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So wird dein Berufsleben: Das A bis Z des Büros

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A wie Azubi Auszubildende (kurz: Azubinen und Azubisten) verursachen dem Stammpersonal kleine Glücksblitze: Im Gespräch mit Auszubildenden kann man sich selbst vergewissern, dass man doch ein bisschen was weiß (schließlich ist keine Arbeit ehrenwerter als jene, die junge Menschen aufklärt; hierzu noch ein Link: Azubis versus Ausbilder). Während von der Wissensdifferenz zwischen altem und jungem Pferd im Stall vor allen Dingen das junge Pferd profitiert, weist der clevere Azubi dem steifen "Bürohengst" zumindest in Sachen Feierlaune den Weg. Festivitäten werden nicht selten in die Hände der Jungschar gegeben, die für das Fest den Sprit kauft und ihn dann auch austrinkt. Gegen 23 Uhr: Heiteres Hüftruckeln auch bei den Bürogenossen, die den 30. Geburtstag schon hinter sich haben. Die Azubinen können das Lachen nicht halten und werden fest in den Arm genommen. *** B wie Backen Im Büro wird der Mensch zum funktionalen Teil der Innnenarchitektur und das Privatleben zu einem bloßen Fundus, der nur hin und wieder als Schatztruhe für Anekdoten oder Zoten gebraucht wird. Hat jemand in der Abteilung Geburtstag oder den Gips vom Handgelenk bekommen, gibt es manchmal Kuchen und dann großes Geraunze. Leitsatz: „Wie - hast du den selbst gebacken?“ Ein Mitbringsel von Zuhause, gar noch ein Kuchen, der in der Privatheit des Lebens gebacken wurde und nicht während der Arbeitszeit, das kommt einer Entleibung gleich (von der grundsätzlichen Ressourcenverschwendung von Mehl, Eiern und Zeit nicht zu reden). Der Respekt der Kollegen ist also erheblich und so bekommt selbst die trockenste Brut des Ofens von den vom Backpulver ganz seligen Kollegen ein Lob nachgeworfen. Äquivalent zum mitgebrachten Kuchen ist das auf die Arbeit mitgebrachte Kleinkind: Wieder ist den Kollegen ein schonungsloser Blick ins Private möglich und die Unsicherheit der Mitarbeiter durchsummt den Raum, weil niemand weiß: 'Ist das Baby vom Chef jetzt auch – Chef?' *** C wie Chef

Gern wird der Name des Vorgesetzten mit diesen vier Buchstaben ersetzt. Das Wort kann – ähnlich zum englischen „Fuck“ – in bewundernder und abschätzender Weise verwendet werden. Zudem hilft es bei der Autosuggestion: ‚Ich habe einen Chef, ich muss nicht selbst entscheiden!’ Viele folgen mit der Verwendung des Wortes aber auch einem anderen Wunsch: Sie artikulieren mit Genuss ihr tief im Körper empfundenes Verlangen nach Dominanz ... aber das ist eigentlich eine andere Geschichte. *** D wie Du Büros, in denen du geduzt wirst sind nicht zwingend die besseren Arbeitsplätze. Wenn der Chef dich duzt oder dir das Du nach einer gewissen Eingewöhnungsphase anbietet, dann heißt das im Grunde nur: ‚Okay, mein Lieber, jetzt bist du persönlich haftbar für das, was du tust.’ War das „Sie“ noch eine Maskerade, die kaputt gehen durfte, bringt das „Du“ endgültig den ganzen Menschen in die Arbeit. Na herzlichen Glückwunsch, Du. *** E wie Einladung Selbst engbusige Freundinnen und Freunde werden nicht an die Stundenzahl herankommen, die du mit den „Leuten im Büro“ verbringst. Umso rigider wirst du Kollegen aus deinem Privatleben halten. Nur ausgewählten Arbeitsmenschen wirst du den Zugangscode zum Privatissimum deines Lebens in Form einer Einladung geben. Denn, Gefahr: Arbeitsmenschen, die bei dir Zuhause sind, wissen fortan Alles von dir. Und so werden sie gefährlicher als deine Mutter und die Mafia zusammen. *** F wie Fahrstuhl

Wenn du dich je für einen Smalltalker, für einen Liebhaber der Gesellschaft Anderer gehalten hast - der Fahrstuhl macht dir klar, dass es die Vorhölle tatsächlich gibt. Bisweilen kann kein Wort die stille Genossenschaft eines halbfremden Bürokollegen auf diesem engen Raum erträglich machen und als einzige Lösung bleibt das stiere Fixieren der Stockwerkszahl. Mit der beschriebenen Situation bekommt das Wort "Elend" endlich seine würdige Entsprechung. Nur Moderatoren von Late Night-Shows sind der kurzen Transitphase im Aufzug gewachsen, weil sie wissen: Zwei Sätze, dann eine Pointe, dann raus aus der Maus. Das ist dir zu umständlich? Treppe.


G wie Gutschein Kollegen, die es nicht geschafft haben, sich ihren Geburtstag frei zu nehmen, wollen was bekommen. In fast jedem Büro gibt es dazu eine Art Betriebs-Amme, die Geschenken auf die Welt hilft. Sie (nur selten handelt es sich dabei um einen ER) kennt die entsprechenden neuralgischen Geburtstage und auch den Vorlauf, den es braucht, ein gutes Geschenk zu organisieren. Am Ende kommt aber immer das Gleiche dabei raus: ein Gutschein für die Sauna oder die Therme oder das Fußballspiel oder ein Essen oder ein Konzert. Im Grunde müssen die guten alten Tage gelobt werden, an denen noch Fresskörbe verschenkt wurden, in denen Gänseleberpastete und Dosenfisch steckten. Darüber ließ es sich noch ernsthaft freuen. Um bei Gutscheinen Freude simulieren zu können, braucht es dagegen ein gerüttelt Maß an Einbildungskraft, das du dir aber als werdender Büromensch leicht antrainieren kannst. *** H wie Hydrokultur

Ist eine Pflanze, in der sich ein Überlebenskünstler versteckt hat. Nur wenige Hände krümmen sich in deinem Büro um die Versorgung dieser schmückenden Accessoires. Deshalb bleibt den meisten Pflanzen das Schicksal einer ordentlichen Fliege nicht erspart: Sie verrecken. *** I wie Identifikation Die Verbundenheit mit deinem neuen Laden sinkt im Jahresquer- und durchschnitt vom ersten Tag an. Ein Effekt, der leider nicht zu verhindern ist, Liebe hält ja auch nicht immer. Daran können auch 100 Kuchen nichts ändern. *** J wie Jammern Du wirst sehen, dass eine Bürogemeinschaft im Grunde eine Nörgelfiliale ist, in der sich die Insassen ein Schlimmding nach dem anderen erzählen. Das Leid der anderen ist die Nahrung, aus der sich das Miteinander speist und deshalb wird in allen freien Minuten die Welt verurteilt und beurteilt und schon bald erkennst du, dass eigentlich nur ihr im Recht seid. Aber keiner horcht zu. Obwohl ihr mit dem Gemaunze über die Kantine nun aber mal echt recht habt. *** K wie Kaffee/Küche Der Mörtel jeder Bürogemeinschaft ist Kaffee. Es ist auch gut, wenn ihn alle trinken, weil dann die Maulfäule nicht mehr auffällt, die aus den Mündern drängt wie fauliger Käse aus dem Kühlschrank. Einziges Problem ist, dass er in der Küche zubereitet wird und die ist das Niemandsland im Niemandsland. Im Normalfall verharrt eine Büroküche stets im Status eines geplünderten Hauses: Die wichtigen Sachen („Gabeln, wo sind die ganzen Gabeln?“) verschwinden so sicher wie die Sonne hinterm Horizont. Und über die Nutzung der Spülmaschine herrscht fortdauernde Uneinigkeit – die Betriebs-Amme kümmert sich notgedrungen und macht die Küche zu ihrem Privatterrain. Das schließt kämpferische und mahnende Emails an das Team mit ein, in denen appelliert wird, Tassen auch wieder in die Maschine zu stellen. Viele der angesprochenen zucken dabei die Schultern: „Ich trink nur Tee.“ *** L wie Liebe

Die entsprechenden Statistiken sind auf web.de nachzulesen: Ein Großteil aller Beziehungen kommt im Büro zustande und zwar seltsamerweise durch Gewöhnung. Denn im Büro schlägt der Blitz meist nicht gleich aus dem Nichts ein, da nähert sich eher so langsam die Gewitterfront, in der der Blitz schön verpackt ist. Will meinen: Man kann irgendwann alles lieben, auch Kollegen. Mit der Zeit wird der Blick auf die andere Seite nämlich milder und einst unbeachtete Blüten des anderen Geschlechts finden schließlich doch deine Aufmerksamkeit.


M wie Montag „Boah, ich hätt’ noch einen Tag dranhängen können.“ „Und … schon wieder Montag.“ „Montag ist IMMER gutes Wetter.“ „Was hast du am Wochenende gemacht?“ „Och.“ *** N wie Neid Ist für deine Bürogemeinschaft das, was für Pflanzen der Stickstoff ist: lebensnotwendig. *** O wie Organisationsstruktur Die ist eigentlich immer falsch. Siehe: Jammern. *** P wie Prost Ist das Wort, das beim „Feierabendbier“ zur Anwendung kommt, das nun unter „P“ besprochen werden muss, weil „F“ schon vom Fahrstuhl besetzt ist. Beim Feierabendbier verschmiert der Tag mit der Nacht und das Leben mit dem Beruf. In diesen beiden Stunden (um halb neun schreit der Erste: „Ich muss jetzt aber auch heim“) entscheidet sich Wegweisendes, Andenpakte werden geschmiedet und der Grundstein für Luftschlösser gelegt. Auch wer kein Bier mag: Das „Feierabendbier“ ist für eine etwaige "Karriere" wichtiger als die Weihnachtsfeier. Auch wenn die immer länger dauert. *** Q wie Quarzen Es gab Zeiten, in denen die Fluppe zum Kaffee gehörte wie die Milch zur Schnitte, aber die sind rum. Wer heute noch auf der Arbeit raucht, gilt nicht mehr als Rebell sondern als schwach und verderblich. Das Image des Rauchers hat eine Art Meltdown erlitten und immer häufiger bekommen die wenigen grauen Exemplare vor dem Büroeingang Cent-Stücke zugesteckt. *** R wie Re: Dein gesprochenes Wort verliert im Büro seine Bedeutung, weil wahr nur sein kann, was vorher in E-Mails getippt worden ist. Die Mail dient im Grunde der Vergewisserung, tatsächlich einer Arbeit nachzugehen. Sie hat auch die Stechuhr ersetzt. Lobheischende Mitarbeiter werden sehr früh und sehr spät ihre E-Post verschicken und besonders Eifrige entwickeln eine kleine Meisterschaft in der Verwaltung mehrerer Mailverteiler - es soll sogar Büromenschen geben, die seit etwa einem Jahr keine Mail mehr geschrieben haben, die ausschließlich EINER Person gegolten hat. Du darfst alle diese Mails ignorieren. Nur lesen solltest du sie.
S wie Schnitzel Neben dem Gebrabbel über „Neid“ ist das Stichwort „Kantine“ das, was deine Bürogemeinschaft von Tag zu Tag zusammenflickt. Einträchtig werden die Köche gehasst als seien sie bei der TSG Hoffenheim angestellt. Und einträchtig weiß man in Regelmäßigkeit nur ein Gericht zu loben, das der Küche wie nichts von der Hand geht: Schnitzel. Das kann man essen. Immer. Überall. Das Schnitzel ist das Pommes Frites der Erwachsenen. *** T wie Toilette

„Das ist kein Bahnhofsklo“ ist ein zentraler Spruch, den du im Büro lernen wirst, weil die Betriebs-Amme oder Sakrotan-Fans einen pfleglichen Umgang mit dem Abort verlangen. Das klappt auch immer ganz gut, zumindest in der Zeit zwischen abends 19 Uhr (Putzfrau war da) und morgens 8 Uhr (der Erste ist da und macht seinen Morgenschiss). Danach verroht die Umgebung um die Schüssel und der eingangs erwähnte Spruch erwirbt seine Dringlichkeit. Kluge Menschen wie du gehen zuhause oder aufs Rollstuhlfahrerklo. *** U wie Urlaub

Du? Schon wieder? *** V wie Verheiratet mit Willst du mal ein guter Chef werden, musst du im Grunde mit deinem Büro verheiratet sein. Deine Mitarbeiter erwarten, dass du vor ihnen und nach ihnen da und ansprechbar ist. Bei wem können sie sich sonst krankmelden? Aber Vorsicht, einem fleißigen Chef geht es wie einer Kindsmutter, die ganz vorzüglich kocht: Das Dankeschön dafür gibt es erst am Grab. *** W wie Weihnachtsfeier

Muss man überleben. Hier das Rezept. *** X wie Xanten Weil du dich im Büro irgendwann auch mal von den Zimmerpflanzen unterscheiden willst, nutzt du den dir eigenen Lokalkolorit, um dich unverwechselbar zu machen. „Bei uns daheim in Xanten“ fangen dann die Sätze an, die du mit Bonmots und tonalen Anleihen aus der Sprache deiner Jugend ausschmückst. Keinen interessiert dein sterbensfader Kindheitssumms, aber jeder versteht das Schicksal, das alle Bürogefährten miteinander teilen: Das letzte Mal, als sie wirklich etwas Erzählenswertes erlebten, war am Tag bevor sie das Büro zum ersten Mal betraten. Der Rest des Lebens ist: Phrasendrusch, Anekdotenhuberei und Schnitzellob. *** Y wie Yale Neue Mitarbeiter sind fein und müssen sich ins Team integrieren. Klugerweise werden sie von deiner Besatzung erstmal argwöhnisch betrachtet und zügig in die Bürorituale unterwiesen, in denen sie sich am besten verstricken, damit der Chef irgendwann erkennt, dass der Neue auch nicht besser ist. Denn wer großkotzig daher kommt und mit Studienorten und vermeintlich tollen Arbeitgebern prahlt, wird eilig auf sein normales Maß gestutzt, also ignoriert oder ein bisschen geschnitten. Schön. Und in der Küche heißt es dann: „Jetzt kann er schauen, was ihm sein Sommerkurs in Yale noch bringt.“ (siehe auch: Neid) *** Z wie Zentraleinkauf „Unsere Hydrokultur ist kaputt.“ „Dann bestell’ halt eine Neue.“ „?“ „Zentraleinkauf.“

Text: peter-wagner - Illustrationen: Christian Fuchsberger

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