Sich bewerben und Spaß haben: Eindrücke von einem Recruiting-Event
Sich bewerben und Spaß haben: Eindrücke von einem Recruiting-Event
Sogenannte Recruiting-Events werden immer populärer: Unternehmen stellen sich auf eigenen Messen den Studenten vor. Am Messestand soll es dann zu zwanglosen Bewerbungsgesprächen kommen. Mitunter laufen solche Veranstaltungen aber auch ganz anders ab: Die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt lädt seit 2002 zum "Summer Challenge", einer Sport- und Spaßveranstaltung, bei der Unternehmen ganz nebenbei mit Studenten in Kontakt kommen sollen. Unser Autor war bei der fünften Auflage der Kennenlern-Börse dabei
friedemann-karig
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Eine Minute dauert der erste und einzige Moment, in dem der Gastgeber sich nach vorne schiebt – und stört. Ein „Recruiter“ der
Wirtschaftsprüfung KPMG schnappt sich das Mikro direkt vor dem
Beach-Soccer Finale. Er steht mitten auf dem Court im Sand und hält
eine kurze Ansprache, die vom Publikum tapfer ertragen wird. Dann geht es weiter bei diesem „Recruiting-Event“. Aber nicht mit
Bewerbungsgesprächen sondern mit „Funsport“.
Dabei ist die sogenannte „Summer Challenge“, dieses Jahr Anfang Juni zum fünften Mal von der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt veranstaltet, eigentlich eine richtig ernsthafte Veranstaltung: „Recruiting einmal sportlich“ lautet das Motto. Ausgewählte Studenten der, laut Homepage, „renommiertesten deutschsprachigen Wirtschaftsfakultäten” treffen auf namhafte Unternehmen. Mit sportlichen Wettkämpfen und einem zielgruppengerechten Party-Rahmenprogramm versuchen Unternehmen wie Audi, Tchibo oder eben KPMG ihren Führungskräfte-Nachwuchs zu einer Zeit zu erreichen, zu der er die vermeintlich beste Laune hat: Am Wochenende.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Illustration: Julia Schubert
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Illustration: Julia Schubert
Jedes Jahr werden, behaupten die Veranstalter, in diesem Rahmen
zahlreiche Praktika und Unternehmenseinstiege vermittelt.
25 Euro kostet die Teilnahme an der Veranstaltung. Hat man sich im
Vorfeld etwa als Abordnung einer Universität, als „Team plus Fans“,
angemeldet und den Weg nach Ingolstadt gefunden, bekommt man als Erstes einen Beutel voller Proben und Broschüren der Unternehmen. Natürlich ist das alles ein bisschen hochwertiger und reicher bestückt als die durchschnittliche, vor der Mensa abgestaubte Wundertüte zum Semesteranfang. Im Beutel befindet sich auch das rote Armband, welches man Festival-like ums Handgelenk klebt und das einem immer wieder Zugang zu unerschöpflichen Ressourcen an Getränken und Essen bietet.
Denn an diesem Wochenende ist „alles“ umsonst. Und wenn die
Veranstalter „alles“ sagen, dann meinen sie es auch so: Die Grillade am ersten und das Büffet am zweiten Abend, alle Snacks und Getränke zwischendurch und natürlich die all-you-can-drink Cocktailparty zum Abschluss. Darüber hinaus gibt es einen Shuttle-Service zwischen den Veranstaltungsstätten (in einem Nobelauto aus Ingolstadt - video-unterstützte Einparkhilfe inbegriffen), die erwähnten Sportwettkämpfe und die Prise Ferienlager-Stimmung.
Eine Rundumversorgung also, eine Mixtur, die die Studenten anzusprechen scheint: Um die 300 „Elite“-Studenten fanden dieses Jahr ihren Weg nach Ingolstadt – mehr als im vergangenen Jahr. Das Publikum ist dementsprechend korrekt gekleidet. Markenhemd steckt in Markenjeans, manche Mädchen tragen tatsächlich Kostüme und allgemein sorgen sich viele um eine allzeit akkurate Erscheinung – auch wenn nicht in Hotelzimmern sondern in einer Turnhalle genächtigt wird.
Stellt sich die Frage nach dem Sinn der Veranstaltung. Verkaufen hier künftige Arbeitskräfte ihre Seele?
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Illustration: Julia Schubert
Carl-Phillip zum Beispiel, 22, hat sich in einem so genannten
„Einzelgespräch“ über eines der Unternehmen informiert (zu solchen
Gesprächen musste man sich im Übrigen mit einem kurzen Lebenslauf bewerben). „Ganz nett und informativ“ fand Carl-Phillip diese 20 Minuten Abtasten. Aber „Konkretes“ sprang nicht heraus. Den meisten geht es ähnlich. Nur in absoluten Ausnahmefällen geht hier jemand mit einem Praktikumsplatz oder gar einer Festanstellung aus dem Gespräch. Das berichten auch Studenten der Uni Ingolstadt, die der Berufs-Sport-Unterhaltungsveranstaltung schon öfter beiwohnten. In erster Linie wird hier „genetzwerkelt“, nicht mehr und nicht weniger.
Als nachts die Siegerehrung der Sportwettbewerbe wie eine
MTV-Award-Show zelebriert wird, ist längst der DJ der wichtigste
Recruiter geworden, die Angestellten der Sponsoren halten ein Glas in der Hand und das KPMG-Logo leuchtet scheinbar nur noch schwach von der Zeltdecke.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Illustration: Julia Schubert
„Wir haben viel eingekauft, und wir wollen, dass ihr alles leer
trinkt!“ fordert der Moderator die versammelten Partygäste auf.
Spätestens da sind sich alle einig, worum es hier eigentlich geht.
Alle Bilder sind anlässlich des WFI Summer Challenge 2005
entstanden. Quelle: www.summerchallenge.de