Humor. Vorher, das wird erst jetzt klar: sehr großes Ernstnehmen. Ehernes Argumentieren und allzu würdiges Hantieren mit der Popintelligenz. Vieles, was der alten und ganz alten Spex immer vorgeworfen wurde, erlebt in Opak eine Renaissance. Die langweilige Arroganz der „Langzeitstudenten, Künstler, Ex-Mucker, Autoren und Theaterleute“, die sich im Vorwort zum Glück selber identifizieren. Null Glam, null Kaputtness, null Witz und vor allem minus zehn Kreativität. Liebling ist besser. Respekt trotzdem vor der Leistung: Heft aus Papier. Nicht geklebt, nicht kopiert und nicht verschickt, sondern aus eigenem Willen heraus gleich ziemlich ordentlich neben die großen Verlage an den Kiosk gerückt. Viel Arbeit gemacht und die nächste Nummer schon im Visier. Sogar gleichzeitig ein stattliches Online-Gebäude errichtet. Gut so. Wird schon.

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