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Tocotronic Jede Woche stellen wir an dieser Stelle einige CDs vor, die diese Woche erscheinen. Nicht unbedingt die besten, nicht unbedingt die schlechtesten - sondern einfach die, die wir erwähnenswert finden. Tocotronic „Pure Verunft darf niemals siegen“ (L’age D’or) Diverse – OST Blade Trinity (Silva Screen) LCD Soundsystem –LCD Soundsystem (DFA/Emi) Diese Band ist dermaßen belastet. Kein Musikmensch, der nicht ein Kästchen herumträgt, mit einer detaillierten Tocotronic-Meinung drin. Diese Meinung ist: Liebe oder Hass. Und sehr oft heute: plumpe Nostalgie. Die Tocotronic von früher, diese andere, laute Band mit Slogans, die richtig klangen, die sind ja weg. Schon seit K.O.O.K (in meinen Ohren übrigens das beste Album) ist die Band eine andere. Die Gitarren, die Elektronik, der Gesang: alles feiner, logischer, erwachsener. Das unbetitelte weiße Album nach K.O.O.K. wurde das klanggewordene Manifest dieser Entwicklung: ein hygienisch schönes Stück Rock (warum eigentlich nicht: Pop?), dezent abgehoben, dezent mythisch. Jedenfalls schön weit weg vom Trainingsjackenmief. Zwei Jahre ist das her, jetzt liegt „Pure Vernunft darf niemals siegen“ vor. Man hält es in der Hand und erwartet eine Warte, und zwar eine neue, auf der diese wandernde Band diesmal angekommen ist. Was man dann hört, ist aber erst mal eine gute langweilige Platte. Sie fließt wie ein Fluss in einem Kanal: ruhig, gerade, einbetoniert und schnörkellos. Erst nach mehreren Durchläufen sind da tiefere Stellen. Schwimmen da Textzeilen und Gitarrenmomente gegen den Strom. Und mittendrin das Lied „Der achte Ozean“, das sehr schön ist. Zurückhaltend wird musiziert, trotz zusätzlicher Gitarre. Melodien zielen hier eher auf Langlebigkeit als auf den schnellen Erfolg, ähnlich wie beim Vorgänger, wenn auch die „pure Vernunft“ nicht mehr so künstlich sein möchte. Leider klingt es manchmal doch, als müsste sich hier jemand angestrengt an das Menschlich-Sein erinnern. Die Texte, über die man ja auch immer unbedingt sprechen muss, sind überwiegend aus dem Lexikon des Abstrakten bestückt. Trotzdem: Slogans galore! („Aber hier leben, Nein Danke!“ / „Keine Angst für Niemand“ / „Feinen Menschen muss man geben was sie wünschen“) Die Platte läuft immer, immer, immer, sie kann das. Oder besser: Sie fließt immer vorbei. Und man stürzt sich schließlich gern und sorglos hinein. Es ist nur anfangs etwas kühl. Und wer sich nicht mehr darin treiben lassen will, kann an jeder Stelle ohne Angabe von Gründen aussteigen. Das ist der einzige Kritikpunkt an der hochkonzentrierten, siebten Platte von Tocotronic. Leichter wird’s mit der nächsten Scheibe. Original Motion Picture Soundtrack „Blade Trinity” steht vorne drauf. Und „Parental ADVISORY Explict Content”. Und hinten lauter Namen wie Ghostface Killah, Old Dirty Bastard und so. Gut, das ist der Soundtrack für einen Actionfilm mit Wesley Snipes. Das bedeutet jede Menge spannungsfördernd dengelnde Intros, cooles Gerappe, explodierendes Getrommel – so wie sie sich das für Hollywood eben gut anhört. Pillepalle. Weiter. Jedes Jahr gibt es ein Dance-Album, auf das sich für kurze Zeit alle einigen können. Und das im nächsten Jahr dann schon wieder keiner mehr kapiert. Bestes Beispiel: Fatboy Slim mit „You’ve come a long way, baby“. Heißester Anwärter für diese Amt in 2005 ist jetzt schon das LCD Soundsystem mit seinem Doppelalbum. Die internationale Tanzboden-Szene kennt diverse Tracks schon, das Verdienst des Produzententeams dfa aus New York ist es, dass man sie jetzt kompiliert mit sich rumtragen kann und auch zuhause damit rumknallen. Was da knallt, ist nichts Neues: Ein straighter, gar nicht mal so flotter Trip’n-Bass-Househop-Clash-Beat. Dazu eine eindringliche klare Männerstimme, die trashsexy Texte singspricht und ab und zu elektropunkig verzerrten Gitarren den Vortritt lässt. Diese Zutaten allein machen kein Konsensalbum. Es ist das exakte Gefühl von James Murphy und Andy Wallace für den richtigen Kickpoint, die gute Snare, das perfekte Smooth, das hier dermaßen euphorisiert. Aber, wie gesagt, bald wird das schon wieder keiner mehr kapieren.

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