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Was ist nur los mit den Kino-Trailern?

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Das ganze Geheimnis passt in eine einzige Phrase: Sage alles und nichts zugleich. Verrate also möglichst wenig. Aber sieh um Gottes Willen zu, dass es alles bedeutet. Gib ihnen Bilder, gib ihnen wenige, tragende Sätze. Erzeuge ein halbklares, aber darin starkes Gefühl. Der Rest ist Imagination. Und Erfahrung. Der Rest füllt sich von selbst.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Wir können das inzwischen nämlich. Wir wissen, wie Filme funktionieren. Wie das geht: Spannung, Konflikte, gut, böse, Action, Gefühl, Widersprüche, Harmonie. Und wir wissen vor allem, wie man Neugier weckt. Auch, wenn uns das vielleicht gar nicht bewusst ist. Wir machen das ja täglich selbst, im Social-Web: Spannung aufbauen und Neugier wecken. Sonst werden unsere Posts nicht geklickt und geliked. Sonst fragt niemand, was das Status-Update denn nun genau bedeutet. Und weil wir das tun, weil wir das können, weil wir das verstehen, verändert sich nicht nur die Art, wie uns Geschichten erzählt, sondern vor allem, wie sie uns verkauft werden. Man merkt das im Netz. Und inzwischen auch im Kino – bevor der Hauptfilm beginnt. Daran, wie sich die Trailer verändern.

Ist noch keine zwei Jahre her, da stand im SZ-Magazin ein Text über den Reiz von Filmvorschauen. Die, so die These, seien grandios verdichtete, eigenständige Kunstwerke. „Blockbuster in Kürzestfassung“. So gut, dass der eigentliche Film oft nur noch verlieren könne: „Die Explosionen knallen, die aufregendsten Stunts sind zu sehen, die große Liebesgeschichte deutet sich an, wer der Böse/der Mörder/der Verräter sein wird, erkennt man ohne Probleme. Und die starken Sätze tauchen sowieso alle auf, die ikonischen Momente, alles, was in Erinnerung bleiben soll. Wer braucht mehr?“

„Wer kommt mit immer weniger klar?“, müsste die Frage inzwischen lauten. Bei „Star Wars 7“ zum Beispiel. Die Explosionen knallen da auch noch. Die Laserschwerter flammen auf, die X-Wing-Fighter zerbersten und die Roboter werden pulverisiert. Kurze, aufblitzenden Impressionen sind das. Viel Kawumms. Alles andere? Das Wer? Das Warum? Das Wozu? Fehlt. Oder genauer: wird in wenigen, nebulösen Sätzen offensiv nicht erzählt: „Es gibt ein Erwachen“, sagt eine Stimme aus dem Off. „Spürst du es?“ Und dann, ein paar Bilder später: „Die dunkle Seite. Und die helle.“ Eine Filmzusammenfassung wie ein Facebook-Post. Integriert die Kenner emotional – und gibt dem Rest das Gefühl, nachforschen zu müssen, um dazuzugehören.

Oder der neue James Bond, „Spectre“: Die große Liebesgeschichte? Ein klares Bild von Mörder und Verräter? Die starken Sätze, ikonischen Momente, aufregendsten Stunts? Nichts da. Stattdessen haben die Macher ein schon diebisches Vergnügen an Andeutungen über Geheimnisse und dem Spiel mit Nähe und Distanz: Vermeintliche Verbündete sagen „Mr. Bond“, nur zu erahnende Feinde sagen „James“. „Ich wusste immer, der Tod hat ein vertrautes Gesicht. Aber nicht das Ihre“, sagt ein alter Mann, dessen Züge Güte und Gefahr zu gleichen Teilen tragen. Und dann fällt der Satz, in dem alles zusammenkommt, was der Trailer transportiert: „Sie sind nur ein Spielzeug in einem Hurrikan, Mr. Bond“ (im englischen Original wird das eindrücklichere Wort „kite“ benutzt, also Drachen).

Verschwurbelt? Brillant! Wer zu viel verrät in einer Zeit, die im entschlüsseln von Codes und Andeutungen trainierter ist als alle vorherigen, verliert. Weil zu wenig bleibt, das die Imagination noch füllen kann. Wir sind es ja gewohnt, auf Aussagen zu klicken, die uns bewusst immer ein bisschen im Unklaren lassen: im Social-Web, auf Nachrichtenseiten. Überall News, überall Punchlines, überall Andeutungen.

Der Trailer zu „Batman vs. Superman“ funktioniert deshalb gleich nur noch, wie die Kommentare in einer Timeline: Kurze, gnadenlose Urteile über einen gefallenen Helden. Einen „Failed God“, wie es auf die Brust einer Superman-Statue gesprüht steht. Noch so eine Punchline. Und dann ein Schwenk auf Batman und dazu der Satz, der eben alles sagt und nichts: „That’s how it starts – the fever, the rage, the feeling of powerlessness. It turns good men cruel.“ Dazu Bilder eines sich anbahnenden Duells zwischen den beiden. Warum, worüber, für wen oder was der Krieg? Wissen die Eingeweihten. Für den Rest: Imagination.

Übrigens liefert dieser Trailer seinen Facebook-Post tatsächlich gleich mit: „Tell me: Do you bleed?! You will!“ Geniale Punchline. Wird das Netz lieben. Ehrlich. Dringend mal ausprobieren.



Text: jakob-biazza - Illustration: katharina-bitzl

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