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Ostern? Lesen! Vier Buchtipps

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Airen – I Am Airen Man Der Blogger, dessen Texte als Grundlage für den Hegemann-Skandal herhalten mussten, kann daraus nun immerhin gesteigerte Aufmerksamkeit für sein neues Buch schlagen. Darin wandert der gute alte Techno-und-Drogen-Airen kurzzeitig nach Mexiko aus, wo sich der Inhalt seiner Notizen aber weitgehend ähnlich gestaltet, wie zuvor in Frankfurt oder Berlin: Druffi-Anekdoten, ausufernde Abendgestaltung, latente Exzessbereitschaft, bisschen Vögeln und bisschen Unternehmensberatungs-Arbeitswelt. Allgemein viel Verpeilen, plus diverse People&Friends. Aufgeschrieben ist der Sums in kurzweiligen Einträgen, als blümeranter Stream of Consciousness mit BlackOut-Lücken und gelegentlichen Speed-Sternstunden. Mehrwert auf Papier? Nicht unbedingt. Das Angenehmste daran ist eigentlich, das Airen dieses toxikologisch gepimpte Leben nie glorifiziert, ja nicht mal mystifiziert, wie das in nahezu allen anderen Underground-Berichten stattfindet. Es fehlt die Abgrenzungsmanie, das para-religiöse dieses Lebenswandels, stattdessen hat man eher das Gefühl, man begleitet hier den liebenswürdigen und leicht tollpatschigen Mitbewohner an die Pforten der Wahrnehmung bzw. Hölle. Kein krampfiges Herumkrassen, keine übersteigerte Selbstwahrnehmung. Nachhaltigkeit, Sendungsbewusstsein, intellektueller Mehrwert – eher Fehlanzeige. Dafür in machen Zeilen eine gewisse zeitgeistige Poesie. Aber wäre ja auch wirklich schade, wenn nicht mal die bei der ununterbrochenen Transzendenz des Schreibers herauskommen würde.


T.C. Boyle – Das Wilde Kind Vom Vielschreiber Boyle erscheint nahezu jedes Jahr ein neues Buch auf dem deutschen Markt und die Bandbreite seiner Themen lässt sich dabei zunehmend schwerer überblicken. Die ewigen Fans von „Grün ist die Hoffnung“ dürften ihm jedenfalls schwerlich bis über die Kinsey-Soapbio „Dr. Sex“ oder das zähe Architekten-Leben in „Die Frauen“ gefolgt sein. Was auch nicht so schlimm ist, weder für die Fans noch für Boyle. Jetzt kommt die Erzählung „Das Wilde Kind“, die man beinahe pflichtschuldig wegliest. Muss ja mal wieder, Boyle. Also: Ende des 18. Jahrhunderts taucht ein wildes Kind in französischen Dörfern auf, wird gefangen, untersucht, eingesperrt. Sonst nix. Aus dieser Thematik macht Boyle eine Annäherung an das Wilde und Gezähmte, an Zivilisation und ihre Grenzen. Sehr klar und ohne Ablenkung aufgeschrieben, nüchtern und ohne romantisierende Überhöhung. Elektrisieren geht anders. Liest sich schnell und hinterlässt wenig Aufregung. Ideal für geruhsame Ostertage.


Philipp Tingler – Doktor Phil Phillip Tingler ist ein furchteinflößender Typ, weil er offenbar alles kann. Er hat als Model gearbeitet und nebenbei seine Doktorarbeit über Thomas Mann geschrieben, erhält Hochbegabtenstipendien und wandert als Stil-Experte durch die Hochglanzmagazine und die Zürcher High-Society. Auf seiner Homepage vermerkt er die Beschäftigung von zwei Assistentinnen und zeigt sich im Muskelshirt, was wohltuend ist. Nebenbei schreibt Tingler auch Bücher, die bisher eher vernachlässigbar waren. Aber dieses neue Werk ist sehr nett geworden, was vor allem an Tinglers feinem Stil liegt, der elegant plaudert und sich nie auf Phrasen oder schiefe Bilder einlässt. Was er in dieser süffigen und treffsicheren Art erzählt, ist eine Geschichte aus dem mittelguten, literarischen SB-Markt: Ein Schriftsteller schließt, vorrangig aus Langweile, einen Pakt mit dem Teufel. Dabei ist vor allem die Milieustudie aus dem Bonvivant-Alltag des Literaten Oskar Canow recht genussreich, der sich, hoppla, mit der Zürcher High Society und anderen luxuriösen Zeitvertreiben aufhält. Dabei wird viel Kolportage und Name-Dropping betrieben, die auftretenden Prominenten und Chefredakteure sind teilweise sehr leicht ins echte Leben zu übersetzen (zum Beispiel bekommt der Zürcher Celebrity-Kolumnist Mark van Huisseling ziemlich massiv eingeschenkt). Außerdem zeigt sich Tingler als ausgezeichneter Dialogschreiber. Diese detaillierten und umfangreichen Schilderungen von Wahn und Zerstreuung der Upper Class sind jedenfalls sehr unterhaltsam und kurzweilig und Tingler räumt ihnen auch mehr Platz ein, als der eigentlichen Teufel-Geschichte. Die trägt dann auch weniger zur Faustischen Metaebene bei, als dass sie vielmehr vergnüglich am Rande mitläuft. Der Teufel bekommt eine Hose gekauft und benimmt sich wie ein schwieriges Kind. Natürlich geht am Ende der Pakt aus dem Ruder und alles drunter und drüber, aber da wirkt die Konzentration des Schreibers und des Lesers schon ein wenig verbraucht. Es bleibt geneigte Stimmung und angenehmer Nachgeschmack, ein Buch wie ein schönes Accessoire.


Alain de Botton - Airport (erscheint am 12. April) Der vergnügliche britische Populär-Philosoph de Botton hat sich von einer Flughafengesellschaft kaufen lassen. Eine Woche verbrachte er daraufhin an einem Schreibtisch auf dem Flughafen Heathrow und ließ seine edlen Gedanken um Ankommen und Abfliegen, um Beförderung und Zivilisation kreisen. Dazu inspizierte er die verschiedenen Bereiche des Flughafens, sprach mit Personal und Fluggästen und erforschte die Zwischenräume, Seltsamkeiten und Fragen, die den Reisenden jeden Tag umfangen. De Bottons unbekümmertes und geistreiches Aufschreiben, seine pointierte Neugierde und ein Stück kindliches Staunen machen aus diesem Erlebnisaufsatz eine ganz ordentlich schnurrendes Stück Reiselektüre.

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