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Ryan Adams nackt

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Foto: James Minchin III / Mercury Records An einem Montag kurz vor Mitternacht, in einer Schwabinger Kneipe. Der stadtbekannte Indie-DJ referiert trunken, das Weinglas in der Hand, über das abgelaufene Musikjahr. Schwer kommen ihm die Bandnamen über die Lippen, müde lobt er dieses und jenes Album. Schließlich ist er bei den Songwritern angelangt: Ron Sexsmith, Ben Folds, Rufus Wainwright - alles okay, aber..., seine Stimme senkt sich, den Kopf legt er mit geschlossenen Augen in den Nacken, die Arme ausgebreitet, als müsste er ein herabschwebendes Baby wiegen. Alle am Tisch hören hin. „Der beste lebende Songwriter“, flüstert der DJ. „Wer, wer?“, schreit die Tischrunde. Auch die Kellnerin bleibt stehen. „Ryan“, haucht er. Stille. Alle nicken vielsagend, aber alle haben Ryan in ihren Jahres Top-Ten vergessen. Dabei tat Ryan Adams 2005 alles für Präsenz. Er hat unwahrscheinliche drei Platten gemacht und jede hätte für sich genommen schon genug Tiefgang für Jahre gehabt. „Cold Roses“, im Mai erschienen, war gar ein Doppelalbum, das weite Teile der Plattensammlung einfach überflüssig machte, so konzentriert und gut war die Popmelancholie, die der 31-Jährige mit den Cardinals, seiner Band, rausknallte. Ryan Adams ist so einer, der nicht nur die Abfahrt sondern immer auch die Kombination gewinnt. Er brilliert in unterschiedlichen Disziplinen. Er kann Pop, er kann natürlich Rock’n Roll und im Herbst schnürte er auf „Jacksonville City Nights“ wie nebenbei ein genialisch rumpelndes Country-Paket. Nun schließt die RY-Jahrestrilogie mit dem ruhigen „29“ ab. Ryan Adams steht dazu erstmals seit zwölf Monaten wieder ganz alleine im Studio, singt und zupft. Die Lieder sind so sorgfältig arrangiert, als hätte er Jahre dafür Zeit gehabt. Genau das unterscheidet ihn von den anderen. Er verleiht seiner Musik deart mühelos Größe, dass man mit dem Herz kaum hinterher kommt. Vielleicht überschätzt er seine Hörer, weil sie seinen Parforceritt nicht mitgehen können. Vielleicht kann man nicht jedes Ryan Adams-Werk lieben, aus dem gleichen Grund, aus dem man nicht jeden Tag Geburtstag feiert. „29“ wird nicht als sein größtes Werk im Klassenbuch stehen. Es ist wie der kleine Kuss danach. Zurückgenommen, vertrauensvoll - klassische Singer-Songwritermusik ohne Schnörkel. Ryan Adams nackt, wenn man so will, auch wenn man seinen Kopf nicht ausziehen kann. Jedenfalls gilt es auf „29“ keine Schlacht zu gewinnen, nur ein Lächeln. „Blue Sky Blues“, „Voices“ – traurige, charakterstarke Lieder, die klingen als hätte Ryan Adams beim Komponieren gesagt: „Hey, dieses Jahr war der Hammer, ich habe zwei universale Platten gemacht, da muss ich erst mal von runterkommen.“ Ryan Adams kommt runter, und holt den Hörer damit rauf. Netter Typ, verdammtes Genie. Ryan Adams, „29“ , erscheint am 6. Januar bei Mercury/Universal.

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