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Soroush ist "Niemand": Besuch bei Irans bekanntestem Rapper

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„Die treten mir in den Arsch. Und zwar wortwörtlich. Wenn ich wieder rappe, komme ich ins Gefängnis”, sagt Soroush Lashkari alias Hich-Kas. Das bedeutet „niemand“ auf Farsi, der Landesprache. Soroush ist der Pionier einer kleinen, aber ständig wachsenden Hiphop-Gemeinde im Iran. Einem Land, dessen Präsident per Dekret die Ausstrahlung westlicher Popmusik verbot – zu „dekadent” und „unmoralisch”. Soroush rappt in Parks, auf der Straße oder bei Freunden. Öffentliche Auftritte sind ihm verboten. Die einzige Möglichkeit, seine Songs zu verbreiten, ist, sie im Internet hoch zu laden. Der 23-Jährige ist der bekannteste Rapper Irans und sitzt in einem Privathaus eines befreundeten Musikers im Norden von Teheran. Seit etwa sieben Jahren macht Soroush Musik. Über Satellitenfernsehen kam er mit Hiphop in Kontakt. Zuerst rappte er noch auf Englisch, doch mittlerweile schreibt er seine Texte nur noch in der Landessprache. Anfangs war er damit alleine. Es hatte einfach niemand Ahnung, wie man auf Farsi, der wichtigstens Sprache des Irans, rappen soll. „Dann kam es zu einer Art Kettenreaktion”, sagt er. „Die Leute fingen an, es sich gegenseitig beizubringen.” Die iranische Hiphop-Szene ist verglichen mit westlichen Ländern immer noch winzig. Ungefähr 20 „professionelle” Rapper reimen in einem Land mit 72 Millionen Einwohnern. Eigentlich wäre der Markt groß genug – zwei Drittel der Bevölkerung sind unter 30 Jahren alt. Doch nahezu die gesamte Jugendkultur findet versteckt und im Internet statt. "Technorati" zählte Farsi im vergangenen Jahr zu den zehn am meisten verbreiteten Sprachen von Blogs. „Für ein Konzert benötigst Du die Erlaubnis der Behörden. Nur bei kleineren Auftritten kommen keine Wächter vorbei. Oder sie kommen und sagen nichts. Ich weiß nur, dass sie irgendwo eine Akte über mich haben“, sagt Babak Riahipour, ein Bassgitarrist und Freund von Soroush. Er spielt in einer Rockband. Die einzige Möglichkeit aufzutreten ist, sagt Riahipour, irgendwo in Parks oder auf der Straße anzufangen zu rappen und darauf zu hoffen, dass Leute ihm zuhören. Vergangenen April wurde Soroush verhaftet, weil er „das Volk korrumpiert“ habe. Sogar von Todesstrafe war die Rede.

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Dabei geht es in Soroushs Texten nicht um Sex. Vielmehr dreht es sich um die typischen Hiphop-Themen – wer cooler ist, wie hart das Leben auf der Straße ist und um die Unterschiede zwischen Arm und Reich. In dem Song „Das Gesetz” kritisiert er auch die politischen Verhältnisse: „Es ist hart auf der Straße / Öffne Deine Augen und lass mich Dir das Gesetz erklären / Wir leben in einem Polizeistaat, in dem auf der Verfassung herumgetrampelt wird”. Kurz nach der islamischen Revolution 1979 verbot Ajatollah Kohmeini jede Form von Musik mit nichtreligiösen Botschaften. Musik aus dem Westen verderbe die Menschen und sei Teil der Invasion des Westens. Mit der Zeit wurde das strikte Verbot jedoch gelockert und klassische persische Musik wurde erlaubt. Bizarrerweise ist die Musik von Gruppen wie Rammstein, Metallica, Megadeth und Black Sabbath im Iran nicht verboten. Ihre Texte werden sogar mit der ausdrücklichen Erlaubnis der Regierung veröffentlicht und gedruckt. Soroush sagt, auch das habe ideologische Gründe. In den Lyrics dieser Künstler werde der Westen und seine Werte kritisiert. Es mutet absurd an, dass die Texte der Atheisten von "Slayer" oder des Ex-Alkoholikers und -Satanisten Ozzy Osbourne tatsächlich auf Persisch zu hören sind. Das Kargadan Studio ist einer der bekanntesten Plätze für Underground-Musiker im Iran, in dem auch Soroush seine Songs aufnimmt. Geschlossen wird es nicht, weil die Betreiber zwar eine Erlaubnis beantragt, aber noch keine erhalten haben. Genau hierin liegt der Trick. „Wenn wir die Erlaubnis bekommen, können wir hier nichts mehr aufnehmen“, sagt der Betreiber. Eine Erlaubnis bedeutet eine Registrierung. Und in einem registrierten Tonstudio dürfen keine illegalen Platten aufgenommen werden. So überlebt das Kargadan Studio in einem eigenartigen Zwischenstadium. Allerdings kommt es immer wieder zu Razzien, bei denen die Polizei nach illegalen Tonträgern sucht. Aus diesem Grund speichern die Musiker nichts auf Festplatte, sondern verwenden ausschließlich CDs. Die sind leichter zu verstecken. Auf Furcht vor Hausdurchsuchungen vernichten die Betreiber regelmäßig alle illegalen Platten. Die strengen Regeln beschränken das alltägliche Leben, trotzdem aber gibt immer kleine Hintertüren. Von der Musik zu leben, aber ist unmöglich. Deswegen träumen viele der Musiker von einer Karriere im Ausland.

Hichkas' Blog und sein Auftritt auf Myspace.

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