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Die Lieder der Woche: Kissogram, Black Rebel Motorcycle Club, Dinosaur jr., Kilians...

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Lied: „Shuffle Along“ von Kissogram Ausgesucht weil: So tight! Ausgesucht von: Nothing, Sir! (Louisville Records)

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Das Genialische, das diese Band aus Berlin für mich verkörpert, kann ich leider nicht genau erklären. Es ist aber jedem, der auf der Suche nach Auswegen aus dem inzestiösen Muff der alternativen Musikszene sucht, dringend geraten, mal ein bisschen Kissogram zu hören. Das sind nette elektronische Menschen, die früher mal in der Nähe von Techno wohnten, dann aber umgezogen sind und heute eine wirklich interessante Mischung aus neuem Maschinenklang, gutem alten Rhythmus und einfachem Gesang anbieten. Immer wieder entstanden in den letzten Jahren fabelhafte Kissogram-Tracks, die den Rock’n’Roller genauso umtreiben wie das hergelaufene Tanzvolk und im besten Falle, wie die alte Single „Forsaken People“, zu absoluten Glam-Knallern werden. Das neue Album ist nun leider nicht die kugelrunde Paradiesfrucht, die ich erhofft hatte, sondern verliert sich in bisweilen seltsamen Gassen und gelegentlich auch in Langeweile. So wird Kissogram weiterhin eher den Geheimlutscher lutschen, aber stark erotisch ist diese Band trotzdem. Der ausgewählte Shuffle ist so ein reduziertes, cooles Stück Musik, stoisch und arrogant, die Echtheit der Rockgitarren mit der Künstlichkeit des Beats verwoben und, yeah, das klappt bei Kissogram sehr gut. Ich steh’ drauf, das ist so Musik bei der ich ans Tanzen denke. Und daran, dass da bald noch mehr kommt - hier ist der Pop der Zukunft im Briefkasten.

So geht sexy mit Computern - Kissogram live! Lied: „Need Some Air“ von Black Rebel Motorcycle Club Ausgesucht weil: Das genau das ist, was im Duden unter dem Begriff “Rock’n’Roll” zu hören sein sollte Ausgesucht von: Dem neuen Album, das auch sehr rockig heißt: „Baby 81“ (Island)

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Nicht gerade zukunftsorientiert, sondern äußerst traditionell musizieren die Herren Motorrad-Rocker und servieren ein großes Stück vom Gitarrenkuchen. Da gibt’s Gitarrenballaden (sehr gut: „Am I only“), Gitarrenkanonaden und Gitarreneskapaden. So richtig darauf gewartet hat die Welt nach meinem bescheidenen Empfinden nun eigentlich nicht. Umso schöner, dass ich mich unversehens zum ausgesuchten Lied auf dem Schreibtisch wiederfinde und Bewegungen mache, die mindestens seit der ersten Mando-Diao-Platte in der Mottenkiste verstaut waren. Sehr, sehr wuchtige Momente gibt es hier, ganz großer Hallenrock, aber nicht: Stadion. Auf die U2-Attitüde der (doch nicht ganz üblen) letzten Killers-Platte hat der BRMC nämlich zugunsten von ein paar fettigen Haarsträhnen verzichtet und sich einfach seit dem Triumph-Album „Howl“ überhaupt nicht fortentwickelt. Gut so. Makelreicher Rock’n’Roll für vier Jahreszeiten, hart und köstlich, zum laut hören und wahnsinnig werden. Ein gewichtiges Album. Hier ein Eindruck vom ausgewählten Lied - live in Dublin:

Lied: „Crumble“ von Dinosaur jr. Ausgesucht weil: Mann, heul doch, ist doch super. Ausgesucht von: Dem Reunions-Album „Beyond“

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Diese Band, da muss man auch immer erst so eine nostalgische Bugwelle über sich ergießen lassen, bis man das in Ruhe hören kann. Nur kurz: Eine der Bands, die das Heranwachsen in den neunziger Jahren in standesgemäßer (meint: schlechter) Verfassung ermöglicht haben und die es schon ewig (1983) gibt. Eigentlich längst aufgelöst, haben sich nun, hundert Jahre später, die Original-Gründungsmitglieder wieder an ihre Instrumente gestellt und ein neues Album produziert. Was rauskommt klingt auch tatsächlich wie vor hundert Jahren, aber das ist ja eher gut und die Ausnahme bei solchen Dinosaurierer-Revivals. J Mascis, der Frontmann aller Frontmänner, gniedelt sich halbengagiert durch die Gitarrentonleitern, die Rhythmusabteilung drischt so simpel ins großen Becken, als gäbe es noch Holzfällerhemden, die im Takt durchgeschwitzt werden müssten. Schön ist das schon, gerade wenn es ein bisschen gelassener zugeht wie bei „Crumble“, dann ist Mascis und seine Gitarre wieder das Bett, auf das man sich weltenttäuscht stürzt, während die Jugendzimmertür ins Schloss knallt. Vielleicht ist das nur Prägung, dass mich diese Musik zu trösten vermag, vielleicht hat sie aber auch, was die aktuellen Gitarren-Teenies aus Großbritannien eben nicht haben: Schmerz und Sehnsucht und Unzufriedenheit. Das ist schon sehr erstaunlich, da ist null Altherren-Ego, null Emphase oder Muckertum, sondern, tja, immer noch ehrlicher Grunge. Keine Ahnung, ob das heute noch gebraucht wird und ob es noch Ohren gibt, die auch zwei bis drei grenzwertige Soli ins Herz schließen können. Denn die gibt es auch. Lied: „Fight The Start“ von den Kilians Ausgesucht weil: Das ist fei der ihr Hit Ausgesucht von: Der appetitanregenden EP „Fight The Start“

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Von den Veteranen zur U21-Mannschaft des deutschen Indierock. Die Kilians, eine Schülerband aus Dinslaken, sind, das ist zu vernehmen, gewillt im großen „immer jünger, immer wilder“-Contest zwischen Arctic Monkeys und Sugarplum Fairy auch mal den Ball zu kriegen. Manager-Onkel Uhlmann wird da auch mit dem ein oder anderen Rat und Jägermeister zur Hand sein. Diese jungen Jungs also, machen ganz schön viel richtig: Sie kochen ein kleines Backstage-Gerüchte-Süppchen mit gebrochenen Gig-Nasen und kleineren Verhaftungen, drehen mit ihren amtlichen Rockfressen ein hübsch trashiges Video und reichern das Ganze dann erstmal mit einer EP an. Die ist, wie eine EP sein soll: Hat einen richtigen Indiedisco-Hit, einen zweiten „fast genauso gut“-Hit und dann noch zweimal Edel-Ausschuss. So soll das sein, da wird keinem fad, da ist man gespannt, was noch kommt. Lied: „Easy Living“ von The Jakpot Ausgesucht weil: Relaxter Off-Beat-Brit-Chic für junge Menschen mit Hüten Ausgesucht von: Der EP „Turning Point“ (Little Teddy Recordings)

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Das Pendant zu den Kilians, zumindest was die Attribute neu, jung und irgendwie angesagt angeht. Freilich verkaufen Jakpot aus Manchester schon diverse Clubs aus und durften im British-Hype-Karussell auch ein paar Wochen lang vorne im Feuerwehrauto sitzen (Sind da aber schon wieder raus, denke ich). Bei der hier vorliegenden Platte handelt es sich um eine EP, das zweite Erzeugnis der Band, die sommers 2006 zunächst mit einer limitierten und sehr guten Single namens „Too Much Time“ startete. Irgendwie ist aber noch kein passendes Label gefunden, deswegen dauert das full-length Album ein bisschen, was ich ja begrüße, denn schon diese EP kratzt nicht gerade ununterbrochen an der Tür zur Einzigartigkeit. Wäre ich Mitglied bei den Libertines, würde ich schon mal anrufen und fragen, ob man nicht musikalisch ein wenig Abstand nehmen möchte. Wie ich aber gerade gefaxt kriege, sind die Bands befreundet und finden die Ähnlichkeit vielleicht sogar verbindend. Es geht also um jingligen Lad-Pop, gerne Off-Beat, gerne mit so einer heroinsüchtigen Beachboy-Attitüde, schon sehr nett. Die Stimme von Matt Watkins ist aber nicht besonders maßgeblich, und seinen Kompositionen mangelt es an wahnsinnigen Fallgruben wie sie der Doherty aufstellen kann. Blödel-Fazit: Das ist nice to go. Und reicht vermutlich nicht für die ganz große Kurve.

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