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Reisen für fast umsonst

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Es war gar nicht so einfach, einen Interview-Termin mit Dir zu bekommen. Du bist viel unterwegs… Ich war in den letzten Jahren im Schnitt jeden Monat zweimal weg. Ich war in Zypern, Malta, Polen, Georgien, Armenien, Guadalupe, Norwegen, Slowenien, Tschechien, England, Italien, Spanien, Albanien und so weiter. Die EU zahlt den größten Teil Deiner Reisekosten. Erklär doch bitte kurz, wie das abläuft. TDM organisiert sogenannte youth exchanges, also Jugendbegegnungen. Da nehmen dann Partnerorganisationen aus verschiedensten Ländern teil. Die Teilnehmer zahlen dreißig Prozent der Transportkosten. Den Rest, also Unterkunft, Verpflegung und so weiter, zahlt die EU.

Und warum machen die das? Ziel ist ein interkultureller Austausch, das Kennenlernen von Traditionen, Legenden und Bräuchen. Nehmen wir zum Beispiel Armenien. Die Leute haben ja noch nicht einmal Stereotype im Kopf. Was ist die Stereotype von einem Armenier? In meiner Vorstellung ist es ziemlich schwierig, von der EU große Geldmengen zu bekommen. Wie kommst du ganz konkret an das Geld ran? Ich stelle einen Antrag an die deutsche Nationalagentur „youth in action“. Für den Antrag ist ein ganzes Paket an Informationen nötig: Welche Partnerorganisationen habe ich für die Reise angeworben, wie viele Teilnehmer gibt es, wie sieht das Tagesprogramm aus, was für workshops wird es geben. Und wie viel bekommst Du dann überwiesen? Für Armenien waren es rund 20000 Euro. Die liegen dann auf einmal auf Deinem Konto herum? Das ist schon spannend. Mit Glück liegt eben nach zwei Monaten ein Vertrag im Briefkasten. Bisher hat das nach jedem meiner Anträge geklappt. Okay, das Geld ist überwiesen. Was passiert dann? Ich erkläre Dir das am Beispiel Armenien. Ich fliege übers Wochenende dorthin, zum Vortreffen der Gruppenleiter. Ich muss das Logistische regeln, eine Unterkunft organisieren. Ich erinnere mich, ich habe damals armenische Verträge unterschrieben. Aber solche Reisen sind toll. Ich bin damals um 3 Uhr früh in Armenien angekommen. Ich wurde am Flughafen mit Luftballons empfangen. Die haben für mich mitten in der Nacht ein Essen veranstaltet. Wie viele Leute nehmen dann an so einer Reise teil? In dem Fall waren es dreißig Teilnehmer. Das waren Menschen aus Italien, England und Deutschland plus drei Länder aus der Region: Armenien, Georgien und die Ukraine. Wie viel Programm steht auf so einer Reise auf dem Tagesplan? Zwei bis drei Stunden vormittags, zwei bis drei Stunden nachmittags und der Rest ist frei. Abends organisieren die einzelnen Teilnehmerländer meistens noch etwas. Am liebsten habe ich unser „global village“. Jedes Land bringt Essen und Getränke mit, die landestypisch sind. Die Deutschen zum Beispiel Obatztn und Jägermeister. Mein Dirndl ist auch auf jeder Reise dabei. Und die Georgier zum Beispiel führen Tänze und Lieder auf.

Bekomme ich als Teilnehmer ein Einzelzimmer? Meistens teilen sich die Leute das Zimmer, je nachdem, wie teuer das Land ist. Wird auf Euren Reisen auch gefeiert? Klar, ich kann dir von Discos in der Türkei, Armenien oder Georgien erzählen. An Armenien erinnere ich mich besonders gerne zurück. Der DJ hat irgendwann einfach seine Sachen gepackt, um uns den Sonnenaufgang zu zeigen. Am selben Abend hat mir eine Disco-Besucherin einen ganzen Tresen voll Getränke ausgegeben, weil ich sie im Dart geschlagen habe. Dann bist du ja Expertin. Wo wird denn am härtesten gefeiert? Eigentlich sind junge Menschen überall gleich, auch was das Feiern angeht. Wir wollen alle Spaß am Leben und eine gute Ausbildung. Vielleicht wird in Skandinavien am meisten getrunken. In osteuropäischen Ländern siehst du viel seltener Betrunkene auf der Straße. Wie ist die Stimmung innerhalb einer so internationalen Reisegruppe? Am ersten Abend sind alle noch in Grüppchen unterteilt, Deutsche mit Deutschen, Italiener mit Italiener und so weiter. Am ersten Morgen beginnt sich alles ein wenig zu mischen, am dritten Tag sitzen alle kreuz und quer. Das ist auch der Sinn der Sache. Gab es auch mal Stress? Ab und zu. In Malta gab es mal ein Problem mit dem Essen. Wir fragen vor den Reisen immer, ob es Vegetarier in der Gruppe gibt. Damals war eine muslimische Gruppe aus der Türkei dabei, die angaben, keine Vegetarier zu sein, was sie ja auch nicht waren. Nur kam es dann am ersten Abend zu der blöden Situation, dass der Gruppe Schweinefleisch serviert wurde. Wir haben dann improvisiert und ihnen etwas anderes zum Essen gegeben, dennoch war das eine peinliche Panne. Du kennst jetzt bestimmt überall Leute. Buchst Du privat überhaupt noch Hotelzimmer? Eigentlich nicht. Ich war zum Beispiel neulich in Barcelona. Ich hatte keine Unterkunft und bin mein Handy durchgegangen. Eine halbe Stunde später hatte ich ein Zimmer zum schlafen. Bei mir daheim ist im Gegenzug die Bude aber auch immer voll. Wie lang ist die Warteliste für Eure fast kostenlosen Reisen? Wir haben im Gegenteil Probleme damit, die Plätze voll zu bekommen. Auf der Armenien-Reise war es zum Beispiel schwierig, Teilnehmer zu finden. Das liegt sicher auch daran, dass wir bisher praktisch keine Öffentlichkeitsarbeit betrieben haben. Wohin geht die nächste Reise? Im Herbst wollen wir entweder nach Moldawien oder in die Ukraine.

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