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Tragisch - Sektwangige Wollmützen shanghaien die dicke Freundin der Waldelfen!

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Arctic Monkeys – Whatever You Say I Am, That’s What I’m Not (Domino) Die Szenen waren tragisch, die sich vor der Tür beim Arctic-Monkeys-Konzert in München abspielten: Junge Skandinavierinnen, die nach hundert-Mal-in-anderen-Billigflieger-umsteigen nach Deutschland gekommen waren, hatten an alles gedacht: Hochgepitchtes Fantum, rote Sektwangen und derbe Dringlichkeit in der Stimme. Leider vergessen: Die Tickets. Die tobenden Engländer, die sich drinnen bereits vergnügten, hatten daran gedacht. Wie geil ist das denn auch – eine Band, die Zuhause schon auf Nummer eins ist und die großen Hallen vollmacht, nur einen Ryan-Air-Flug entfernt noch einmal in einem Miniclub sehen zu können? Und während das Konzert noch ein wenig Anlass zur Skepsis bot (zu ähnlich die Songs, zu durchgeholzt das Tempo), ist das Album der blutjungen Bluthunde nicht weniger als sehr sehr gut. Morgens meiner Meinung nach unhörbar, weil sie einen in manchen Momenten so schüttelt und gegen die Wand knallt, dass es mir in verschlafenen Zustand eindeutig zu viel ist. Aber wenn das Nachtleben ruft und man von des Tages Gram zermürbt sich schon Watte in die Ohren stopfen und die Wolldecke über den plötzlich schlohweiß gewordenen Schopf ziehen will – dann kommt dieses Rütteln und Schütteln gerade richtig. „Whatever You Say ...“ kann nur ein Debütalbum sein. Denn es ist voll von jungem Übungskellerfrust: Statt Plätzen auf der Gästeliste nur Demütigungen vom Türsteher, das gute Mädchen geht statt mit einem selbst mit dem Trottel mit, die Polizei fragt, ob man nicht noch zu jung sei zum Trinken – dabei ist das doch immer noch besser als mit den anderen Koksidioten vor den Toiletten zu stehen. Fazit: Arctic Monkeys sind – entgegen der Erwartung nach besagtem Konzert – keine der zahlreichen englischen Bands, die außer zwei guten Singles und jeder Menge Attitüden nicht zu bieten haben. Au fuckin´ contraire. Und als Freund des pfiffigen Songtitels, weiß man es natürlich zu schätzen, wenn eine Band ein Lied mit dem Refrainschrei „All you people are vampiiiiires!“ ganz nonchalant „perhaps vampires is a bit strong but..“ nennt. Hier kann man sich die beiden Videos „I Bet You Look Good On The Dancefloor“ und „When The Sun Goes Down“ (im Internet früher noch als “Scummy” im Umlauf) ansehen .

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Clap Your Hands Say Yeah – Clap Your Hands Say Yeah (Cooperativ / RTD) Neben den Polaraffen und Morningwood eine weitere Band, die einen Großteil ihrer Bugwelle dem Internet, diesem niedliche kleinen Teufelsmedium, verdankt. Denn wenn es 2005 einen Metatrend im Bereich Musik gab, dann wohl die Tatsache, dass the artist formerly known as ARPAnet nicht nur die Art verändert hat, wie Musik vertrieben und konsumiert wird (Track statt Album, umsonst statt gekauft, 128 kBit statt Hi-End) – sondern auch die Art, wie Marketing gemacht wird, wie Bands bekannt werden, wie man sich gegenseitig geschmacklich berät und so weiter. Längst hat sich herausgestellt, dass eine Bands MP3s verschenken kann, wie sie will und trotzdem noch CDs verkauft – teilweise sogar von demselben Song. Clap Your Hands Say Yeah sind aber nicht nur eine Internetband, sondern auch eine Kritikerband. Das hat eine Reihe von Ursachen: Die Musik des Brooklyn-Fünfers hat genau die richtige Mischung aus Zitierwut und Eigenständigkeit, dass jeder Rezensent seine fünf Lieblingsbands als Vergleichsgröße aus der Obskurität zerren und gleichzeitig betonen kann, dass CYHSY diese Bands, die außer ihm keiner kennt, natürlich so geschickt zu einem Amalgam verschmelzen, dass wieder etwas völlig Neues entsteht. Dazu Abhandlungen darüber, ob die Gesangsstimme jetzt wirklich wie die der Talking Heads klingt oder nicht. Und zuguterletzt kann durch die verschleppte Internet-Inkubation jeder unwiderlegbar behaupten, er habe die Band „schon vor Ewigkeiten entdeckt“. Das alles macht aber nichts, denn das Debütalbum von CYHSY ist eines, an dem fast alles passt. Und das sicherlich trotzdem in den Jahrespolls 2006 von allen wieder vergessen wird, weil es eben schon im Januar rauskommt. Ach ja, die alten Klatschbasen aus New York halten dem Internet natürlich die Treue und laden auch vom neuen Album wieder Songs wie “Upon This Tidal Wave of Young Blood“ und „Over and Over Again (Lost and Found)“ hoch. Und auf myspace.com kann man sich angucken, wie sich über 12000 Leute mit einer Band anfreunden. Und jetzt alle: Wenn du weißt, dass du gerettet bist, dann klatsch!

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Cockbirds – Superdanke (Staatsakt) Wem sie Arctic Monkeys zu soft sind, lässt sich von den Cockbirds mit frisch angezogenen Shitkickers den Hintern bearbeiten. Die Cockbirds sind ein honoriges Allstar-Projekt mit (Ex-)Mitgliedern von Die Türen, Surrogat, Novotny TV sowie diversen anderen einschlägig vorbestraften Szenepanzerknackern. Rotziges Punk-Geballer mit smarten Texten über Universal-Mitarbeiter und andere Härtefälle zwischen hipper Mitte und Lifestylelinke. Klingt manchmal so, als hätten Dackelblut Ray Manzarek ge-shanghait – und ist inmitten der Big Names diese Woche so etwas wie die angenehme Premiumüberraschung. Hier kann man zwei Albumtracks sowie die gesamte erste 7“-Single (noch auf dem bandeigenen Cockain-Label erschienen) anhören.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Bolzplatz Heroes – Bolzplatz Heroes (Universal) Eine weitere Allstar-Band, die sich jedoch dagegen wehrt, Allstarband genannt zu werden. Die Schlagzeuger Sportfreunde-Flo und Notwist-Mecki haben sich mit einem Spielsüchtigen aus dem Cosmic Casino und einem undankbaren Vierten, der sicher immer vergessen wird, zusammengetan. Jetzt spielen sie ehrlich-erdigen Crossover, der nach Grasnarbe und Wollmütze schmeckt, wie er in den Neunziger Jahren übers Land und vorzugsweise ebendortdrüber bretterte. Das zu spielen macht sicherlich viel Spaß. Es sich anzuhören, macht mir persönlich deutlich weniger Freude. Vielleicht ist es ja ganz gut, dass die Neunziger im Jahr 2006 endgültig vorbei sind. Reicht ja, wenn Henry Rollins musikalisch auf diesem Trip hängen bleibt. Das Video und ein MP3 zu dem Song „Solo Morasso“ findet man im übrigen hier

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Stereo Total – Discotheque (Disko B / Indigo) „Halt so ´ne Sache” ist es ja immer mit diesen topmodischen Remix-Alben. Auf „Discotheque“ wird unter anderem das letzte Stereo-Total-Album „Do The Bambi“ einem Jenni-Jones-Makeover unterzogen und all die Licht-und-Schatten-Metaphern, die man bei den anderen Remixalben von Bloc Party bis damals „Bambule“ schon so trefflich verschweißen konnte, passen auch hier wieder. Wie sollte es auch anders sein, wenn man gut ein Dutzend unterschiedliche Knöpfchendreher auf die Songs loslässt. Schön ist der Munk-Edit von „Troglodyten“ und der Justus-Köhnke-Remix von „Das erste Mal“. Aber im Grunde gefallen mir die selbst bearbeiteten Stücke „Europa Neurotisch“ und „Babystrich“ sowie das Brezel-Solostück „Bad News From The Stars“ fast am besten.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Richard Ashcroft – Songs To The World (Parlophone / EMI) Getragene Hymnen vom hageren Zauberer der Herzen, der beim Münchner Coldplay-Konzert Angst vor dem öffentlichen Kiffen hatte – und kürzlich allen ernstes den Dreischritt Ashcroft = Gallagher = Christus aufstellte. Nicht unbedingt das nötigste Album der Woche, wird einem aber, so man eine gewisse Klischeehaftigkeit und Selbstreferenzialität aushält, das ganze Jahr über immer wieder viel Freude machen wird. AK 4711 – Erste Hilfe (Grönland / EMI) Schwer erträglicher Mist, mit dem eine imaginäre Zielgruppe zwischen Mia., Tokio Hotel und anderen Bands mit dreifarbigen Frisuren abgefischt werden soll. Scheinbar menschliche Geste: Die Dicke, die seit Jahren mit der hübschen „Frontfrau“ befreundet ist, darf weiterhin mitmachen – muss sich auf den Fotos halt nur nach hinten stellen. Cat Power – The Greatest (Matador) Weniger lofi-knarzig als bislang, was puristische Fans enttäuscht. Cat-Power-Powerfan caroline-vonlowtzow hält der Katzendame trotzdem die Treue. Bondage Fairies – What You Didn’t Know When You Hired Me (Hit Thing / Indigo) Benannt nach einem durchgeknallten Erotik-Manga, in dem kleine Waldelfen in engen Lederklamotten Sex mit Maulwürfen, Hirschkäfern und anderen Tieren des Waldes haben. Sowohl Comics als auch Musik (Schwedischer Nintendo-Pop mit Indieronie-Lyrics) sind ziemlich lustig. Außerdem sind diese Woche erschienen: 78plus – Im Denkturm (Pararecordings) A Certain Frank – Wildlife (Atat Tak) Copenhagen - Sweet Dreams (Fower Shop / RTD) Cristobal Repetto – Cristobal Repetto (Deutsche Grammophon) Erwin Thomas – Song From My Apartment (Quartermain) Film School – Film School (Beggars Banquet / Indigo) Jackie-O Motherfucker – Flags of the Sacred Harp (All Tomorrow’s Party Rec. / RTD) Some Girls – Heaven’s Pregnant Teens (Epitaph) The Fallout Theory – So Happy You’re Not Here (Lockjaw) TV Smith! – Misinformation Overload (edel)

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