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Seltsame Uniwelt: Das große Warten auf den Juniorprofessor

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In einem besonderen Fall warten Politik-Studenten an der Berliner Freien Universität seit Januar 2007 auf einen neuen Professor. Das John F. Kennedy-Institut für Nordamerikastudien hat den Zuschlag für die Förderung als „Graduate School of North American Studies“ im Rahmen der Exzellenzinitiative bekommen. Schon im Mai 2006 wurde eine Juniorprofessur für Politikwissenschaft Nordamerikas ausgeschrieben. Anschließend ging alles seinen gewohnten Gang: Verschiedene Wissenschaftler reichten Bewerbungen ein, darunter der Politologe und Redakteur der „Blätter für deutsche und internationale Politik“ Albert Scharenberg, der auch schon an der FU als Lehrbeauftragter tätig war. Eine Berufungskommission, die aus Mitgliedern des John F. Kennedy-Instituts sowie des Fachbereichs Politik und Sozialwissenschaften und externen Vertretern besteht, sichtete die Bewerbungen und sortierte aus. Drei Kandidaten blieben übrig, Albert Scharenberg wurde als der bestqualifizierte Bewerber auf Platz eins der Empfehlungsliste gesetzt. Schließlich erhielt das Präsidium der FU im Januar 2007 die Liste. Kommission und Bewerber warteten auf eine Reaktion, denn eigentlich sollte die Stelle schnell besetzt werden – die Exzellenz schläft nicht. Aber erst im Mai meldete sich das Präsidium - und wies die Liste zurück.

Politologe Albert Scharenberg: Warten auf die Berufung (Bild:Uli Staiger/ die lichtgestalten) Eigentlich leitet das Präsidium Listen, die schließlich von Experten erstellt werden, an den Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner (oder den Wissenschaftsminister in anderen Bundesländern) weiter. Diesmal aber empfahl das Präsidium eine Neuausschreibung der Juniorprofessur mit der Begründung, Albert Scharenberg sei mit 42 Jahren zu alt und nicht ausreichend qualifiziert für den Posten. Uni-intern machte aber eine ganz andere Begründung die Runde: FU-Präsident Dieter Lenzen wolle Scharenberg nicht, weil der sich im Kuratorium der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die der Linkspartei nahesteht, engagiere. Scharenberg sagt, das Kuratorium berate die Stiftung in Grundsatzfragen. Im Kuratorium sitzen neben Abgeordneten der Linkspartei auch Autoren und gesellschaftlich engagierte Menschen. Er selbst zählt sich zu den Mitgliedern, die eine kritische Öffentlichkeit repräsentieren. Zu den Gerüchten um die Hintergründe sagt Albert Scharenberg: „Sollten tatsächlich politische Gründe den Ausschlag gegeben haben, die Berufungsliste nicht an Wissenschaftssenator Zöllner weiterzureichen, wäre das ein Skandal, denn derartige Erwägungen haben mit Fachfragen nichts zu tun und sind illegitim.“ Die Leitung der FU reagierte nicht auf die Bitte von jetzt.de um eine Stellungnahme. Momentan ist unklar, wie es weitergeht – das Berufungsverfahren ist gestoppt, Kollegen von Albert Scharenberg haben einen Offenen Brief verfasst, den sie in den nächsten Wochen an FU-Präsident Lenzen schicken wollen und das JFK-Institut wartet weiterhin auf einen Professor. Noch ist unklar, ob das Eingreifen von Lenzen rechtmäßig ist. An anderen Universitäten, zum Beispiel in Freiburg, wird die Empfehlungsliste der Berufungskommission an den Senat der Uni weitergeleitet. Der Rektor hat hier wie auch beispielsweise an der Ludwig-Maximilians-Universität in München das letzte Wort. Natürlich muss er nicht der Empfehlung der Kommission folgen, aber es scheint eher ungewöhnlich, wenn Uni-Rektoren oder –Präsidenten sich für den Zweitplatzierten entscheiden oder die Liste gar nicht annehmen. Im Fall von Scharenberg wirkt die Begründung des Präsidiums schon deswegen seltsam, weil es andere Juniorprofessoren an der FU gibt, die im gleichen Alter wie Scharenberg sind. Und die Frage nach der Qualifikation sollte eigentlich die Empfehlungsliste der Kommission beantworten. Dass dieses Berufungsverfahren aber nun seit einem Dreivierteljahr stagniert und seit der Ausschreibung der Juniorprofessur 16 Monate vergangen sind, ist genauso ein Skandal wie der Verdacht, Posten würden nach politischer Opportunität besetzt. Die Gründe für das Verhalten des Unipräsidiums sind austauschbar – in diesem Fall mag es die politische Stiftung sein, die dem Präsidenten nicht passt, in anderen Fällen gibt es andere Gründe. Aber mit der versprochenen Exzellenz hat eine solche Mixtur aus Bürokratie und Machtgebaren nichts zu tun.

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