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Produktbiografie: meine Alkoholsorten

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1. Saurer Apfel „Saurer Apfel“ war das Getränk der Stunde zu einer Zeit, als wir gerade das Wort „sturmfrei“ und die damit verbundenen Möglichkeiten kennen lernten. „Saurer Apfel“ wurde auf jeder Schieberparty serviert, wir tranken ihn vor allem, um bei den Mädchen zu punkten. Ich war damals hemmungslos in die Neue aus unserer Klasse verknallt. Als ich einmal sturmfrei hatte, war sie auch da. Ich beschloss, aufs Ganze zu gehen, also schnappte ich mir eine Flasche „Sauren Apfel“ und ging zusammen mit der Neuen aufs Dach. Ich fand es aufregend genug, einfach nur da zu sitzen und in den Abendhimmel zu schauen. Wir saßen da so, und sprachen kein Wort, ab und zu tranken wir einen Schluck. Irgendwann ging sie und ließ mich allein mit der Flasche zurück. Am Ende hatte ich nicht nur kein Mädchen, sondern auch keinen Rausch.


2. Strohrum Dumme Ideen entstehen ja oft aus dem Nichts, darum kann ich nicht genau sagen, wie alles kam. Ich weiß noch, dass wir nach der Schule zu zweit bei einem Kumpel rumsaßen. Er war immer mein Vorbild gewesen; wegen ihm war ich Bayern-Fan, wegen ihm hatte ich in der fünften Klasse mit Latein angefangen, wegen ihm trug ich sogar Baggy-Pants, obwohl sie mir nicht standen. Trotzdem ging es mir mit allem recht gut, und so dachte ich mir auch nichts weiter dabei, als er mich einlud, am hellichten Tag die Schnapsbar seiner Eltern zu testen. Wir fingen mit Amaretto an und schaukelten uns gegenseitig hoch, bis wir schließlich bei 80-prozentigem Strohrum anlangten. Danach war ich betrunken, die Mutter meines Kumpels kam heim, und ich machte mich schnell durch die Hintertür aus dem Staub. Es wäre alles glatt gegangen, hätten meine Eltern zuhause nicht festgestellt, dass ich nach Alkohol roch. Nach meinem Geständnis hielt sich der Ärger aber in Grenzen – es war halt eine dumme Idee aus dem Nichts.


3. Bacardi-Cola Irgendwann zwischen Mittel- und Oberstufe wurde es cool, beim Feiern nur noch Getränke mit Doppelnamen zu bestellen: Bacardi-Cola zum Beispiel oder Wodka-Bull. Das Tolle daran ist, dass der Cola/Bull-Geschmack den Alkohol übertüncht. Das Tückische daran ist: genau das. Vor allem, wenn man auf eigene Faust mixt, und meint, man hätte es damit selbst in der Hand. Im Zusammenhang mit dieser Praxis habe ich erste Erfahrungen mit dem so genannten „Filmriss“ gemacht. Meine Freunde aber haben mir anschließend immer versichert, es sei nichts Schlimmes passiert; ich sei nur einmal mit Anlauf über ein Lagerfeuer gesprungen und hätte wann anders eingehend über Klorollen philosophiert. Na dann.


4. Rotwein Die Franzosen verstehen wirklich etwas vom „savoir vivre“, ich habe es vor drei Jahren mit eigenen Augen gesehen. Ich war für ein Erasmus-Semester in Paris und dort am liebsten in einer Kneipe, die sich in einem felsigen Kellergewölbe befand. Dort lehnten Frauen an den Wänden und rauchten so sinnlich, dass man Lust hatte auf eine Zigarette und mehr. Dort wurden Chansons in einer Endlosschleife gespielt und dazu wurde geklatscht und getanzt. Ich fühlte mich als Mitglied einer Subkultur und als Teil der Bohème, und dazu gehörte natürlich, dass ich Rotwein trank. Ich hatte meinen Vater bisher immer nur schief angesehen, wenn er von irgendwelchen Korallenriffen erzählte, die im Glas zu sehen seien, sobald man den Wein darin zu schwenken begann. Aber ich könnte schwören, in dem Moment, als ich das Glas schwenkte, während französische Chansons liefen und um mich herum alle klatschten und tanzten, hab ich sie gesehen.


5. Bier Das Bier und ich haben lange gebraucht, um uns zu verstehen. Die meiste Zeit konnte ich es nicht leiden und es mochte mich wohl auch nicht besonders, denn jedes Mal, wenn ich ihm wieder eine Chance geben wollte, suchte es mich anschließend mit Sodbrennen oder Blähungen heim. Es ist wohl einfach ein Gewöhnungsprozess, so wie mit Kaffee oder mit Zigaretten. Man wird von klein auf damit in Versuchung gebracht, bis man irgendwann kapituliert. Während ich mich vor Kaffee und Zigaretten aber noch weitgehend erfolgreich verschließe, hat das Bier mittlerweile einen festen Platz in meinem Kühlschrank gefunden. Ich kann damit leben. Die Zeit der Experimente ist jetzt vorbei.

Text: florian-kaindl - Illustration: dominik-pain

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