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Persönlichkeits-Placebos

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Handys sind stumm. Zwar helfen sie uns beim Sprechen, selber reden aber können sie nicht. Statt eines Gesichts haben sie eine Benutzeroberfläche, statt eines Namens eine Typbezeichnung: Motorola V 70, Siemens A 70, Samsung SGH-D500 – die Akronyme klingen wie Aktenzeichen oder eine Verordnung aus dem Baureferat. Damit soll es nun vorbei sein. Glaubt man den Handy-Herstellern, bekommen ihre Geräte in diesem Winter ein Gesicht, lernen eine Sprache – die Sprache der Mode. Vodafone bewirbt seine Telefone als „Winter-Kollektion“, Motorola preist „cooles Design und edles Material“ und Nokia bringt jetzt seine „L’amour-Kollektion“ heraus – Handys mit eingearbeitetem Leder, verziert mit rosa Blumenmuster, geschützt in weichen Samttaschen, als wären sie edle Diamanten. Diese Apparate sprechen nicht, sie rufen, und wer sie dann immer noch nicht versteht, für den wiederholt es Nokia-Managerin Tanja Fischern gerne noch einmal: „Wer ein solches Gerät besitzt, soll sich besonders fühlen.“ Dass der Mensch sich durch exklusiven Besitz von Konsumgütern von anderen Menschen unterscheiden und sich seiner eigenen Persönlichkeit versichern will, das hat Karl Marx schon in seinen Pariser Manuskripten von 1844 geschrieben. Mit einer Jeans von Ralph Lauren funktioniert das, auch mit einem Mercedes oder einer Rolex – Handys aber beherrschen diesen Code der Distinktion, diese Vokabeln der Unterscheidung nicht. Wer sich für viel Geld ein brandneues Mobiltelefon kauft, kann sich vielleicht zwei Monate im Glanz des neuen Aluminiums sonnen, dann sinkt der Preis des Geräts so rasch, bis es nahezu jeder hat. Wie Soldaten in Reih und Glied hängen die Handys im Laden, alle einander ähnlich, uniformiert, klein, unbedeutend; viel wichtiger sind die großen Tafeln, auf denen dicke Buchstaben ihre technischen Leistungen verkünden: Megabyte und Megapixel, WAP und UMTS, hier folgt nicht die Form der Funktion, hier gibt es nur Funktion. Wohl um diesen Eindruck zu vermeiden, hat Siemens schon vor Jahren einmal seine Mode-Linie Xelibri nicht im Elektro-Markt, sondern in Edel-Boutiquen verkauft. Am Ende aber wurden die Geräte dann beim Food-Discounter Penny verramscht, Siemens verlor Millionen und musste seine Mobilsparte später an BenQ verkaufen. Den Handy-Herstellern ist das allerdings keine Warnung. Sie drängen schon deswegen alle in die Mode-Ecke, weil sie dort einem möglichen neuen Konkurrenten keinen Platz lassen wollen, einem, der schon lange mit der Verbindung von Technik und Design viel Geld verdient: Apple hat im vergangenen Jahr mit Motorola ein Mobiltelefon entwickelt, es hatte einen richtigen Namen, Rokr, aber besonders erfolgreich war es nicht. Nun wollen die Amerikaner angeblich schon bald ein eigenes Handy auf den Markt bringen. Dann werden die Geräte noch lauter rufen, schreien werden sie dann. „Die Zeiten, in denen die Kunden nur billiges Plastik wollten, sind längst vorbei“, sagt die Trendforscherin Christine Woesler de Panafieu. „Die Nutzer sollen eine emotionale Verbindung zu ihrem Handy aufbauen.“ Das haben aber die meisten Menschen schon gemacht. Schließlich ist ihr Mobiltelefon ein Archiv des Alltags, ein mobiles Museum, es speichert die Nummern der Freunde, die schönsten Nachrichten, die besten Fotos. Inbrünstig lieben die meisten ihr Handy. Aber nicht, weil es so schön aussieht. Sondern weil es, stumm und diskret, so viel Schönes aufbewahrt.

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