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Und wie ginge "Liquid Living"?

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In der Abstimmungsplattform LiquidFeedback der Piratenpartei gibt es eine interessante Idee: Ein User plädiert für ein Leben „nach dem individuellen Tagesrhythmus“. Es gebe Menschen, die zu unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten aktiv seien und deshalb sei es an der Zeit, das öffentliche Leben und das Arbeitsleben den unterschiedlichen Bedürfnissen anzupassen. Die Freiheit der Lebensgestaltung des einzelnen „Chronotypen“ werde „durch vorgegebene Schul- und Arbeitszeiten, Nachtruheregelungen und Öffnungszeiten stark eingeschränkt“. Weiter heißt es: „Insbesondere nachtaktiven Menschen entstehen dadurch gravierende Nachteile in der Schul- und Arbeitswelt sowie in der persönlichen Lebensführung. Zudem tragen sie ein erhöhtes Risiko, etwa an Herz-Kreislauf-Beschwerden, Bluthochdruck, Arthrose und Diabetes zu erkranken. Ferner sind sie im Arbeitsleben wie im Straßenverkehr stärker unfallgefährdet.“  



Tatsächlich wird in der Chronobiologie zwischen Lerchen und Eulen unterschieden. (Der Unterschied wird im Diskussionsbeitrag bei den Piraten auch ausgeführt.) Die Lerchen mögen gern früh raus, die Eulen bleiben bis spät auf. Erstmal klingt es gewagt, wenn in dem Beitrag die Forderung aufkommt, man müsse Ladenschlusszeiten, Sperrstunden, Arbeits- und Unterrichtszeiten überdenken. So radikal wird man das wohl nicht hinbekommen. Aber aus bayerischer Perspektive kann man die Debatte schon mit einem träumenden Gesicht verfolgen. Während in vielen anderen Bundesländern ein Supermarkt auch bis 22 Uhr seine Türen offen halten darf, ist in Bayern schon sehr früh Feierabend. Wer tagsüber einer Arbeit nachgeht, hat gut zu tun, seine sonstigen Lebenserfordernisse am Morgen oder am Abend geregelt zu bekommen, ehe um 20 Uhr oder gerne schon um 18 Uhr die Läden dicht machen.  

Der Diskussionsbeitrag wird es nicht nach ganz oben auf die politische Agenda schaffen, das kann man wohl schon absehen. Dabei wäre es an der Zeit, angelehnt an das „Liquid Democracy“-Prinzip auch mal über „Liquid Living“ nachzudenken. Schnüren wir uns mit den vorhandenen Arbeits- und Öffnungszeiten die Lust am Leben ab? Müsste man sich die bestehende Gesellschaft nicht mal eine Spur fließender vorstellen? Sollte man das Liquid Living-Modell nicht auch auf die Arbeit übertragen? Ist es denn immer noch so, dass jede Arbeit wirklich nur von einer Person gemacht werden kann? Müsste man nicht auch Arbeit viel mehr aufteilen, also fließender gestalten, damit mehr Menschen in Arbeit kommen?  

Im Blick auf den vorhandenen Vorschlag führt das zu weit. Und es gibt immer viele Gegenargumente, warum es so liquide dann doch nicht geht, von wegen organistorische Probleme. Aber man kann ja mal drüber nachdenken – und nichts anderes steckt doch in diesem Diskussionsbeitrag auf der Piratenplattform – ob man nicht anfangen sollte, das Leben wieder ein bisschen mehr dem Menschen auf den Leib zu schneidern. So war es doch schließlich mal gedacht, oder?

Text: yvonne-gamringer - Foto: johny-schorle/photocase.com

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