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"Wir bekommen ja Angst": Wie es ist, Michel Friedman zu interviewen

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Sugárka, du hast mit Michel Friedman gesprochen. War es schwer, ein Interview mit ihm zu bekommen? Ich glaube, ich hatte gefühlte tausend Mal seine Sekretärin am Apparat. Zuerst hatten unsere Dozenten, Professor Bernhard Pörksen und der Journalist Jens Bergmann in einem Brief ausführlich das Projekt beschrieben und darum gebeten, meine Mitinterviewerin Linnea Riensberg und mich vorzulassen. Wir waren also angekündigt. Aber es war schwer, zu ihm durchzukommen. Seine Sekretärin vertröstete mich und sagte, er denke noch darüber nach. Als ich ihn dann doch in der Leitung hatte, ging alles schnell und ich hatte binnen einer halben Minute einen Termin. Friedman geht seine Interviewpartner hart an. Wie erging es euch mit ihm? Es war klar, dass wir für das Interview seinen Stil adaptieren müssen. Er hat alle rhetorischen Finten drauf, darauf waren wir aber durch ein Interviewcoaching vorbereitet. Friedman kann verbal sehr aggressiv sein – wie geht man damit um? Man muss es thematisieren, indem man zum Beispiel sagt, „wir bekommen ja Angst vor Ihnen, ist das beabsichtigt?“ Wie war das Gespräch mit ihm? Wir haben ihn in Frankfurt in seiner Kanzlei getroffen und hatten eineinhalb Stunden – ich habe in der Zeit, glaube ich, zwei Liter Wasser geschwitzt. Wir hatten uns sehr gut vorbereitet, alles über ihn und auch sein Buch gelesen. Vorher hatten wir uns eine Aufteilung „Guter Polizist, böser Polizist“ überlegt. Linnea hat die gefühl- und verständnisvollen Fragen nach seiner Frau gestellt, ich hingegen habe versucht, hart nachzufragen. Nach seiner Kokainsucht und seinem Verhältnis zu Prostituierten. Das war sehr anstrengend, weil ich eigentlich nicht der konfrontative Typ bin. Hat es funktioniert? Ja, ich denke schon. Es wirkte schon so, als rechnete er nicht mit unserem Fragestil. Vielleicht hat er eher mit zwei netten Studentinnen gerechnet. Was wolltet ihr wissen? Das Gespräch drehte sich immer wieder um Inszenierung in den Medien. Ich habe immer wieder nachgefragt: „Inszenieren sie nicht doch ein bisschen mit?“ Er antwortete darauf: „Wir inszenieren uns doch alle“. Nun hatte ich an dem Tag ein schwarzes Kleid, eine schwarzrahmige Brille und die Haare zurückgesteckt, als er sagte: „Sie inszenieren sich doch auch. Mit ihrer schwarzen Brille zum Beispiel.“ In dem Moment stand er auf und holte sich eine Zigarre. Ich antwortete: „Klar ist meine Brille eine Inszenierung. Genauso, wie ihre Zigarre.“ Das war, glaube ich, zu frech. Er war wirklich verstimmt und wies mich darauf hin, dass er schon immer Zigarren geraucht hätte. Aber: Er hat das Interview innerhalb einer Minute am Telefon autorisiert, hart aber fair und ohne Allüren.

"Medienmenschen" (Solibro) entstammt einem Projekt an der Universität Hamburg und versammelt 30 Interviews mit Prominenten wie Verona Pooth, Franziska van Alsmick, Roger Willemsen oder Joschka Fischer. Wie kam es zu diesem Projekt? Bernhard Pörksen und Jens Bergmann haben ein Buch dieser Art schon gemacht. Für das „Trendbuch Journalismus“ haben Studenten 28 Chefredakteure oder Chefkreative gefragt, wie sich der Journalismus verändert hat, welche Kompetenzen man braucht, wie man reinkommt. „Medienmenschen“ ist der nächste Versuch, praktischen Journalismus an der Uni zu etablieren. Pörksen meinte in der Vorstellung des Projekts: Wir wagen den großen Wurf und interviewen Promis, die sonst keiner kriegt und sprechen mit ihnen über Inszenierung in der Öffentlichkeit. Pörksen hatte den Buchvertrag schon in der Tasche und das Thema „Medienmenschen“, eine Idee von Jens Bergmann, war fix. Und wie bist du in das Seminar gekommen? Wir mussten uns mit Arbeitsproben bewerben.

Sugárka Sielaff, 28, studiert Germanistik, Journalistik und Finnougristik an der Universität Hamburg. Wie habt ihr Eure Interviewpartner ausgesucht? Erstmal haben wir eine Liste mit Namen erstellt. Ganz oben standen dort der Papst, Arnold Schwarzenegger oder Michael Schumacher und Angela Merkel. Von denen aber keiner im Buch ist. Nein, Schumi zum Beispiel war einfach außerhalb unserer Reichweite. Er war zu der Zeit auch gar nicht in Europa – wir hatten ja auch eine Deadline vom Verlag und konnten nicht ewig warten. Warum eigentlich wolltest Du gerade Friedman interviewen? Auf der Liste unserer Wunschkandidaten war er relativ weit hinten. Aber ich hatte ihn vorgeschlagen, weil er mich als Medienfigur schon immer interessiert hat. Im Vorwort steht, dass es auch sehr schwierige Interviewpartner gab. Ja. Christoph Schlingensief zum Beispiel hat sein Interview komplett kassiert. Einfach so. Stimmt, im Autorenverzeichnis zu dem Buch lese ich als Notiz zu Carolin, die das Interview führte: „Der Aktionskünstler Christoph Schlingensief demonstrierte ihr, dass auch gute journalistische Arbeiten manchmal im Papierkorb landen müssen.“ Ja, das war sehr schade, weil das Interview sehr gut war. Im Nachhinein: Wen hättest Du außer Friedman und Sloterdijk gern getroffen? Joschka Fischer. Warum? Einmal, weil er, wie ich, ungarische Vorfahren hat. Er ist ein großer Inszenierungskünstler, ich hätte ihm gern auf den Zahn gefühlt. Und mit Ursula von der Leyen hätte ich auch gern gesprochen. Ich habe selbst eine kleine Tochter und hätte sie gern gefragt, wie das so ist, sich aus der konservativen Ecke heraus für die Emanzipation einzusetzen. Dein Resümee: Was hast du in dem Seminar gelernt? Wenn man auf volles Risiko geht, dann kann man was erreichen. Ich glaube, diese Erfahrung wollten unsere „Chefredakteure“ vermitteln. Pörksen sagte mal: „Leidenschaft lehrt man nur, indem man selber leidenschaftlich ist.“ Foto: privat; kleines Bild auf der Startseite: ap

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