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Tschüss Ausbildungsplatz!

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Ein Begriff, der die Situation auf dem Ausbildungsmarkt in den letzten Jahren beschreibt, ist: Entspannung. Es gibt wieder mehr Stellen und aufgrund der demografischen Entwicklung weniger Suchende, sodass am Ende mehr Jugendliche einen Ausbildungsplatz finden als es noch vor einigen Jahren der Fall war. Das klingt gut. Eine Datenauswertung für den neuen Berufsbildungsbericht wirft das Licht jedoch auf eine weniger schöne Entwicklung: Im Jahr 2011 wurden 24,4 Prozent der Ausbildungen vorzeitig abgebrochen. Konkret waren das etwa 150.000, berichtet die Welt. Dabei gab es aber erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Berufen. 51 Prozent der Kellner, 49,4 Prozent der Köche und 44,2 Prozent der Friseure lösten den Vertrag mit ihrer Ausbildungsstelle. Die Abbruchquoten bei Verwaltungs- oder Medienfachangestellten, Flugzeugmechanikern und Forstwirten lagen hingegen bei weit unter 10 Prozent.

Ob Kellner oder Koch - vor allem in gastronomischen Berufen brechen Lehrlinge häufig ihre Ausbildung ab.

Ein Viertel abgebrochene Ausbildungen ist eine Menge. Aber warum werden einige Berufe seltener zu Ende gelernt als andere? Hat das mit den Arbeitszeiten zu tun, da die aktuelle Berufseinsteigergeneration angeblich so viel Wert auf Freizeitausgleich legt? Liegt es an der teils anstrengenden körperlichen Arbeit? Oder handelt es sich bei den betroffenen Berufsgruppen vor allem um solche, von denen sich viele ein falsches Bild machen?

Marleen Müller ist 20 Jahre alt und macht seit Oktober eine duale Ausbildung zur Hotelkauffrau in einem Hotel in Essen – also im Gastronomiebereich, der ja besonders stark von Ausbildungsabbrüchen betroffen ist. Duale Ausbildung bedeutet, dass Marleen 20 Stunden in der Woche im Hotel arbeitet und 20 Stunden die Uni besucht, dafür aber nicht die Berufsschule. Während ihrer Hotelzeit macht sie das Gleiche wie die anderen Auszubildenden auch und durchläuft alle Abteilungen des Hotels: vom Dienst an der Rezeption und im Frühstücksraum, über Zimmerservice und –reinigung bis hin zum Service in Restaurant und Küche. Besonders anspruchsvoll ist dabei der Umgang mit den Gästen, denn jeder hat andere Bedürfnisse. „Man darf nicht zu schüchtern sein", sagt Marleen. Die Arbeitszeiten in der Gastronomie sind natürlich andere als in klassischen nine-to-five-Jobs: Es gibt einen Frühdienst von 6:30 Uhr bis 15 Uhr und einen Spätdienst von 15 bis 23 Uhr. „Man hat wechselnde Arbeitszeiten", sagt Marleen, „und die sind manchmal auch ein bisschen schwer zu planen. Der Abendservice endet eben erst, wenn der letzte Gast das Haus verlässt." Bis jetzt habe sie aber noch nicht das Gefühl, dass ihre Freizeit zu kurz komme – immerhin hat sie auch mal unter der Woche frei, wenn sie samstags arbeiten musste.

Dr. Günter Walden, Leiter des Abteilung für sozialwissenschaftliche Grundlagen der Berufsbildung im Bundesinstitut für Berufsbildung, glaubt nicht, dass die Ausbildungen in bestimmten Branchen besonders oft abgebrochen werden, weil die Jugendlichen stärker auf Freizeitausgleich beharren als früher. „Das sind Zuschreibungen, zu denen es keine Untersuchungen gibt", sagt Walden, „ich bin da vorsichtig, weil man von dort schnell bei der Aussage ‚Die heutige Jugend hält nichts mehr aus' ist." Die Berufe, die häufig nicht zu Ende gelernt werden, zeichneten sich zwar durch besondere Anforderungen bei den Arbeitszeiten oder hohe körperliche Belastung aus. Aber das Problem sei oft nicht das Durchhaltevermögen, sondern das fehlende Vorwissen. „Die Jugendlichen haben oft unklare Vorstellungen davon, welche Anforderungen an sie gestellt werden", sagt Walden.

Marleen hat zwischen Abi und Ausbildungsbeginn ein Praktikum im Hotel gemacht und würde das auch jedem anderen raten. Sie glaubt wie Günther Walden, dass die meisten Abbrecher sich vorher falsche Vorstellungen vom Job gemacht haben. „Viele denken, dass man einfach an der Rezeption sitzt und normale Büroaufgaben macht", erzählt sie, „da ist man in diesem Job natürlich total falsch. Darum sollte man vorher ein Praktikum machen, um mal in alle Bereiche reinschauen zu können."

Ein weiterer Grund für die gestiegene Abbruchquote ist die erwähnte demografische Entwicklung, die für sinkende Bewerberzahlen sorgt. „Die Betriebe haben eine weniger starke Nachfrage und müssen unter Umständen Abstriche machen", sagt Walden. Wenn in einem kleinen Betrieb früher zehn Bewerber auf der Matte standen, sind es heute nur noch vier – und jemand, der nicht besonders gut geeignet ist, bekommt den Job vielleicht nur wegen der fehlenden Konkurrenz.

Marleen jedenfalls fühlt sich wohl in ihrem Job und denkt nicht ans Abbrechen, sondern eher an die Zukunft. „Später hat man eine große Bandbreite an Weiterbildungsmöglichkeiten", sagt sie. Und Günter Walden ist es wichtig zu betonen, dass eine abgebrochene Ausbildung ja nicht gleich bedeutet, dass man gar keinen Beruf erlernt. „Oft fangen die Jugendlichen dann eine andere Ausbildung an", weiß er. Etwa die Hälfte derer, die den Vertrag vorzeitig auflösen, suchen sich einen Job, der besser zu ihnen passt. Die heutige Jugend hält nämlich nicht etwa nichts mehr aus. Aber sie ist vielleicht manchmal etwas wählerisch. 

Text: nadja-schlueter - Foto: dpa

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