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Ente Morrissey und Pophopper The Streets kämpfen um den Wochenthron und Britta warten draußen im Regen

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Lambchop – The Decline Of The Country & Western Civilization (1993-99) (City Slang) Keine Aufregung, ist nur eine Sammlung von B-Seiten und Raritäten aus den neunziger Jahren. Wobei das „nur“ dabei natürlich relativ ist, denn was Kurt Wagners Orchester so nebenbei einspielt, ist in den allermeisten Fällen immer noch trickreicher und komponierter als die Hälfte meines Plattenschrankes. Nichtsdestotrotz ist diese Lieder-Sammlung nur etwas für den Lambchop-Stalker (gibt’s davon eigentlich noch welche?) zu viele Songs, zu weit die Melodienbögen, als dass man sich richtig darein vergucken könnte. Ein Potpourri vertonter Ideen und Vorschläge, mit goldenen Türmchen aber auch vielen unspektakulären Soundbetten.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Morrissey – Ringleader Of The Tormentors (Attack) Es gibt ja eher nur ganz wenige Musiker, bei denen ich ungefähr einmal im Monat denke: Wann kommt endlich das nächste Stück Musik? Morrissey gehörte in den letzten zwei Jahren dazu, seit seinem triumphalen Comeback mit „You Are The Quarry“ eine monströs-zärtliche Platte, die immer weiter wuchs und bei der jedes einzelne Lied letztlich ein Gebirge des Songwritings, des Mitsingings und Gänsehautings wurde. The old man was back again und so sollte es auch mit diesem neuen Werk wieder sein, bütte. Was jetzt vorliegt, ist von der Instrumentierung und der Attitüde her tatsächlich wie das nächste Kapitel im großen romatischen Morrissey-Roman - trotzdem fehlt mir nach den ersten Durchgängen das Gefühl, meine Ohren würden gerade nie gehörte Diamanten auf Robbenbaby-Fell verabreicht bekommen. Homogen und opulent, dekadent und weitschweifig schwelgt sich Morrissey durch die Songs, hat noch mehr Kinderchor und Piano-Pomp eingekauft und noch mehr Altherren- Weltschmerz. Er jauchzt und stöhnt mit viel Gnade und Grandezza, hat aber bis auf das durch und durch grandiose “You Have Killed me“ die Refrainsorgfalt etwas vergessen. So scheint es. Es ist aber bei Morrissey wie bei einer Ente, man muss ihn auch ein bisschen abhängen lassen, damit er reift und ganz perfekt wird. Also immer mal wieder im Hintergrund ein paar Lieder hören und dann, nach zwei Wochen, funktioniert es eben doch wieder: Die neuen Morrissey-Lieder greifen ineinander über wie die Heldentaten in einer alten Smiths-Saga, man leidet mit dem Sexgreis wieder ganz hervorragend mit und summt Zeilen wie „And the Father who must be killed“ beim morgendlichen Rasieren. Vollwertig, ganzheitlich, barock: Morrissey ist immer noch das Maß der Dinge in der Scott-Walker-Klasse.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

The Streets - The Hardest Way To Make An Easy Living (679 / Warner) Anlässlich des universalen Ereignisses das eine neue The Streets-Platte darstellt, muss ich ja mal wieder sagen: Ich hab es mit dem Hiphop nichts so. Ich bin ja eher der Britta-Typ, siehe unten. Trotzdem hat es Mike Skinner schon mit seinem letzten Album irgendwie geschafft, mir jegliches Gähnen und Unverständnis auszutreiben und seine Lieder wunschlos durchzuhören, bis ich irgendwann richtig glücklich damit war und im Club dazu sogar lieber so eine Art Stehtanz versuchte, als mich zu unterhalten. Das gelingt ihm mit diesem neuen Stück Musik genauso, sein Hiphop oder Rap ist so weich, so verständlich und intim, in diesem komischen Gossen-Dialekt, dass er eben doch das entwickelt was mir bei anderen Rap-Produktionen gerne abgeht: Charakter und Atmosphäre. Skinners Talent liegt dabei heute im großen Verzicht auf zu viel und zu weit. Es berzen die Beats immer noch schmucklos und konventionell und es tingelt dazu immer noch nur eine überschaubare Anzahl an Effekt oder Geklimper. Das alles, dieses reduzierte Geplänkel ist immer noch die perfekte Bühne für Mike Skinners Erzählen. Lied für Lied macht er Märchenstunde für Neokids und Gossenchics, in den Hauptrolllehn der Tod, der Glam und berühmte Frauen. Skinners Parolen schnabbeln sich in den Kopf und wenn man dieser Produktion irgendetwas vorwerfen möchte, dann vielleicht: es ist beinahe zu leicht sie zu mögen, es ist wieder ein Dreh mehr Pophop und MTV-pleasing, aber trotzdem noch weit entfernt davon, nicht authentisch zu sein. Wenn ich mir recht überlege könnte Mike Skinner mit dieser Gabe eigentlich der Frank Zappa unserer Generation werden. Hat er aber sicher keinen Bock drauf.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Britta – Das Schöne Leben (Flittchen Records) Britta-Fan zu sein ist ungefähr genauso aufregend wie Bäume zu mögen. Ich bin es aber trotzdem. Die letzten Platten waren schrullige Wundertüten der schlechten Laune, und daran ändert sich auch nichts. Britta sind eigentlich wie Element of Crime, nur von Frauen und deswegen etwas weniger pathetisch. Das erste Lied heißt schon wieder „Depressiver Tag“, am Programm ändert sich also nix, Christiane Rösinger raunzt und quäkt sich abermals durch blöde Lieben und alte Tage und jedes Mal ist es doch wieder nicht so schlimm, weil es ja eh egal ist. Die Gitarren sind runde traurige Mädchenaugen und ans Schlagzeug trommelt der Regen. Immer denke und schreibe ich: Britta sind viel mehr Berlin als der sogenannte Berliner Sound, mit ihrer Abrisstraurigkeit und Vollverzagtheit. Eine wertvolle Band wie ein Dreikornbrot, die konsequent ihr Ouvre strickt und dafür endlich mal mehr Beachtung verdient hätte. Es fehlen auf „Das schöne Leben“ vielleicht rumpelige Hits, wie „Lichtjahre voraus“ von der letzten Pressung einer war. Aber das macht gar nichts, der Liebe „der blöden Kuh“, zu dieser Band, tut das keinen Abbruch. Reinhören kann man auf diesem Weg. Hush – A Liftime (Universal) Das Cover zeigt sinnlich stehende Menschen auf einer Wiese in der Abendsonne, ein Freak wer da etwas anderes erwartet als Pop. Die Dänen machen ja viel Popmusik, diese hier ist eindeutig für die Radioliga produziert. Fast amerikanisches Soulstarlet-Stimmchen mit zartem Gitarrengepicke und Geigengeschrubbe. Die Plattenfirmen stehen drauf und die Radiohörer wahrscheinlich auch, denn es ist souverän und gut komponiert, mit poetischen Klippen und emotionalen Schroffen, mit Oktavsprüngen und Engelschören. Konkurrenz vielleicht, für Nelly Furtado in der Babypause. Ganz schön, aber echt, ich mags halt nicht leiden. Azad – Game Over (Bozz Music) „Game Over“, das kann man schon jetzt sagen, wird ein Streetrap-Klassiker werden. Diese Retrospektive ist Azads stärkstes und emotional tiefgründigstes, aber eben auch ein oft wütendes Album. Der Unterschied zwischen Azad und anderen Rappern des Genres – etwa Bushido – ist eben, dass Azad durch klares, reflektiertes und bewusst hochmütiges Storytelling glaubhaft ist: „Früher ging ich in HL, um Brot und Käse zu klau’n, / heute überleg ich, welchen neuen Mercedes ich kauf.“ Die musikalische Komposition ist in ihrer Klasse allerhöchstens mit Looptroop vergleichbar: Bewusst kombiniert wird der dunkle Azad-Sound mit den kontrastiv-hellen Stimmen von Jonesmann, J-Luv, Cassandra, STI sowie dem kurdischen Sänger Sivan Perwer. Den Höhepunkt stellt das Lied „Weiße Taube“ dar: Xavier Naidoos und Azads Aufruf zum Frieden steht einem militärischen Marschmusik-Beat entgegen. Natürlich wird aber auch der Battlerap, die „Pumpgun-Musik“, nicht ausgespart: „Und wenn eine Line meine Lippen verlässt, / dann nur damit Du kleiner Stricher Hiebe empfängst!“, rappt Azad in Anlehnung an die Söhne Mannheims. (hannes-kerber) Bubba Sparxxx – The Charm (New South/Virgin) “Third time is the charm” – auf diese Redewendung („Alle guten Dinge sind drei“) bezieht sich der Albumtitel und richtig: Das ist das beste Sparxxx-Album. Tiefgründig wie, aber stilistisch runder als „Deliverance“. Fiebrig-wild wie, aber weniger kommerziell als „Dark Days, Bright Nights“. Besonderes Schmankerl ist das von Ex-Sparxxx-Haus-und-Hof-Produzent Timbaland arrangierte Lied „Hey!“. (hannes-kerber) SDP - … nur Musik ist schöner (Berliner Plattenbau) SDP machen eine etwas merkwürdige Mischung aus lustiger Lagerfeuergitarrenmusik (wie J.B.O.) und Großstadtreggae (wie Seeed). Aber die zwei Berliner werden erst dann wirklich interessant sein, wenn sie ihren musikalischen Stil gefunden haben. (hannes-kerber) Außerdem erscheinen diese Woche: The Spinto Band – Nice (Alex The Great Recordings) Fuzzman - dto. (Wohnzimmer Records) Silverbug – Your Permanent Record (Straight On Music) Bearback – Under The Influence (Tuning Spork)

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