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Those were the friends ... die Typologie der Freundschaften

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Die Clique

Man ist viele. Das fängt irgendwann in der Raucherecke an, wo die Typen aus den anderen Klassen auch rumstehen und wo sich schließlich ein Grüppchen bildet, in dem geraucht, gelästert und geliebt wird. Clique! Und du bist dabei, nur weil du zur richtigen Zeit am richtigen Ort warst und deine Freunde eben nicht rauchen. So eine Clique ist ziemlich optimal, man entert zusammen Kneipen und Clubs, Badestrände und Biergartentische. Wenn man selber ein bisschen schüchtern ist, kann man mit der Clique wie in einer römische Heerformation in die Außenwelt einfallen und ist ganz gut geschützt. Außerdem bringt die Clique immer ihre eigene Unterhaltung mit, alle reden durcheinander, alle machen Witze, dauernd passiert irgendwas und jeder hat noch eine Idee, wo man hingehen könnte. Toll, auf einen Schlag neun Freunde! Dass an dieser Rechnung etwas nicht stimmt, merkst du, wenn beim Discoabend plötzlich alle auf die Tanzfläche stürmen – nur du nicht und die Nummer neun. Dir fällt auf, dass du von der nur weißt dass sie Wolli heißt und immer ziemlich schnell betrunken ist. Ihr bemüht euch um ein Gespräch, dass sich noch viel hölzerner anfühlt als es ist, weil ihr beide doch eigentlich seit einem halben Jahr dauernd gemeinsam unterwegs wart – nur eben an anderen Ende der Clique. Ist ja auch egal, es fällt dir nur auf, das Wolli ein ziemlicher Depp ist, mit dem du eigentlich so wenig wie möglich gemein haben möchtest. Und dass er eigentlich der Grund dafür ist, dass ihr dauernd in diesen blöden Cocktail-Beach-Club geht, anstatt mal nur ein Bier zu trinken. Und dass die anderen Wolli trotzdem ziemlich super finden. Und darüber denkst du immer länger nach. Zukunftsprognose:Cliquen sind nicht für die Ewigkeit. Sobald der Sommer, der Zivildienst oder die Schule vorbei sind und die Abstände zwischen den Beteiligten größer werden, merkt man, dass man höchstens bei zwei Leuten die Energie aufbringt, wieder mal anzurufen. Von ihnen lässt man sich dann noch eine Zeitlang über die anderen erzählen.


Der Fachfreund

Ihr habt überhaupt nichts gemein. Nur dass ihr eben beide gerne einmal pro Woche zum Hockey-Spielen geht. Oder am Wochenende Modellflugzeuge starten lasst. Oder jeden Freitagabend beim Karaoke aufdreht. Bei diesen Anlässen versteht ihr euch immer prima. Freundschaft vollzieht sich hier vielleicht in ihrer unbeschwertesten Art: Man betreibt gemeinsam Sachen die einem Spaß machen, redet stundenlang über Dinge, die beide interessieren, trifft sich regelmäßig, aber ohne es vorher vereinbaren zu müssen und geht auseinander, ohne größeres Aufhebens. Stammtische funktionieren genau so, Trinken ersetzt dann das Hobby. Trotzdem würde der Stadionkumpel oder Angelkollege nicht im eigentlichen Freunde-Portfoilio auftauchen, jedenfalls nicht an den oberen Stellen. Man nimmt sich gar nicht als Freunde wahr, sondern empfindet eher so etwas wie eine Optimierung des Hobbys, wenn der oder die anderen auch dabei sind. Das kann so weit gehen, dass einem der Stadionbesuch ohne den anderen gar nicht mehr richtig Spaß macht. Dem Umkehrschluss gilt allerdings auch: ohne das Fach macht auch der Fachfreund keinen Spaß. Das ahnt man schon bei der Vereinsweihnachtsfeier, wenn der andere in seinen erstaunlichen Feier-Klamotten ankommt und nicht im Trainingsanzug und wenn er nach dem elften Weißbier nicht mehr nur vom getunten Audi, sondern auch noch von seiner ätzenden, geschiedenen Frau erzählt. Was hatte man mit dem noch mal gemein? Ach ja, auf dem Platz! Noch fremder wird der Fachfreund, wenn er neben deinen anderen Freunden steht, etwa bei der großen Geburtstagsparty (Wo du ihn doch noch eingeladen hast, damit es voller wird). Er fühlt sich unwohl und hängt an deinen Fersen, vehement auf „eure Themen“ pochend: „Zeig mir doch mal dein neues Modell, wir können es ja schnell auf der Straße ausprobieren!“ oder „Schau, ich habe meine neuen Bergschuhe an!“. Das ist alles irgendwie unangenehm, aber zum Glück wird er auch als erster wieder gehen: „Seh’n uns ja Donnerstag!“ Zukunftsprognose: Solange die Reviere getrennt sind und keiner mehr will, ist alles wunderbar. Irgendwann aber wird das Knie kaputt oder das letzte Modellflugzeug gebaut sein und man sieht sich nicht mehr – es sein denn man gründet doch noch einen Stammtisch.


Der Instant-Freund

Wäre alles so einfach wie mit dem Instant-Freund: es wäre gut. Ihr seid zusammen zur Schule gegangen. Ihr hatten kaum gemeinsame Kurse, aber ihr mochten euch. Dann und wann seid ihr zusammen auf Konzerte gefahren oder zum Handball oder Reiten. Du hast seine Eltern auf der Straße gegrüßt, er deine. Ihr wart mehr Mitschüler als Freunde. Heute - ein paar Semster später – seit ihr Freunde. Instant-Freunde. Diese Bezeichnung trifft folgende Art von Beziehung am besten: Ihr seht euch kaum häufiger als einmal im Jahr. Doch wenn ihr euch seht, ist es immer sofort super. Ihr braucht keine Debatten, warum der eine sich nicht gemeldet oder der anderen nicht zurückgerufen hat. Ihr mailt einander, wenn der eine in Hamburg oder der in München ist. Dann treffen ihr euch, geht was trinken, auf Partys, manchmal tanzen. Immer geht das gut - selbst wenn sich Freundeskreise vermischen: der Instant-Freund ist kompatibel. Es ist ein einfacher, aber wunderbarer Vertrag, der zwischen Instant-Freunden geschlossen wird: Ihr gebt einander das, was an guten Tagen eine Freundschaft ausmacht: ihr redet miteinander, lacht, geht aus. An den schlechten, den anstrengenden Tagen jedoch seid ihr so weit voneinander entfernt, dass ihr euch niemals ansprechen würdet. Das ist vielleicht oberflächlich, aber Instant-Freunde genießen genau das. Zukunftsprognose: Beständig sonnig. Einer Instant-Freundschaft können selbst die Kumpel-Killer Nummer eins und zwei (Dauerhaftes Nicht-Melden und merkwürdige neue Freundin) nichts anhaben.


Die beste Freundin

Meistens ist sie schon ganz lange da. Nicht immer stammt diese Freundschaft noch aus der berüchtigten Sandkiste, aber fast immer hat man die entscheidenden Jahre zwischen noch-pubertär-sein-aber-langsam-auch-irgendwie-erwachsen-werden mit ihr verbracht: Der besten Freundin. Die Person, mit der man sich über Mitschüler, Jungs, Musik, Literatur, Eltern, Alltag und was sonst so an- und auffiel, unterhalten konnte. Stundenlange Gespräche, gemeinsam zu Konzerten gehen, Händchen halten bei Liebeskummer und anderen Katastrophen – sie war dabei und hat seitdem alles begleitet: Kleine und große Lieben, Krach mit den Eltern, die Schule abschließen und dann die großen Entscheidungen: Was kommt jetzt? Bleiben oder gehen? Was will, was kann ich machen? Und wer bin ich, ohne diesen Halt aus Schule, vertrauten Gesichtern und Alltag daheim? Ohne die beste Freundin wäre man manchmal vor allem eins gewesen: allein. Denn vieles, was man mit ihr teilt, würde man anderen Menschen um einen herum nicht erzählen, und wenn, dann nicht die Langfassung, wie es in einem drin damit aussieht. Aus den gemeinsamen Interessen sind gemeinsame Erfahrungen geworden, die bleiben. Daran ändert auch die räumliche Distanz von 800 Kilometern nichts. Wie oft man miteinander telefoniert, schwankt natürlich – es braucht aber auch kein tägliches Gute-Nacht-Update-Gespräch. Wenn man sich dann doch wieder sieht, ist es vor allem eins: entspannt. Man trifft sich und muss auch gar nicht viel planen oder unternehmen. Gemeinsam wird gelacht, bis der Bauch weh tut, und am Telefon geweint, durch Paris gelaufen oder zu Hause ich-sehe-was-was-du-nicht-siehst gespielt. Mit der besten Freundin sind einem keine Grenzen gesetzt. Zukunftsprognose: A: Es geht auseinander: Das eigene Leben verändert sich und die Freundschaft hält nicht mehr Schritt – die Unterschiede in der Lebensplanung oder in der Einstellung werden größer und größer und man findet einfach nicht mehr zueinander. Irgendwann sind die Treffen, die sich immer oberflächlicher anfühlen, schmerzhaft, weil man merkt, was man vermisst. Darüber reden geht aber auch nicht mehr, man trifft sich immer seltener und irgendwann gar nicht mehr. Es bleibt nur die Erinnerung. B: Die Freundschaft bleibt – egal, wie verschieden der Alltag gerade aussieht. Schließlich hat man schon in der Vergangenheit erfahren, dass keine noch so große Veränderung im Leben euch erschüttern konnte. Und das wird auch so bleiben.


Die Klette

Das Telefon klingelt, schon zum dritten Mal innerhalb der letzten Stunde, und du siehst es an der Nummer im Display: Es ist schon wieder „der“. Vor zwei Tagen hat er eine Mail geschickt und gefragt, wie es mit Kino aussähe, aber du hast bis jetzt noch nicht darauf reagiert – genauso wenig wie du jetzt ans Telefon gehst. Denn du hast keine Lust mit ihm ins Kino zu gehen. Warum das so ist, ist eine lange Geschichte, von der du gar nicht genau weißt, warum sie eigentlich so lang ist. Du hast ihn über einen gemeinsamem Bekannten kennen gelernt, ihr habt euch beim Ausgehen immer mal wieder getroffen, alles eher unverbindlich, ein paar nette Gespräche, eine Zeitlang etwas mehr Kontakt, auch ohne den gemeinsamen Freund - und plötzlich warst du seine beste Freundin und weißt nicht, was du machen sollst. Du willst ihn nicht verletzen, weshalb du nicht aussprechen willst, dass er dir nicht so nahe steht, wie es umgekehrt der Fall ist. Du denkst dir, er wird es schon merken irgendwann, wenn ich mich zurückziehe, nicht zurückrufe, mit immer anderen Ausreden die Treffen absage. Aber er merkt es nicht. Oder will es nicht merken und ist immer als erster da, wenn man ihm doch mal smst: „Wir gehen heute Abend hier und hier hin.“ Das schlechte Gewissen wird mit der Zeit immer größer genauso wie das Gefühl, bedrängt zu werden, weil du eine Freundschaft führst, die du in dieser Form gar nicht führen willst. Denn diese Freundschaft basiert auf einem Missverständnis. Zukunftsprognose: Zunächst keine. Jedenfalls so lange nicht, bis man es endlich schafft, die Situation anzusprechen. Erst dann gibt es eine Chance, dass sich eine echte Freundschaft entwickelt.


Die Freindin

Die „Freindin“ ist das Schlimmste, was dir passieren kann: Ein Mädchen, von dem du denkst, sie sei deine Freundin, in Wahrheit ist sie aber deine Feindin. Bis du das aber kapierst, musst du zunächst einmal viele schmerzvolle Erfahrungen machen. Denn, wenn die „Freindin“ in dein Leben tritt, ist sie erst einmal wahnsinnig nett. Sie ist lustig, charmant, verständnisvoll, für jeden Quatsch zu haben - und sie bemüht sich um dich. Sie will deine Freundin werden, das spürst du und das schmeichelt dir, denn wer wird schon nicht gerne gemocht. Ihr trefft euch oft, macht alles zusammen, tauscht euch aus, telefoniert stundenlang, erzählt euch gegenseitig, in wen ihr verliebt seid beziehungsweise wie es mit dem Partner läuft und besprecht alle großen und kleinen Probleme. Kurz: Ihr freundet euch an und du denkst sogar: die „Freindin“ ist deine beste Freundin. Bis sie eines Tages, ihr wahres Gesicht zeigt. In der Regel zeigt es sich im Zusammenhang mit Männern zum ersten Mal. Sie findet zum Beispiel deinen Freund doof, macht ihn schlecht, wann immer es geht, so dass du langsam schon selber Zweifel bekommst, ob er vielleicht nicht wirklich ein Depp ist. Nach der Trennung erfährst du von anderen Bekannten plötzlich, dass die „Freindin“ nichts Besseres zu tun hatte, als sofort mit deinem Ex ins Bett zu steigen. Überhaupt kommen dir nach und nach seltsame Lügengeschichten zu Ohren, die deine „Freindin“ bei anderen Freunden über dich verbreitet hat. Dass du eifersüchtig auf sie seist, zum Beispiel, dass du es nicht aushalten würdest, dass sie sich so gut mit deinen anderen Freunden versteht oder dass du ihr den Typen weggeschnappt hättest usw. Du stellst sie zur Rede und sie gibt alles zu. Sie heult, sie jammert, schimpft sich einen schlechten Menschen und tischt dir auf, dass sie es sei, die eifersüchtig ist und dass sie so sein wolle wie du. Sie gelobt Besserung und du glaubst und verzeihst ihr – bis du ein paar Wochen oder Monate später wieder von den nächsten absurden Geschichten über dich hörst. Zukunftsprognose: Keine. Solche „Freindinnen“ unbedingt auf Abstand halten, ihnen nichts von dir erzählen. Bei der nächstbesten Gelegenheit werden sie es gegen dich verwenden. Und mach dir keinen Illusionen – sie würden dir auch einen Dolch in den Rücken stechen. Deshalb ganz wichtig: keinem einzigen Wort aus ihrem Mund Glauben schenken.


Online-Buddy

Himmel ja, man hat sich zwar noch nie in echt getroffen, aber davon abgesehen ist das schon ziemlich eng: Manchmal hunderte Botschaften oder Mails über den Tag verteilt, in denen alles steht, von „Ich hab voll Hunger auf Erdbeerkuchen!“ bis zu „Ich glaub ich mach Schluss mit ihm“. Das geht so leicht, weil man dem anderen nicht in die Augen schauen muss, weil man unfrisiert und ungeniert schreiben kann und zwar jederzeit – der andere wird schon irgendwann zuhören, äh, lesen und man selber hat dann den therapeutischen Nutzen schon abgeschöpft: von der Seele geschrieben, der Kram. Am schönsten ist bei dieser Freundschaft der Anfang, bei dem man alles ganz neu berichten kann und im Gegenzug auch ständig fragen: Woher, Wohin und wie überhaupt – und dabei lässt sich auch gut ein bisschen schummeln. Werden die Mails länger und die Inhalte tiefer ist man also in einer Online-Freundschaft, die wie ein Sofort-Kredit, zunächst viel bietet aber wenig fordert. Mit einem schnellen „Muss weg. Bye!“ ist das Plauderstündchen unterbrochen, wenn man auf Themen des anderen nicht eingehen will, schreibt man einfach nichts dazu, oder lenkt mit einem witzigen Link ab. Online-Freundschaften entstehen oft aus Langeweile und das ist das Problem. Sobald nämlich bei einem die Langeweile zu Ende ist, wird der heißgeschriebene Buddy plötzlich ganz schön anstrengend und ähnelt dann bald der Brieffreundschaft, die man mit zwölf Jahren unbedingt haben wollte und die mit vierzehn saulästig war. Die Mühe, richtig lange Botschaften zu schreiben wird immer öfter gegen kurzatmige Schilderungen der letzten Tage eingetauscht – zum Argwohn des anderen. Zukunftsprognose: Entweder man trifft sich irgendwann in echt und wird beste Freunde (selten) oder man wickelt die Sache genauso rasch ab, wie sie begonnen hat: versiegende Mails, irgendwann nur noch eine pro Monat und die dann, mit dem Verweis auf eine andere Community, auch nicht mehr.

Text: max-scharnigg - stefan-winter, penni-dreyer, nina-heinrich Illustrationen: katharina-bitzl

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