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Typologie: Klassische Flyer und ihre Botschaft

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Der Danceparty-Flyer Layout-Idee: Alter, das muss diesmal so richtig geil aussehen! Sexy, verstehste? Wie sieht der aus: Hell, strahlend, mit Stimmungsfarben (gerne Apricot, Pink, metallicblau), stets überladen mit atmosphärischen Einfällen und solariumgebräunter Sonne, Mond und Sterne. Dazu Körperteile in übernatürlicher Knackigkeit und Plakativität (Tropfen auf Hintern, Hintern auf Tropfen, Hintern mit lasziven Frauengesichtern in der Mitte), 3-D-Typographie ohne Kleinbuchstaben. Hintendrauf: Sponsorwerbung, zum Beispiel „Autohaus Neuner“. Inhalt: Höchstens Information über die Anzahl der bereitgestellten Areas Papier: Dünn, sehr dünn und immer das normalste Format. Slogans: Convicted in Time! Dancemania Vol. 06! Flirtfactory Mainfranken goes Pornparty! Partyboost-Countdown. Klassischer DJ-Name: DJ TemKekk (NY, Ibiza) Was der Flyer nicht sagt: Dass die knackigen Girls auf dem Flyer bezahlt sind und nur in Käfigen tanzen, dass DJ TemKekk (NY) einen weißen Anzug mit silbernem Hemd und Cowboyhut trägt, dass es zwar eine RedBull-Hostess aber keine Garderobe gibt und dass die Türsteher nur auf Bewährung draußen sind. Was passiert mit dem Flyer: Er liegt hundertfach in den Pfützen des Industriegeländes, auf dem die Dancemania-Party stattfindet. Oder er liegt angekokelt im Regionalzug.


Der Metalflyer Layout-Idee: Mächtig Wie sieht er aus:Gefährlich, wie aus Eisen, so dass man Angst hat, ihn anzufassen. Viel Dornen und Runenkram, außerdem gotische Kirchenportale, mittelalterliche Kriegswaffen, viel grau, braun, Metall und schwarz und Dornenkranz feat. Katzenbuckel. Außerdem wichtig - Metalbands legen großen Wert auf ihre ganz individuelle-furchteinflößende Typographie. Besonders beliebt dabei: Buchstaben mit zackigen Spitzen, Buchstaben mit handgemauerten Serifen, brennende Buchstaben und solche, die aussehen wie aus Granit gemeißelt. Inhalt:Bloß nicht zuviel harmloser Scheiß – lieber noch ein paar Drachenköpfe oder vielleicht ein Gruselfinger. Papier: Hochglanz (wirkt gefährlicher und kälter) Slogan: Raise the Dead! DARKANDDEATH 2 Nekromantic-Night Metal-O-Drom Klassischer DJ-Name: DJ Priest / DJ Thor (The Hammer) Was der Flyer nicht sagt: Dass zur Metal-Night am Freitagabend nur die größten Spießer überhaupt gehen, nämlich Metal-Fans und dass die Bands nach dem Konzert duschen und die Gitarristen ihre Haare mit kleinen weichen Gummibändern zusammenknoddeln. Was passiert mit dem Flyer: Er wird kistenweise entsorgt, wenn der örtliche Konzertveranstalter („Edelwhite Entertainment“) endlich Insolvenz anmeldet.


Der Trance-Flyer Layout-Idee: Der Flyer ist die Party! Wie sieht der aus: Form follows Wirrness: Spiralnebel, psychotische Neonmuster, maximale Turbulenz bei gleichzeitiger Wahrung farblichen Durcheinanders. Dazu Symbole: Tetris-Steine, Türen von Raumschiffen oder gleich Aliens mit großen, toten Augen. Seltener: Laserkanonen und schmelzende Zahlen. In der Provinz oft: smaragfarbene Turbinen. Inhalt: - Papier: Dünn, glänzig, mit scharfen Kanten. Format gerne auch mal quer oder ausserhalb der DIN-Norm. Slogans: Psychoshuttle Trancemission 9 Leaving Earth tonight OUTTER SPACE CONTACT!!! In der Provinz auch immer noch gerne: Große UFO-Party am Donnerstag Klassischer DJ-Name:DJ Intersolar (Traunreut, „Abyss“) Was der Flyer nicht sagt: Trance machen nur noch hängen gebliebene Hausmänner und ein paar verwirrte Ex-Gothic-Mädels, deren Klamotten nach Zimtschmutz und Kiffe riechen. Was passiert mit dem Flyer: Er wird daheim im Reihenmittelhaus auf einer Magnetnotiztafel von MöbelLutz festgepinnt, unter der sich jeder Gast auch die Plateauschuhe ausziehen muss.


Der Themenparty-Flyer Layout-Idee: Hallo Promo-Agentur, wir brauchen einen Flyer für Leute, die eigentlich keine Flyer mehr lesen und bitte billig. Wie sieht er aus: Übersichtlich, klar strukturiert, keinesfalls überladen sondern zurückgenommen, schließlich muss der Flyer gelesen werden und nicht nur blinken. Inhalt: Umfangreich: Bierpreise (Bier/Rüscherl 1 Euro), Programmhöhepunkte (Live: Gitta von Gitta&Paul) , Zielpublikum (Single Ladies & Sugardaddys / Junggbliebene), Postleitzahl, Parkplatzsituation, Anfahrtskizze… Papier: Bodenständige Papierqualität, kein Luxuskram. Slogan: Jung wie man sich fühlt-Party Roaring Twenties Rudolfszell Schlagersahne Michel-in-der-Suppenschüssel-Party Klassischer DJ-Name: DJ Jochen Biehl / DJ Frankieboy Was der Flyer nicht sagt: Dass er nur Leute angelockt hat, die eigentlich keine Flyer mehr lesen weil sie überhaupt nicht mehr aus dem Haus gehen oder die schon lange auf eine Party warten, die speziell auf ihre (Kann ja nicht jeder gleich sein!) Bedürfnisse zugeschnitten ist. Was passiert mit dem Flyer: Er wird in Liebesbriefen beigelegt, mit dem Vermerk: „Jutta, erinnerst du dich noch an unsere erste Nacht? Habe den Zettel nur deswegen aufgehoben. *verliebtgrins*, Miss you! Ulf.“


Der Punkkonzert-Flyer Layout-Idee: „Scheiße, schon um halb vier, ey, und keiner weiß, dass wir heute spielen. Wie sieht er aus: Wie Punk. Ungelenk, schwarzweiß, übereinfach und überuntalentiert, gekritzelt oder mit Kartoffeldruck, vollgeschissen oder mit Rändern von Bierflaschen. Typo gerne Kinderschrift oder Schreibmaschine. Inhalt: Vor allem Bandname und gelegentlich auch noch ein pointiertes politisches Statement (Kill Faschos! / Umgehungsstraße Malching jetzt!) Eher selten genauer Auftrittsort, stattdessen konspiratives Kürzel (Juze / Keller). Auf keinen Fall: Anfangszeit. Papier: grobes altes Papier vom Speicher, abgerissener Karton, Bierdeckel etc. Slogan: Außer „Fuck!“ eigentlich keine die über die zu erwartenden Akteure hinausgeht. Die Botschaft dahinter sagt natürlich: Egal ob ihr Wichser kommt, wir schädeln uns heute abend wenigstens mal ganz offiziell weg, hähä. Klassischer DJ-Name: Mütze, Pinsche, Korn, Atzo, Kralle, Asso, Alder Was der Flyer nicht sagt: Die Band hat nicht nur keine Lust zum Flyer drucken sondern auch nicht auf ein ganzes Konzert, deswegen lässt sich der Sänger nach dem dritten Lied einfach rückwärts ins Publikum fallen und knallt dabei gegen den Kicker. Die Kollegen feuern ihm noch ein paar Flaschen hinterher und nehmen dann den Laden auseinander. Was passiert mit dem Flyer: Entweder: Weil derjenige der ihn im Suff gekritzelt hat später eine erfolgreiche Künstlerkarriere stemmt, wird der Flyer zur gesuchten Rarität und der Taschen-Verlag bringt ein Buch mit den 53434 wegweisendsten Punk-Flyer heraus. Oder: Er wird vor Ort kultisch verehrt, weil es nur drei davon gab und man sich damit an die eigene wilde Zeit erinnert.


Der Indiepopflyer Layout-Idee: Ich habe auf dem Flohmarkt so stylishe Dinge entdeckt, die müssen drauf – Lotte hat doch ne Lomo. Wie sieht er aus: Zum Anbeißen, entweder kindisch-süß, oder nostalgisch-cool. Hauptsache und jedenfalls: ironisch! Und in technicolor, mit alten Fernsehern, Autos oder Musikinstrumenten. Auf keinen Fall: modern. Und bitte nicht: ernst. Farbtöne sind braun, prilblumig, orange. Typographie gerne bullig, gemütlich. Inhalt: Politisch korrekt, leicht nerdig, alle wichtigen Infos plus Verweis auf die Homepage (und den Filzladen) von demjenigen, der den Flyer gestaltet hat. Papier: Festes gutes Papier, gerne ungewöhnliche Formate (Polaroid). Slogans: LoFi und Spaß dabei! Britpop und Artverwandtes pure indie fun (ironisch) Klassischer DJ-Name: DJ Phonoboy / DJ Kartoffelbrot Was der Flyer nicht sagt: Von wegen coole alte Verstärker und 60’s-Glam – es sind eben doch wieder nur die pickligen Ringelpulli-Jungs mit ihren Bundeswehrschuhen da und der DJ spielt schon um viertel vor zwölf „Bitter Sweet Symphony“, die Toilette ist verstopft und das Bier warm. Was passiert mit dem Flyer: Er wird von Mädchenhänden in WG-Küchen aufgehängt und von Jungshänden als Lesezeichen in „Der Fänger im Roggen“ benutzt.

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