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Türchen auf! Der jetzt.de-Adventskalender-Test

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Titel:Mozart-Adventskalender Preis: 19.95 Was steht hinten drauf: „Seit über 135 Jahren ist sich Reber der Verantwortung für das „süße Erbe“ des Komponisten voll bewusst" Was ist zu sehen: Mittig oben ein recht strenges Profilbild des Wolfgang Amadeus, eingefasst in eine Pop-Art-Brosche. Der Blick des Komponisten fällt auf den rosa Lendenschurz eines nackten Engels, der in jugendlich-fresher Art über einer Hinterhofszene herumflowt und gleichzeitig als Nummerngirl dient. Befremdlich: Der Engel schwebt über einem zweiten Wolfgang Amadeus, der genau das gleiche Gesicht hat, wie jener in der Brosche, nur gespiegelt und mit einem Geige spielenden Körper versehen. Er trägt einen stark auftragenden, roten Mantel, Kniebundhosen und Schnallenschuhe mit Absatz und goldener Schließe. Hinter dem Musikanten steht ein sehr schmächtiger Weihnachtsbaum, der mit knallflammigen Kerzen völlig überladen ist. Außerdem ist er mit einem Einfamilienhäuschen geschmückt. In weiterer Entfernung schließt sich eine dezent verlogene Brückenszene mit erleuchteter Kirche an. Mozart selbst scheint vor einer Art Lagerhalle oder Palast zu stehen. Es liegt etwas Schnee. Ein angezogener Engel setzt gerade mit ein paar Glocken zur Landung an. Mozart würdigt ihn keines Blicks, sondern stiert in den Bach. Künstlerischer Wert: Gering. Die recht naive Malerei steht in Kontrast zum feingezeichneten Mozart-Porträt, das von anderer Hand gefertigt wurde. Die Perspektive stimmt nicht immer ganz, so ist Mozarts linke Hand hinter einer stark leuchtenden Laterne verdeckt, der restliche Typ steht aber weit davor. Der Rahmen ist mit goldener Ornamentik etwas überladen. Mätzchen des Künstlers, wie der aus dem Bild wachsende Tannenbaum, stören die Gesamtkomposition. Das erste Türchen: Ist ziemlich einfältig links oben im Eck angebracht, also genau da, wo es Vierjährige auch suchen würden. Tür-Mechanismus mit vorgestanztem Griff, der aber nicht seine Aufgabe erfüllt, so dass man das Türchen trotzdem eindellen muss. Die Füllung ist eine Mozartkugel – eine von nur vier möglichen Überraschungen, wie die Rückseite verrät. Sehr unspannend. Sonstiges: Für diesen Preis enttäuschende Gesamtperformance, die Nummern sind nach einem langweiligen System angebracht, die 24 hat keine Doppeltür und die Füllungen sind nicht speziell für den Adventskalender angefertigt, sondern einfach der Ganzjahres-Produktion der Mozartkugel-Mafia entnommen. Für wen: Festspiel-Besucher mit dicklichen Kindern oder unmusikalische Singles mit richtig Kohle


Titel: 1001 Weihnachtstraum Preis: 15,90 Was steht hinten drauf: „Türme aus dem Bogen heraustrennen und an den Rillungen vorknicken“ Was ist zu sehen: Orientalische Szene in sehr reduzierter, flächiger Malweise. Vor einem Palast kommt gerade eine größere Reisegesellschaft mit Kamelen an. Sie möchten so gerne WLAN surfen - aber der Palast wirkt verschlossen! Die Tür ist die 24. Heißt das, die Gruppe kommt erst am letzten Tag rein? Wäre gemein, denn oben sieht man durchs Palastfenster, wie zwei scharfe Hofschranzen ordentlich auftischen, mit goldenem Geschirr und so. In der Ecke steht auch eine wavende Yucca-Palme. Vor dem Palast tummeln sich außer der Reisegesellschaft noch allerhand Exzentriker vom Typ „Alter Beduine“, zum Beispiel einer der eine verdächtige Schubkarre schiebt und ein anderer, der einem Lämmchen traulich zulächelt, obwohl er doch noch eines im Schoß hat! Sonst ist nur reich verzierte Architektur zu sehen, mit vielseitigen Mustern und Bommeln. Stern von Bethlehem ist auch da, zusätzlich sehr reicher, güldener Sternenhimmel, für den aber keiner der Dargestellten einen Blick übrig hat. Stattdessen plant die Reisegesellschaft offenbar vom Kamelrücken in den ersten Stock bei den Feiernasen einzusteigen. Keine Ahnung, ob orientalische Räuberleiter immer so funktioniert. Künstlerischer Wert: Enorm, ganz eigenständige Darstellungsform, in Motiv und Stil sehr weit von den hierzulande verbreiteten Wald&Waschbär-Szenen entfernt. Allerdings durch vollständigen Verzicht auf abendländische Gemütlichkeits-Symbolik etwas „glatter“ Charakter. Das erste Türchen:Enttäuschung – hinter dem recht windigen Türchen ist ein zweiter Vorhang aus Gold, auf dem erst ein angeblich persisches Sprichwort gelesen werden muss: „Das Glück in ist in die Tüchtigen vernarrt.“ Den Turbo-Scheiß kann man nur schwer wegfetzen, weil es so zäh-gepolsterte Goldfolie ist. Dann aber: Allerfeinste Toppraline mit Nougat. Sonstiges: Sehr großer Kalender, der was hermacht und auch als Umkleidekabine genutzt werden kann. Die 24 ist sehr stattlich. Für wen: Persische Verwandtschaft und für Inhaber von Lagerhallen und unsympathischen Kindern mit Jugendstil-Faible.


Titel: - Preis: 4,99 Euro Was steht hinten drauf: Das Gleiche wie vorne: „Milford. Ein Lächeln in jeder Tasse“. Es handelt sich übrigens um einen Wendekalender, der vorne und hinten geöffnet werden kann. Was ist zu sehen: Eine sehr fotorealistische Darstellung eines Tannendickichts. Ziemlich close-up. Die Tannenzweige sind postmodern geschmückt, mit roten Filzfiguren und, besonders auffällig: Fotografien junger Menschen, denen gemeinsam ist, dass sie sich eine Tasse ins Gesicht halten. Sie tragen zum Teil Sommerkleidung, wie auch das Gesamtbild wenig Weihnachtliches verströmt. Ein nachträglich angebrachter Stern von Bethlehem über den Tassenköpfen reißt das auch nicht mehr richtig raus. Es ist auch sehr hell insgesamt und trotzdem hat noch jemand die elektrischen Lampen an den Zweigen angeschaltet. Künstlerischer Wert: Gering. Fotoarbeit ohne Tiefgang, sehr naturalistische Anmutung, man sieht bei manchen Zweigen sogar die kleinen Nippelchen! Die ausgewählten Gesichter sind auch zu einheitlich, Verhältnis Frau:Mann 6:4, ein Kind trägt Schmetterlingsflügel, bei einer jungen Frau liegen die BH-Träger direkt neben dem besinnlichen Tannenlicht – wenig feierlicher Charakter. Das erste Türchen: Surprise, surprise! Keine Schokolade sondern ein Teebeutel der Sorte „Kräutertee-Mischung mit Pfefferminze-Zironengras“ ist drin. Deswegen riecht der ganze Kalender auch so gut. Hinter dem Teebeutel steht noch ein Sinnspruch, in diesem Fall: „Ausgeruht und ausgeschlafen lässt sich besser Christbaum schlagen“. Sehr verstörend. Fehlt da nicht ein „der“ vor Christbaum? Achso! Schlagen im Wald. Schwachsinn. Sonstiges: Ach, warum nicht. Besser als so manche Uralt-Schokolade. Aber diese Sprüche… Für wen: Auf keinen Fall für Kinder, hinterlässt bleibende Enttäuschung wegen Nicht-Schokolade. Eher für Tee-Transen mit Buchhändlerfaible, Architekten etc.


Titel: Milka Adventskalender Preis: 4,99 Was steht hinten drauf: „Das Weihnachtsspiel mit dem Dreh-Effekt.“ Und ein alkoholisierter Weihnachtsmann der sagt: „Schneiden, kleben, drehen, staunen!“ Hä? Eigentlich doch das Arbeitsmotto von Schönheitschirurgen? Was ist zu sehen: Eine lebendige Szene auf einem Dorfplatz, könnte auch St. Moritz sein, hinten produzieren sich ein gefrorener See und Berge. Die Kirchturmuhr steht auf Fünf nach Elf – es ist offenbar nachts, denn der Mond steht fahl über einem Schneemann und einem Weihnachtsbaum, die Eislauf-Paartanz praktizieren. Trotz der späten Stunde gibt es sehr viele Kinder, die sich durch das Herumtragen stark rotwangiger Backen auszeichnen. Ein Kind kommt gar gerade erst vom Skifahren! Viel tut sich hier, fast wie auf Breughel-Bildern. Das Zentrum des Wirrwarrs bildet ein Weihnachtsmann, der augenscheinlich gerade seinen Sack fallen ließ, denn es quellen Geschenke auf den gut verschneiten Boden. Mehrere Tiere versuchen aus dieser Situation Nutzen zu schlagen, darunter Spatzen, ein Hund mit Fransenschal, eine Maus mit Pashmina-Schal, zwei Rentiere, eine Katze und ein Eichhörnchen in Hugo Boss. Es gibt auch ein paar Buden, die weihnachtsüblichen Tand feilbieten, sogar Lebkuchenherzen mit der Aufschrift „Ich liebe Dich“ und „Gabi“ – selbst in St. Moritz eher untypisch. Gleichsam fremdartig muten Kindspersonen an, die Zuckerwatte mit sich führen oder in eine überdimensionale Tuba blasen. Künstlerischer Wert: Stimmig, das Bild ist gut komponiert, mit einer dynamischen Bewegung aller Rotbackigen zum Zentrum des Bildes - dem muskulösen Weihnachtsmann. Gruslig: Das Hugo-Boss-Eichhörnchen folgt dem Betrachter mit den Augen überallhin. Abzüge gibt es für die unnatürlich häufige Verwendung der Farbe Lila, die sonst in alpinem Kontext kaum zu finden ist (Ausnahme: Wirtshaus-Veilchen, Milkakühe). Das erste Türchen: Stark cremig gefüllte Schokoladenfigur in vollwertiger Rundum-3D-Ausführung – nicht wie bei Ostimporten nur halbseitig. Dahinter noch eine gezeichnete Miniatur, auf der zu sehen ist, wie ein bissiges Pony den Weihnachtsbaum und den Schneemann auf eine Hutablage verjagt hat. Verdammter Klepper! Vollmilchig-infantiler Geschmack der bis zum Kindergarten anhält. Verschmierpotenzial guter Durchschnitt. Sonstiges: Die 24 ist, wie es sich gehört, doppelt so groß wie die 1 und macht alle ganz wuschlig, weil keiner weiß, was wohl dahinter sein könnte. Für wen: Für Kindeskinder und Zinseszinse, außerdem Mittelstufenlehrer und Kaiserschnittgeborene nach dem 01. 01. 1979.


Titel: Adventskalender Preis: 21,95 Was steht hinten drauf: „Hochfeine Confiserien“ „650 Gr.!“ Was ist zu sehen: Ein nahezu lebensgroßer Weihnachtsmann mit slawischen Gesichtzügen. Der Betrachter merkt gleich: Der kommt von weit! Der Mann steht in einer ziemlichen Einöde. Im Hintergrund ist allerdings ein erleuchteter Weiler mit Gotteshaus zu sehen. Es ist unwahrscheinlich, dass der Weihnachtsmann dort ankommt, denn er verliert ja bereits jetzt viel von seinem sperrigen Geschenkgut, bzw. schiebt das Zeug mit dem Stiefel durch den Schnee vor sich her. Warum lädt er es nicht auf den Schlitten, der an seinem Arm baumelt? Weil es so ein gebrechliches, neumodisches Teil ist! Aus dem Sack auf dem Rücken ploppen eine beängstigend unkindliche Puppe, ein nachdenkliches Pferd und ein übelst reinmontierter Goldfolienschokoladenklaus. Als wäre das nicht genug, muss der arme Mann im Arm auch noch eine Packung Mozartkugeln tragen. Insgesamt wirkt die Szene eher beunruhigend, keiner ist happy, weder Pferdchen noch Weihnachtsmann, es fehlt an crowdpleasern wie Zwitschervögelchen oder Feistkindern. Vielleicht ist das in Belgien? Dagegen spricht der viele Schnee. Stern von Bethlehem fehlt natürlich auch. Künstlerischer Wert: Durch den Ernst der Szene transportiert sich eine ganz neue Metaebene: Besinnlichkeit im wahrsten Sinne des Wortes und Gedanken an die schwermütigen Ostvölker. Der Betrachter ist angerührt und bekommt kurz ein seelisches Zipperlein. Der Vermengung von Foto- und Maltechnik ist natürlich grotesk und führt zu nichts. Das erste Türchen: Riesige Türchen! In München müsste man dafür Miete bezahlen. Enttäuschend dann der Inhalt: Wieder eine Mozartkugel, die recht verloren durch den Raum kullert. Immerhin, so verspricht die Rückseite, gibt es diesmal größere Auswahl, gefüllte Herzchen, gestockte Zwirbel, glasierte Pickerl, etc. Sonstiges: Viel zu teuer, aber auch ein wahrer Container von einem Adventskalender. Für wen: Nicht für Kinder, sie könnten darunter begraben werden. Eher für den netten Oligarchen von nebenan oder als gemeinnützige Gabe für eine bedürftige Kleinstadt, zum Beispiel Salzburg.

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