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"Wir wollen entscheiden!"

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Am vergangenen Montag hat der spanische König Juan Carlos nach 39 Jahren im Amt abgedankt. Rechtmäßig soll ihm sein Sohn Felipe auf den Thron nachfolgen - doch am Montagabend versammelten sich spontan zehntausende Menschen in Madrid und anderen spanischen Städten, um für die Abschaffung der Monarchie zu demonstrieren.

Juan Carlos hat nach dem Ende der Franco-Diktatur im Jahr 1975 das Land in die Demokratie geführt, bis heute ist es eine parlamentarische Monarchie. Doch in letzter Zeit häuften sich die Skandale um das spanische Königshaus: die Affären des Königs, seine Elefantenjagd in Botswana, Korruptionsvorwürfe. Mit der Abdankung sahen Befürworter einer Republik ihre Chance, eine Abstimmung über das politische System des Landes zu fordern. Viele schwenkten auf den Straßen die rot-gelb-violette Flagge der spanischen Republik, die vor dem Bürgerkrieg und dem Sieg der Faschisten in den 30er Jahren ausgerufen wurde.

Vor allem viele junge Spanier sind gegen die Monarchie. Wir haben vier Demonstranten aus Madrid und Barcelona gefragt, waum sie auf die Straße gegangen sind und welches Spanien sie sich in Zukunft wünschen.

"Für euch muss das wirken, als ob wir vom Mars sind"

Antonio, 27, freier Journalist aus Madrid

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


"Niemand hätte erwartet, dass der König einfach so zurücktritt. Es war ein tolles Gefühl, mit der republikanischen Flagge auf der Straße zu stehen. Das hatte etwas Historisches, wie vor achtzig Jahren, als die Republik ausgerufen wurde. Man ist einfach Teil dieser Gruppe, und alle denken dasselbe: Wir wollen eine Republik.

Demos sind wir ja seit dem 15-M (die spanische Protestbewegung gegen die herrschende Politik; Anm. d Red.) gewohnt. Es ging auf der Plaza del Sol aber auch schon mal hitziger zu. Jetzt war es relativ ruhig und es ging einfach nur darum zu zeigen, dass wir viele sind.

Eigentlich fordern wir etwas ganz Simples: Wir wollen wählen, wer unser Staatschef ist. Es heißt zwar immer, der König hat nur symbolische Funktionen, aber das stimmt nicht. Er hat schon eine wichtige Rolle. Und dann fährt er mit seiner Geliebten nach Afrika, um Elefanten zu jagen, und es gibt diese ganzen Korruptionsfälle mit seiner Tochter Cristina. Da sind so viele Sachen passiert, die ihn einfach nur lächerlich machen.

Und man muss sich eines mal vor Augen halten: Es war immer klar, wenn Juan Carlos einmal abtritt oder stirbt, wird Felipe der neue König. Dabei ist seine Schwester Elena die Erstgeborene. Dann müsste doch sie die neue Königin werden, oder? Aber Felipe ist eben ein Mann. Das zeigt doch schon: Die Monarchie generell ist eine antiquierte Staatsform, aber hier in Spanien läuft sie auch noch nach total veralteten Gesetzen ab. Absolut widersinnig. Ich glaube, für euch Deutsche oder Franzosen muss das wirken, als ob wir vom Mars sind. Überleg dir das mal: Ihr könnt euren Staatschef demokratisch wählen, wir nicht!

Ich bin generell sehr pessimistisch und ich glaube nicht, dass wir ein Referendum bekommen oder dass es überhaupt eine Debatte über die Abschaffung der Monarchie geben wird. Aber ich hoffe es sehr. Ich weiß zwar nicht ob wir die Mehrheit sind, aber wir sind ein großer Teil der Bevölkerung. Und wir wollen keine Monarchie mehr!"


"Wir bekommen einen jungen König, aber am Ende bleibt alles gleich"


Adolfo, 29, arbeitet bei einem Radiosender aus Madrid

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


"In den Siebzigern hat Juan Carlos Spanien aus der Diktatur in die Demokratie geführt und das war gut so. Aber jetzt sind fast 40 Jahre vergangen. Der König ist das Symbol des bisherigen politischen Systems und das braucht einen radikalen Wandel! Von oben bis unten, von Parteien, über Gewerkschaften bis zu den Medien.

Die jetzige Verfassung wurde 1978 bestimmt. Die große Mehrheit der Spanier, die heute wahlberechtigt sind, hat damals also gar nicht darüber mitentschieden. Viele von uns wollen diesen Moment jetzt ausnutzen, damit wir über eine neue Verfassung bestimmen können. Die Leute sollen wählen ob sie eine Monarchie wollen oder eine Republik oder sonst irgendwas. Ich persönlich finde, die Monarchie ist eine Staatsform aus dem Mittelalter.

Bei den Demos waren alle möglichen Leute da. Kleine Kinder mit ihren Eltern, Jugendliche, Leute mit Anzug und Krawatte, die von der Arbeit kamen, aber auch viele Ältere. Das zeigt doch: Die Leute wollen wählen dürfen. Mit einem gewählten Staatschef wären dann zwar sicher auch nicht alle zufrieden, aber immerhin wäre er nicht automatisch der Sohn seines Vorgängers.

Auf Twitter ging gestern ein Foto rum: Da sieht man König Juan Carlos mit Politikern, die wegen Korruption vor Gericht stehen, Banker die heute im Gefängnis sitzen und so weiter. Der König hat sich mit dieser Oberschicht, mit dieser politischen Kaste gemein gemacht. Er sitzt auf einem Vermögen von zwei Milliarden Euro. Das ist doch eine ganz einfache Rechnung: Wenn sein 'Gehalt' 9 Millionen Euro im Jahr ist und er 40 Jahre auf dem Thron war, dann kommst du nie auf zwei Milliarden. Aber der König ist immun vor dem Gesetz, da wird nicht ermittelt.

Was ich von Felipe halte? Naja, natürlich ist es immer besser, einen jüngeren König zu haben, der nicht diese Vergangenheit und vielleicht einen jüngeren Blick auf die Welt hat. Aber man sollte ihn wählen! Wenn Felipe VI. sagen würde: 'Ich will den Rückhalt der Leute und berufe ein Referendum ein', dann würde er höchsten Respekt und Autorität bei den Leuten genießen und würde so eine Wahl wahrscheinlich gewinnen. Aber sie lassen uns nicht. Dabei ist es das einzige, was wir wollen.

Hier sagt man: 'Alles muss sich verändern, damit alles beim Alten bleibt.' Darum geht es doch am Ende. Wir bekommen jetzt einen jungen König, aber am Ende bleibt alles gleich."


"Es ist schwer, in diesem Land etwas zu verändern"

Hugo, 26, U-Bahn-Fahrer aus Barcelona

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


„Es waren viele Leute bei der Demo auf der Plaça Catalunya. Vor allem jüngere, aber auch ein paar alte. Es lief alles ganz friedlich ab, die Leute haben Sprechchöre für die Republik angestimmt, aber auch für die Unabhängigkeit von Katalonien. Man hat viele republikanische Flaggen gesehen - und natürlich auch viele katalanische. Aber alle, die gestern da waren, sind dafür, dass wir wählen können: Monarchie oder Republik. In einem Referendum oder einer Volksbefragung oder so etwas.

Am Anfang war der König beliebt bei den Leuten. Weil er nach der Diktatur der erste König der Demokratie war. Aber in den letzten Jahren hat er ein paar weniger tolle Dinge getan, da ist viel zusammengekommen: Das mit der Elefantenjagd, die vielen Geliebten, dann wurde sein Schwiegersohn wegen Untreue angeklagt und so weiter. Die Monarchie ist immer unbeliebter geworden.

Von Felipe hört man eigentlich nur Gutes, da gab es bisher keine Skandale wie bei seinem Vater oder seiner Schwester. Aber nur weil er ein guter Junge ist, heißt das nicht, dass die Leute keine Veränderung wollen. Die Monarchie ist veraltet in der heutigen Zeit, vor allem wir jüngeren Leute sehen das so.

Es ist schwer, in diesem Land überhaupt irgendwas zu verändern. Deswegen haben wir demonstriert. Weil wir selbst entscheiden wollen. Es gibt so viele Leute die keine Arbeit haben, denen es echt schlecht geht. Und dann haben wir diese verkrustete Institution, die nur Geld kostet. Man kann eigentlich nur noch darüber lachen. Respektieren kann man sie nicht mehr. Ich bin darum absolut für eine Republik. Aber man sollte auch nicht den Fehler machen, zu denken, dass in einer Republik alles gut wird."


"Ich will nicht in diesem Land bleiben"
Danele, 24, studiert in Barcelona

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


"Ich komme aus dem Baskenland aber ich studiere in Barcelona. Und ich identifiziere mich sehr mit dem, was die Leute hier wollen: Unabhängigkeit. Deshalb war ich bei einer linken katalanischen Demo, die die Unabhängigkeit von Spanien fordert. Wir sind nicht dahin gegangen, um den neuen König zu empfangen, sondern wollten zeigen, dass wir ein Recht haben, selbst über unsere Zukunft zu entscheiden.  

Die Leute bei den Demos waren gut drauf und hoffnungsvoll. Aber ich hatte das Gefühl, jeder will etwas anderes. Die Leute, die mit einer Fahne der spanischen Republik auf die Straße gehen, wollen etwas anderes als die mit der katalanischen Flagge. Ich hab sogar baskische Fahnen gesehen. Aber alle haben gemeinsam gefeiert, dass der König endlich abgedankt hat.

Mir wäre es natürlich auch lieber, Spanien wäre eine Republik und kein Königreich. Aber das ist nicht das, wofür ich kämpfe. Ich gehe nicht für eine spanische Republik auf die Straße, sondern für eine baskische. Aber vielleicht wäre es in einem Spanien ohne Monarchie wenigstens einfacher, unsere Ziele zu erreichen. Ich will nicht in diesem Land bleiben, vor allem nicht so wie es jetzt ist.

Man darf nicht vergessen: Die Monarchie geht ja höchstwahrscheinlich weiter. Es gibt zwar Online-Petitionen, aber ich hätte schon erwartet, dass es richtige Proteste geben würde. Vor allem weil hier in Barcelona in der letzten Woche ein besetztes Haus geräumt wurde und es viel Ärger auf der Straße gab. Aber die Leute haben wirklich mehr gefeiert als protestiert.

Ich glaube, sie haben einfach genug vom derzeitigen politischen System. Aber viele Spanier lieben ihren König trotzdem. Der alte hat einige Fehler gemacht, aber viele denken, dass sich jetzt mit dem neuen König etwas ändert, weil er jünger ist. Aber daran glaube ich nicht.

Im Baskenland sind wir noch nicht so weit, aber hier in Katalonien steht ja im November das Referendum über die Unabhängigkeit bevor. Ich glaube, für viele war die Abdankung einfach eine weitere Gelegenheit, auf die Straße zu gehen und zu zeigen: Wir wollen entscheiden."

Text: maximilian-zierer - Fotos: oH; Elena del Estal (Porträt Adolfo); dpa (Cover)

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