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Zähne ziehen am anderen Ende der Welt

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Wer in Nepal geboren wird, hat es nicht leicht. Der Staat im Südosten Asiens gehört zu den ärmsten der Welt. Das Land wird immer wieder von Naturkatastrophen heimgesucht, nach dem schweren Erdbeben von 2015  gibt es im ganzen Land immer noch viele kaputte Häuser und unpassierbare Straßen. Das Gesundheitssystem in Nepal gehört zu den schlechtesten der Welt. Statistisch gesehen kommen dort ungefähr 25.000 Patienten auf einen einzigen Arzt. 

Seit vielen Jahren schicken deshalb Hilfsorganisationen immer wieder junge Ärzte in das Land, um der Bevölkerung zu helfen. Matthias, Andreas und Markus, drei junge Zahnärzte aus München, sind vier Wochen zu Fuß durch das Manang-Tal in Nepal gewandert und haben dort Dorfbewohner zahnärztlich behandelt. Ein Kamerateam hat sie dabei begleitet.

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Die drei Zahnärzte Andreas, Markus und Matthias (v. l. n. r.) mit ihren jungen Patienten in Nepal.

Foto: Upclose Pictures

Andreas und Matthias*, warum gibt es in Nepal eigentlich so wenig Zahnärzte?

Andreas: Zum einen sind die strukturellen Bedingungen sehr schlecht. In der Regierung herrscht Korruption und es gibt kein vernünftiges Gesundheitssystem. Zum anderen erschwert die Geographie die medizinische Versorgung. Es gibt kaum Verkehrswege in die Berge, in denen aber viele Leute leben. In den Dörfern, in denen wir unterwegs waren, müssen die Menschen teilweise eine Woche zu Fuß zum nächsten Arzt laufen, wenn sie krank sind.

Matthias: In Nepal gibt es auch immer wieder große Naturkatastrophen. Viele Deutsche haben sicher noch die Bilder von 2015 im Kopf, als das letzte schlimme Erdbeben dort war. Wir haben immer noch große Schäden davon auf unserer Reise gesehen.

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Foto: Upclose Pictures

Das ist leider in vielen armen Ländern dieser Welt so. Wie kamt ihr darauf, gerade in Nepal umherzuwandern, um Menschen zahnärztlich zu versorgen?

Andreas: Ein Freund hat mir von einer Health Care Station der Schongau Nepal Initiative im Manang-Tal erzählt. Dort werden die Menschen aus den umliegenden Dörfern medizinisch versorgt. Leider ist dort aber fast nie Personal anwesend. Da steht sogar ein alter Zahnarztstuhl rum, aber eben keine Zahnärzte. 

Matthias: Wir alle waren schon in unterschiedlichen Hilfsprojekten unterwegs, zum Beispiel auf den Philippinen oder auf Tonga. Als Andreas dem Markus und mir von dem Projekt erzählt hat, hatten wir sofort Bock darauf.

Ihr seid dann mit einem Kamerateam nach Kathmandu geflogen. Habt ihr dort nepalesische Zahnärzte kennen gelernt?

Matthias: Ja, wir waren bei einem Zahnarzt in der Praxis. Der hat aber keine Ausbildung oder so, er hat uns erzählt, dass er eigentlich Satellitentechnik in Georgien studiert hat (lacht). Weil er darauf keine Lust mehr hatte und weil sein Großvater auch Zahnarzt war, hat er dann seine Praxis aufgemacht.

Andreas: Wir haben jetzt keine Patienten von ihm gesehen, aber er hatte auf jeden Fall Ahnung, was er macht. Das war schon vergleichbar mit südlichen europäischen Ländern. In denen ist die Versorgung lange nicht so gut ist wie bei uns, aber immerhin.

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Foto: Upclose Pictures

Im Film erzählt ihr, dass ihr über 90 Kilo Gepäck dabei hattet. Habt ihr das alles zu Fuß in die Berge getragen?

Matthias: Außer uns drei Ärzten waren noch drei Filmleute und ein Guide dabei. In Nepal gibt es viele junge Menschen, die als Lastenträger für Touristen arbeiten. Von denen hatten wir auch noch fünf dabei, ohne sie hätten wir niemals unser Equipment dort hoch bekommen. Wir hatten selbst jeder um die 18 Kilogramm Gepäck auf dem Rücken. 

Euer Ziel war die Health Care Station bei Humde im Annapurna-Gebiet. Wie waren die medizinischen Gerätschaften, die ihr dort vorgefunden habt?

Andreas: Leider schlechter als gedacht. Die ersten zwei Tage haben wir nur damit verbracht, die Sachen zu reparieren. Essentielle Dinge, die du als Zahnarzt einfach brauchst, haben nicht funktioniert. Wenn man zum Beispiel bohrt, kommt viel Spucke und Blut. Die musst du absaugen, sonst kannst du schlecht weitermachen. Der Sauger in der Health Care Station hat nicht funktioniert, wir haben ihn aber reparieren können.

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Foto: Upclose Pictures

Ihr wart vier Wochen unterwegs. Wie viele Leute habt ihr insgesamt behandelt?

Andreas: Um die hundert Menschen. Wir haben die Kinder in der Schule behandelt und viele Erwachsene aus den umliegenden Dörfern. Die meisten hatten krasse Karies und echt schlimme Schmerzen, da wäre man in Deutschland schon lange zum Zahnarzt gegangen.

Matthias: Wir hätten gerne mehr Menschen behandelt. Schon auf dem Weg hoch in die Berge haben wir viele Leute mit schlimmen Zähnen gesehen. Leider war es uns aber nicht möglich unterwegs zu behandeln, dazu hat einfach das Equipment vor Ort gefehlt.

Wie fühlt man sich als deutscher Mediziner, wenn man die Lage dort sieht?

Matthias: Es war schon krass, mit welchen Zuständen im Mund die Leute dort rumlaufen müssen. Vor allem bei Kindern würde es in Deutschland gar nicht soweit kommen, dafür ist unsere Versorgung viel zu gut. Man merkt, was für ein Glück wir haben, dass wir zufällig in Deutschland geboren wurden.

Andreas: Fachlich gesehen war es sehr interessant so reduziert zu arbeiten, was das Team und die Technik angeht. Man muss die weit entwickelte Zahnmedizin, die man gelernt hat, auf das Nötigste runterbrechen. Das hat uns alle sicher auch weitergebracht. Wir sind froh, dass wir mit dem, was wir gelernt haben, den Menschen dort ein bisschen helfen konnten.

Der Film „Annapurna Flossing“ kommt im Herbst in die Kinos.

*Markus, der dritte Zahnarzt, hatte leider zum Zeitpunkt des Interviews einen beruflichen Termin.

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