Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Still geblieben! US-Militär verbietet Soldaten das Bloggen

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Der Abend dämmerte schon, als der Regen kam. Er fiel wie ein Vorhang so dicht, und die ersten Minuten war die Luft erfüllt mit einer seltsamen Alchemie der Elemente – es war, als verteidigten die „Elemente Wasser, Erde und Luft alle ihre angestammte Domäne“. Es war wie ein Jahr zuvor, als Danjel Bout im Irak angekommen war, um in den Krieg zu ziehen. Er schreibt: „Der Schlamm ist derselbe, die hohen Wände tasten noch immer nach dem Himmel, sogar der Wind schmeckt genauso wie als wir ankamen. Ich aber bin weder Erde noch Stein noch Luft. Ich bin eine Kreatur aus Fleisch und Blut… Und ich habe mich verändert. Ich verlasse diese Basis als ein anderer Mann als der, der an diesen kühlen Toren vor so vielen Monaten ankam. Ich habe vom giftigen Kelch des Verlustes gekostet. Ich habe kaltes Blut in meinen Venen gespürt und heiße Tränen auf meinem Gesicht. (…) Ich bin gealtert und verwittert unter dem harten Glanz der Sonne. Ich bin verändert, innen und außen.“ So schreibt Danjel Bout. Er ist Kriegsberichterstatter. Ein ungewohnter Kriegsberichterstatter. Denn Danjel Bout ist auch ein Krieger, wie er sagt – er ist ein amerikanischer Soldat. Bis zum Januar 2006 war er eingesetzt im Irak, und dort hat er, wie viele seiner Kameraden, gebloggt. In seinem Blog 365 and a Wakeup schrieb Bout, ein Infanterieoffizier, über eine Tasse Kaffee vor dem Einsatz, den Regen über dem Irak, die Farbe von Schlamm und das ganze Leben in einer FOB, einer Forward Operation Base – kurz gesagt: über den ganzen Emo-Kram wie viele Blogger in der weiten Welt des Internets. In seinem Fall war es Krieger-Emo-Kram. Mal schwülstig, mal zornig. Mal gut, mal schlecht. Mal langweilig, mal spannend. Wie in jedem Blog. Es hat sich auch niemand groß darum gekümmert, wie bei jedem anderen Blog auch. Dann kehrte Danjel Bout zurück nach Amerika, sein Blog endete dort, für ihn schrieben andere G.I.s, die gerade im Irak stationiert waren, in anderen Blogs weiter. Hunderte dieser „Milblogs“ führt die Dachseite milblogging.com auf, die meisten von US-Soldaten, viele aus dem Irak oder Afghanistan.

Ein G.I. im Irak Foto: ap Von manchen Veteranen des Irak-Kriegs wird die Meinung vertreten, diese Blogs seien die effektivste Form der Öffentlichkeitsarbeit, die sich die amerikanische Armee wünschen könne – „sie sind die ehrlichste Stimme aus dem Kampfgebiet“, erklärte der ehemalige G.I. Matthew Burden, der Autor des Sammelbandes „The Blog of War“, in dem Texte von Soldaten-Bloggern gebündelt sind, in einem Interview mit dem Magazin Wired. “Und jetzt werden sie zum Schweigen gebracht.” Die amerikanische Armee hat nämlich eine neue Dienstanweisung erlassen, nach der Soldaten jeden Blog-Eintrag oder auch jedes E-Mail zuerst von einem Vorgesetzten kontrollieren lassen müssen. Im Neusprech der Armee heißt das Konzept dahinter OPSEC, „Operation Security“, und die Direktive „Army Regulation 530--1“ sieht vor, dass nicht nur Blog-Einträge, sondern auch Einträge in Internet Foren oder ähnliche Äußerungen im Netz vorab der Kontrolle unterliegen. Wer der Regel nicht Folge leistet, kann vor ein Kriegsgericht gestellt werden. Das Magazin „Wired“ hat diese bereits vor einer Weile ausgegebene, aber als vertraulich eingestufte Direktive jetzt veröffentlicht - und eine Diskussion angestoßen, die das Militär so wohl nicht erwartet hatte: In der amerikanischen Bloggosphäre regt sich Ärger – doch selbst stramm patriotische G.I.s, die in ihren Blogs für gewöhnlich keinen Strich von der Linie der US-Regierung abweichen, kritisieren die neuen Regeln deutlich. „Ich blute in Tarnfarben, ich lebe für die Army“, schreibt ein Blogger namens Patriot. „Aber ich werde nicht meine Rechtschaffenheit oder meine Bürgerrechte für sie aufs Spiel setzen.“ Schließlich seien das genau die Rechte, für deren Schutz er als Soldat kämpfe. Besonderen Argwohn erregt unter den Soldaten der Umstand, dass technisch betrachtet auch E-Mails ihrer Familien oder Freunden unter die neuen Regeln der OPSEC fallen könnten – und dass Kommandeure, statt jedes Mail oder jeden Blog einzeln zu kontrollieren, einfach Blogs und E-Mails komplett verbieten. Etliche G.I.s fürchten nun das Ende ihrer Blogs. Der Verfasser der neuen Richtlinie, Major Ray Ceralde, unterstrich in einem Interview mit "Wired" dagegen die Bedeutung von “OPSEC” – und zwar immer und überall: „Wir stehen als Nation alle zusammen in diesem Kampf. Alle Amerikaner sind angehalten, OPSEC zu praktizieren.“

  • teilen
  • schließen