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Schreiben ist Knochenarbeit

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Vom Hobbyschriftsteller zum Autor. Eine kundige Einführung

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Geschafft! J.K. Rowling bei der Präsentation eines Harry Potter-Bandes. Man muss nicht gleich so erfolgreich sein wie Rowling, aber: Schreiben ist Handwerk, Schreiben kann man lernen. (Foto: ap) Sandra Uschtrin gründete vor zehn Jahren in München den Uschtrin Verlag und bringt unter anderem das „Handbuch für Autoren und Autorinnen“ heraus. Auf der Website finden sich nützliche Tipps für angehende Schriftsteller und eine Übersicht über Schreibwettbewerbe im deutschsprachigen Raum. Uschtrin bietet Seminare zur „Professionalisierung von AutorInnen“ und erklärt für jetzt.de unter anderem, wie man sich bei einem Verlag bewirbt und was ein gutes Manuskript ausmacht. 1. Schreiben ist Handwerk An seinem Stil kann jeder feilen. In Amerika gibt es seit vielen Jahren Kurse in „creative writing“ und in Deutschland werden es auch immer mehr. Niemand wird als Genie geboren, man kann das Schreibhandwerk lernen: Wie entwickle ich Charaktere? Wie erreiche ich, dass die Handlung spannend wird? Da gibt es Tricks und Kniffe. Vor allem aber heißt Schreiben üben, üben, üben. Schreiben lernt man durchs Schreiben, aber auch indem man andere beobachtet: Wie machen die das? Und es gibt ja mittlerweile auch viele Schreiblehrbücher, die man sich als Autor ruhig zu Gemüte führen sollte. Wenn man Bäcker werden möchte, hat man auch seine Zutaten, aber es ist auch nicht verkehrt, wenn man sich ein paar Rezepte anguckt, um zu sehen wie es die anderen machen. 2. Gut schreibt, wer viel schreibt Viele fangen mit Kurzprosatexten an, und das ist meiner Meinung nach auch ratsam. Sich gleich an einen dicken, langen Roman ranzuwagen, der dann später 200 Seiten hat, ist für den Anfang ein bisschen viel. Schreibwettbewerbe sind gut geeignet, sie geben Schreibanreize und können als Fingerübung betrachtet werden. Einige fangen auch mit Fantasy-Sachen an, manchmal auch aus der Not heraus: Da kann man immer ein Ende finden, indem am Schluss plötzlich die gute Fee kommt und alles gut macht. Viele probieren es am Anfang auch mit Lyrik – ich denke aber, man sollte mit Lyrik lieber aufhören. Da muss nicht nur jeder Satz und jedes Wort sitzen, sondern auch jede Silbe und jeder Buchstabe. Das ist was für Leute, die ein sehr gutes Sprachgefühl haben und die bereit sind, sich mit der alten und neuen Lyrik auch wirklich zu beschäftigen. Sonst münden die Verse immer nur in die Reime Herz/Schmerz und Rauschen/Lauschen. Klar, es ist ganz schön als junger Mensch, wenn man mal Liebeskummer hat, das auch aufzuschreiben. Aber das ist dann keine Lyrik im eigentlichen Sinne. Ich würde empfehlen, an Treffen von Autorengruppen teilzunehmen. Wichtig ist, dass man einfach jemanden hat, mit dem man sich austauschen kann. Gegenseitig Texte durchlesen und versuchen, offen zu sein in seiner Kritik. Bei gemeinsamer Textarbeit kann man viel lernen, man erhält Anregungen. Dadurch, dass man sich mit anderen austauscht und Feedback bekommt, kann man typische Anfängerfehler vermeiden. Die meisten benutzen zu viele Adjektive oder schreiben in einem schrecklichen Nominalstil. Wichtig ist: Nur immer zu Hause im eigenen Zimmer zu sitzen und nicht rauszugehen, wird in den seltensten Fällen von Erfolg gekrönt sein. 3. Erst leben, dann schreiben Ausbildung ist das eine, aber man sollte auch ein bisschen Lebenserfahrung haben. Ohne Erfahrung fehlen die Stoffe, über die man schreiben kann. Das gibt dann ein Buch ohne Inhalt. 4. Richtig formatieren Erfolg oder Misserfolg hängt oft schon von Kleinigkeiten ab, beispielweise vom Anschreiben an Lektoren. Man sollte nur eine Textprobe verschicken. Sehr wichtig ist auch, wie man das Manuskript formatiert. Oft kriegen Verlage Texte, die man mit der Lupe lesen muss und die auf der Rückseite auch noch bedruckt sind. Das entlarvt dann oft die Anfänger. Solche Dinge werden im Handbuch erklärt und wenn man sich das zu Gemüte führt, ist man einfach eine Ecke schlauer und rennt nicht in irgendwelche Sackgassen. 5. Manuskripte nicht blind verschicken Ich publiziere ja wirklich nur in dieser Nische: „Professionalisierung von Autoren“. Aber auch ich kriege oft genug Krimibücher geschickt. Da fängt es dann nämlich auch schon an: man sollte sorgfältig gucken welcher Verlag in Frage kommt. Viele schicken einfach dahin wo Verlag drauf steht. 6. Lektoren haben genug Manuskripte auf dem Tisch Es muss fesseln oder begeistern. Das ist natürlich immer sehr subjektiv. Jeder hat einen anderen Geschmack. Aber je mehr Manuskripte man im Laufe der Zeit geschickt bekommt, desto mehr bekommt man einen Blick dafür. Oft erkennt man nach den ersten drei Seiten, ob es halbwegs in das Programm passt. Wenn es den Lektor als Erstleser schon langweilt oder er sich über die falsche Grammatik ärgern muss, dann legt er es eben zur Seite. Es liegen ja noch genug Manuskripte auf dem Tisch. 7. Vom Schreiben leben Viele denken immer noch, dass man mit Schreiben leicht reich werden kann, wie Joanne K. Rowling mit Harry Potter. Das ist aber ein Sonderfall. Es ist schön wenn man Ziele in seinem Leben hat, aber vom Schreiben leben zu können bedeutet Knochenarbeit. Viele Romane laufen zwei, drei Jahre und dann werden sie verramscht und dann muss der nächste da sein. Man schreibt sehr lange an einem Buch und hinterher bekommt man nur 10 Prozent des Nettoladenverkaufspreises. Die durchschnittliche Auflagenhöhe ist 3000 bis 5000, da kommt dann also nicht allzu viel Geld raus. Die meisten Schriftsteller haben nebenher noch einen Brotberuf und schreiben nur in ihrer Freizeit. Viele schreiben zusätzlich Sachbuchtexte oder machen Ghostwriting, um Geld zu verdienen. Aber selbst die Schriftsteller, die vom Schreiben leben können, leben oft nicht von den Buchtantiemen sondern von den Honoraren für Lesungen. 8. Seine Grenzen erkennen Ich finde es toll, wenn man irgendwelche Rosinen im Kopf hat - Träume sind auch dazu da, sie zu verwirklichen. Aber man muss eben auch selbstkritisch sein und sich überlegen: Wie gut bin ich wirklich? Lässt sich das verbessern? Vielleicht kommt man nie über ein gewisses Level hinaus. Und wenn das Schreiben ein großes Bedürfnis und eine Liebe ist, kann man das ja immer noch nebenher versuchen. Die Brötchen auf dem Frühstückstisch finanziert man sich dann lieber mit einem anderen Beruf.

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