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Sechs Fragen über Tunesien

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Was passiert gerade in Tunesien?
Seit drei Wochen liefern sich Demonstranten mit der Polizei Straßenschlachten. Die Proteste sind so stark, dass die Polizei in der von Tunis 450 Kilometer entfernten Stadt Gafsa vor den Demonstranten geflohen ist. Schulen und Universitäten sind geschlossen. Mittlerweile haben sich den Jugendlichen auch Gewerkschaftler angeschlossen. Bei den Ausschreitungen sind zwischen 21 und 50 Menschen ums Leben gekommen.

Und warum protestieren die?
Muhammad Bouazizi hatte einen Universitätsabschluss. Trotzdem war es ihm unmöglich, einen qualifizierten Job zu finden. Um zu überleben, verkaufte er Gemüse auf der Straße. Das ermöglichte ihm zumindest ein kleines Einkommen. Die Polizei aber beschlagnahmte seinen illegalen Verkaufsstand, schlug und beschimpfte ihn. Letzten Monat übergoss er sich mit Benzin und zündete sich an. Am 4. Januar erlag er seinen Verletzungen. Das war der Anlass für die Proteste. Die Gründe sind vielfältiger: Die Arbeitslosigkeit in Tunesien liegt bei 13 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit ist doppelt so hoch und die der Uni-Absolventen nochmals höher. Die Unterschiede zwischen Arm und Reich sind groß und viele Politiker gelten außerdem als korrupt.


Was wollen die Demonstranten?
Auf jeden Fall wollen sie Arbeit und bessere Lebensbedingungen. Manche verlangen auch, dass der Präsident Ben Ali abdankt.

Ist Tunesien eine Diktatur?
Offiziell ist Tunesien seit seiner Unabhängigkeit von Frankreich 1956 eine Präsidialrepublik. In einem friedlichen Putsch wurde 1987 Ben Ali Präsident. Menschenrechtsorganisationen sprechen von einem autoritären Regime, in dem politische Häftlinge gefoltert werden.

Wie schlimm ist die Zensur in Tunesien?
Die tunesische Regierung zählt zu den repressivsten Regimes, was Redefreiheit und Internetzensur betrifft. Seit April sind Seiten wie Youtube und Flickr gesperrt, auch viele ausländische Nachrichten-Websites sind nicht zugänglich. Gerüchten zufolge soll die Zensurbehörde auch nach Passwörtern für Email-Konten suchen, um deren Nutzer zu auszuspähen. Facebook funktioniert in Tunesien, allerdings soll die Behörde mehrere regierungskritische Gruppen gesperrt haben. Trotzdem organisieren sich die Protestierer oft über das Internet. Unter dem Hashtag #sidibouzid – so lautet der Name der Stadt, in der sich Muhammad Bouazizi anzündete – sammelten sich viele – bis auch diese Seite blockiert wurde.

Was wird wahrscheinlich passieren?
Genau kann man das natürlich nicht sagen. Allerdings halten es Beobachter eher für unwahrscheinlich, dass die Proteste den 74-jährigen Ben Ali aus dem Amt drängen oder gar das autokratische Herrschaftssystem über den Haufen werfen werden. Der hat bisher nichts anderes getan, als die „feindlichen Elemente" zu warnen und 300000 neue Jobs zu versprechen. Allerdings sind die Proteste der jungen Leute eine Warnung an viele ähnlich autoritäre Regimes in Nordafrika. 



Text: philipp-mattheis - Foto: AP

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