Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Produktbiografie: Johannas Partys

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

1. Die Kindergeburtstagsparty Geburtstag schmeckt nach Luftballon und Kinderschminke. Ich bin im Januar geboren. Bis zu meinem 13. Geburtstag habe ich immer Faschingspartys gefeiert. Kurz bevor meine Freunde kamen, bliesen wir einen Zwanzigerpack Luftballons auf. Zurück blieb der Geschmack von Gummi und das Gefühl, einen Tennisball im Mund zu haben. Meine älteste Schwester pinselte mir Spinnennetze oder Regenbögen auf die Wangen, die sich spätestens beim Krapfenessen mit Puderzucker und Marmelade vermischten. Nach dem Geburtstagskaba teilt meine Mutter kleine Plastikbeutel an uns aus, auf die sie unsere Namen geschrieben hat. Darin verstauen wir unsere Beute vom Bonbon-Schnappen und Topfschlagen. Mein Lieblingsspiel ist "Schokolade auspacken". Gespannt starren wir auf den Würfel, während meine Freundin Nadine, als Hexe verkleidet, schon das erste Stückchen Schokolade aus den Zeitungsfetzen pult. "Seeeeechs!" Ich reiße der Hexe Mütze, Schal und Handschuhe runter, schnappe mir das Besteck, ramme die Gabel in die Schokoladentafel.


2. Die Hiwi-Party Als ich noch im Schokolade-Auspacken-Alter war, feierten meine älteren Schwestern ihre ersten Partys mit Bier und Musik. Meine Anwesenheit beschränkte sich darauf, leere Brotkörbe gegen volle auszutauschen und Ketchup-Nachschub zu organisieren. Später lag ich im Bett und konnte nicht schlafen, weil jemand ein Nirvana-Lied aufgedreht hatte. Erst als ich 14 war, durfte ich ein bisschen mehr mitmischen: Diesmal war die Party so groß, dass das Bier nicht mehr umsonst war, sondern für eine Mark verkauft wurde. Mein Einsatz! Zusammen mit meiner Freundin Anna stehe ich hinter der Bar in der Garagenecke und hantiere mit Kronkorken und Flaschenöffnern. Neben uns die Cocktail-Bar, hinter der ein paar Jungs Limetten schneiden. "Was mischen die denn da? Ich will das auch mal probieren!", raunt Anna. Ein paar Minuten später haben wir unseren ersten Caipirinha in der Hand und sind uns einig, dass der viel zu bitter schmeckt. Aber die Cocktail-Karte hat zum Glück noch mehr zu bieten: "Probieren wir mal den Touch Down?"


3. Die Absturzparty Ein Samstagabend im Jugendtreff, Sitzung des Thekendienstes. Alle schauen mich ziemlich sauer an. "Jetzt kriegen wir vielleicht keine Erlaubnis mehr, für Partys länger als bis Mitternacht zu öffnen", sagen sie anklagend. "Wegen deiner Party!" Meine Party war für viele Gäste der erste Kontakt mit Alkohol - genauer gesagt für unsere 16-jährigen Austauschschüler aus Irland. Die Iren waren ganz begeistert von den Maßkrügen und deren Inhalt. Wem das Bier zu herb schmeckte, der hielt sich an die Wein-Sekt-Bowle. Wir hüpften zu "Narcotic" durch den Kellerraum, spielten Kicker, die Raucher gingen alle brav nach draußen. Irgendwann stand eine Flasche Chantré auf der der Theke und die Iren hatten ein neues Lieblingsgetränk: die Chantré-Goiß. Ein halber Liter dunkles Bier, ein halber Liter Cola, ein Stamperl Chantré. Der Weinbrand feuerte die Party ganz schön an: Der Boden wurde immer klebriger, die leeren Flaschen und Krüge türmten sich auf der Theke, auf dem Klo und im Treppenhaus roch es säuerlich. Thomas aus meiner Parallelklasse führte ein würgendes Mädchen nach draußen, wo die Raucher grölten - der Hausmeister im ersten Stock war längst vergessen. Nach dieser Party war ich nicht mehr so oft im Jugendtreff.


4. Die Überraschungsparty "Was sollen wir denn jetzt heute Abend machen?", frage ich meine Freundin Anna an meinem 17. Geburtstag. Wir sitzen bei ihr um den Küchentisch beim Kaffee. "Wir gehen später zu dir und dann werden wir wissen, wo wir feiern.", sagt sie geheimnisvoll. Ihr Bruder Johannes steckt den Kopf zur Tür rein und verabschiedet sich. Na toll, denke ich. Der hätte ja auch mit uns feiern können! "Komm, trink aus, wir gehen jetzt auch!", bestimmt Anna. Ein paar Minuten später, bei mir zuhause. Ich öffne die Wohnzimmertür - und mache gleich wieder einen Schritt rückwärts. Johannes. Nina. Markus. Kathrin. Tanja. Marie. Meine Schwestern. Anna zieht mich am Arm und flüstert "Alles Gute", während die anderen "Happy Birthday" anstimmen. Ich weiß gar nicht, wohin ich schauen soll, habe das Gefühl, als müsste ich gleich losheulen vor Überraschung und Freude. Jemand setzt mir einen Sombrero auf den Kopf. Auf dem Tisch stehen Desperados- und Tequila-Flaschen, Mais, Bohnensauce, Tortilla-Fladen, gebratene Fleischstückchen - eine Fiesta Mexicana. "Wir dachten schon, du hättest erraten, was wir vorhaben, wegen der Äpfel", sagt meine Schwester. Am Tag zuvor hatte ich eine Plastikschüssel ganz oben auf dem über zwei Meter hohen Wohnzimmerschrank entdeckt. Auf meine Frage, was darin sei, hieß es: "Äh... Äpfel! Die müssen noch reifen!" Jetzt erkenne ich die vermeintlichen Äpfel auf dem Wohnzimmertisch wieder, vermanscht zu einer grünen Pampe, gekrönt von einem Schildchen mit der Aufschrift "Guacamole".


5. Die Sommerparty Irgendwann war ich alt genug, in die Partys meiner älteren Schwestern einzusteigen. Seitdem feiern wir zuverlässig jeden Sommer eine Grillparty. Die Planung fängt meistens an Ostern an, wenn wir alle zuhause sind. Zwischen Schokoladeneiern, Schafkopf und Kaffeetrinken kommt die Frage auf: "Wann feiern wir dieses Jahr eigentlich?" Sofort suchen wir alle vier unsere Kalender und einen Party-Termin, irgendwann an einem Mai- oder Junisamstag. In den Wochen davor flattern E-Mails mit dem Betreff "Re: Party-Organisation" hin und her: "Bei mir kommen etwa 25 Leute, fünf bleiben über Nacht", "Katha bringt einen Schokokuchen mit", "Wer bestellt das Bier?" Am Party-Tag bauen wir ein Zelt auf, suchen im Keller Aschenbecher und Pappteller und schnibbeln Salate. Die Party an sich hat sich über die Jahre nicht viel verändert - verändert haben sich die Gäste. Zu meinen Schulfreunden kamen irgendwann meine neuen Freunde von der Uni dazu. Bei meinen Schwestern standen die ersten Arbeitskollegen auf der Gästeliste. Mittlerweile bringen einige schon ihre Kinder mit. Der harte Kern, der um halb sechs in der Früh noch ums Lagerfeuer sitzt, ist aber der gleiche geblieben.

Text: johanna-kempter - Illustration: Jovita Mockeviciute

  • teilen
  • schließen