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Leichtsinnig - Kuhglocken bekommen im Produzentensessel den Drehwurm!

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Belle & Sebastian – The Life Pursuit (Rough Trade) Am Nervigsten sind Musikrezensionen dann, wenn in ihnen von Produzenten die Rede ist. Davon wie der Typ „hinter den Reglern saß“, der damals zur Zeit der Sezessionskriege schon diese und jene Schellacks gemischt hat. Neuneinhalb von zehn Alben hört man die „Handschrift“ des Produzenten nämlich in etwa so deutlich an, wie die Handschrift desjenigen Typen, der die Wurstsemmeln ins Studio gefahren hat. Manchmal gibt es jedoch Ausnahmen. Bei den Aufnahmen zum neuen, regulär sechsten Album von Belle & Sebastian saß nämlich ein Herr namens Tony Hoffer dort, wo ich mir immer einen dicken Ledersessel vorstelle, in dem man prima rumrollen und sich drehen kann. Hoffer hat unter anderem auch „Midnight Vultures“ von Beck präsentiert und an dieses Album wird man tatsächlich manchmal erinnert, wenn man „The Life Pursuit“ anhört. Gut draufgekommen sind die nachdenklichen Bettkantenträumerle von B&S ja schon mit dem letzten Album „Dear Catastrophe Waitress“, aber diesmal sind noch ein paar funky Bassspuren und Orgelklänge mit in den Teig gewandert; soulvolles Falsetto-Gecroone, Glamrock-Pfauenfedern und ein paar andere Zutaten mehr, die man gar nicht im Rezeptbuch der schüchternen Schotten vermutet hätte. Herausgekommen ist ein Album, das nicht nur auf wundervolle Weise zeitlos ist, sondern auch eine seltsame Sehnsucht nach genau dieser nicht greifbaren Zeit weckt, in der es entstanden sein muss. Mit „The Life Pursuit“ zaubern B&S mit einem Mal wieder auf dem Niveau ihrer frühen Alben „If You’re Feeling Sinister“ und „The Boy With The Arab Strap“. Und wenn man ehrlich ist – darauf hätte doch auch niemand mehr sein Klapprad verwettet.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

b.fleischmann – The Humbucking Coil (Morr Music) Am Allernervigsten sind Musikrezensionen ja dann, wenn sie versuchen, Musik und Jahreszeiten in Bezug zu setzen. „Eine Superduperplatte für den Frühling“ oder „geile Sommermusik fürs Cabrio“ etwa. Oder eine „kuschelige Herbstplatte für gemütliche Abende auf dem Sofa, wenn der Kandiszucker in der Teetasse knistert und die Perserkatze einem sanft um die Beine schmeichelt“. Puh, aber wer solch ein Leben hat, lässt sich vermutlich wirklich gerne vorschreiben, in welcher Haltung und mit welchem Zubehör und Haustier man das neue akustische Verbrechen meinetwegen von Ich & Ich am besten erträgt. Manchmal gibt es jedoch auch hier: Ausnahmen. So würde ich zum Beispiel schon behaupten, dass man ein relativ eindeutiges Ergebnis bekäme, wenn man das neue Fleischmann-Album „The Humbucking Coil“ einer Million Menschen in einem neutralen Raum mittlerer Temperatur vorspielen würde und diese anschließend auf einer Million Fragebögen ankreuzen ließe, an welche Jahreszeit sie das gerade Gehörte denken ließ. Mein Tipp: Über 800 000 Mal käme „Winter“. Aber warum? Vielleicht weil man gelernt hat ruhige, größtenteils instrumentale Musik eher in kühle Jahreszeiten zu schieben, während man im Sommer die Dosenbierpaletten lieber unter dem Beschuss stark verzerrter Punkgitarren zum Festivalgelände schleift? Vielleicht aber auch, weil dieses elektronische Geknarze, das auch auf „The Humbucking Coil“ zu hören ist, einen an Schnee unter den eigenen Schuhen denken lässt, weil alles so eigentümlich gedämpft klingt wie eben die Stadt nachts bei Neuschnee? Neu ist die E-Gitarre im Fleischmannschen Werk, aber der österreichische Electronicasanova springt so lässig mit dem Gerät um, dass man denken könnte, er habe seit Jahren nichts anderes im Arm gehalten. Sogar den Albumtitel hat er nach einer bestimmten Sorte Tonabnehmer gewählt – nach den doppelspuligen, die das Brummen unterdrücken, weniger höhenreich klingen und in der Regel doppelt so breit sind wie die kleinen Single-Coil-Geschwister (für die Mucker, die es gerne ein wenig genauer wissen wollen). Man muss sich eigentlich null komma null anstrengen, um „The Humbucking Coil“ gleich zu mögen. An Masha Qrella denkt man und an Notwist, wenn die mal ein bisschen öfter in südlichen Gefilden Urlaub machen würden. Vielleicht ja mal nach Kuba oder so. Soll ja wahnsinnig schön sein.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Infadels – We Are Not The Infadels (Wall Of Sound / PIAS) Am Allerallernervigsten sind Musikrezension aber natürlich, wenn sie versuchen, zu viel in einen Bandnamen hineinzulesen. Welchen Bezug hat die Band Franz Ferdinand zu Sarajevo? Waren Maximo Park schon einmal in gleichnamiger Pflanzenanlage – oder wissen sie am Ende gar nicht, dass es diese gibt? Wenn die Musiker ehrlich wären, müssten die meisten von ihnen zugeben, dass die Entscheidung für diesen oder jenen Bandnamen darauf basierte, welchen betrunken hingekritzelten Vorschlag man am nächsten Morgen mit brummendem Schädel noch lesen konnte, als man in einem Haufen Zettelchen aufwachte. Aber es gibt natürlich auch hier, sehr richtig, Ausnahmen. Bei den Infadels muss die Frage erlaubt sein, mit welcher Motivation sie sich nach jenen „Ungläubigen“ benannten, die Bin Laden, al-Sarkawi und andere wenig auf freundschaftliches Miteinander bedachte Fachgenossen so gerne anzünden, enthaupten und in die Luft sprengen. Billiger Aufmerksamkeitsgenerator? Tiefsinniger Protest? Oder am Ende nur eine subtilere Form der Mohammed-Karikatur? Die Musik macht es sich bequem in dieser Zweimannhängematte zwischen „mittelinteressant“ und „leicht öde“. Diese Mischung aus Indierock und Elektronik mit dem immergleichen Schlagzeugbeat und der stoisch durchgeprügelten Kuhglocke hat man seit Radio 4 von schon ein paar Mal zu oft gehört.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Tiga – Sexor (Different / PIAS) Das lang erwartete echtes-Album-Debüt vom Posterboy der viel geschmähten Electroclash-Bewegung. Macht über weite Strecken gute Laune, die Langeweile-Einsprengsel bleiben aber durchaus wahrnehmbar. Und an seine Version von „Hot in Herre“ kommt leider nichts auf dem ganzen „Sexor“-Album heran.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Suburban Kids With Biblical Names – #3 (Labrador Records) Optisch wie akustisch wie geographisch nah dran an den Kings of Convenience. So nah sogar, dass man sich nicht ganz sicher ist, ob Hommage oder Satire. Aber dieser hübsche Seiltanz ist ja schon wieder eine hohe Kunst für sich. Außerdem sind erschienen: 65daysofstatic – One Time For All Time (Monotreme / Cargo) Arctic Death Ship – Kimono (Bad Taste / RTD) Automartik – Wir f***en immer noch alles (Amstaff) beNUTS – A Fistful of Offbeat EP (Rockwerk Records) Delaware – Lost In The Innocence Of Beauty (Strange Ways) Dr. Israel pres. Dreadtone Int. – Patterns Of War (Roir) Gamine – Sabotage (Flower Shop Records / RTD) In Extremo – Raue Spree 2005 My Dying Bride – Songs of Darkness Words of Light (Peaceville) OST – Casanova (Virgin) Pyranja – Laut und leise (Pyranja) TQ – Listen (Pinnacle / Nice Tunes) Two Gallants – What The Toll Tells (Saddle Creek / Indigo)

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