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Not really fantastic - Plastic

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Rund 4.000 Kilometer vor der amerikanischen Ostküste gelegen gelten Hawaii und der die Inselgruppe umgebende Pazifik vielen Menschen als Inbegriff des "Himmels auf Erden". Man muss kein Surfer sein, um der Faszination der Inselkette zu erliegen; Menschen wie der Musiker Jack Johnson (auch wenn man ihn sich vielleicht ein wenig überhört haben könnte) kommen aus Hawaii – die entspannte Ruhe, die zumindest ich in seinen Songs gehört habe, als sie weit oben auf meinen Playlists standen, muss etwas mit diesem Ort zu tun haben, an dem die Welt wohl noch ziemlich in Ordnung ist. Jetzt stelle man sich aber mal vor, man reiste als naturliebender Tourist auf die Inseln seiner Träume und sehe aus dem Flugzeugfenster folgendes Bild: eine schwimmende Insel, so groß wie Mitteleuropa – aus Plastik. Mitten im Pazifik, wo eigentlich nichts außer Wasser zu sein hat! Das ist keine Spinnerei, denn diese Insel gibt es tatsächlich. Sie ist so groß wie Deutschland, Österreich, Tschechien, Polen, Luxemburg, Ungarn und die Schweiz zusammen, wiegt schlanke drei Millionen Tonnen und hat zumindest in gut informierten Kreisen eine traurige Berühmtheit erlangt. Auch wenn jede Fluglinie der Welt alles in ihrer Macht stehende tun wird, um ihren Passagieren den oben beschriebenen Anblick zu ersparen, so lässt sich die Tatsache, dass die Welt ein Müllproblem hat und welche Ausmaße dieses mittlerweile angenommen hat, kaum eindrucksvoller beschreiben. Sicherlich gibt es auch weniger abgelegene Orte, an denen sichtbar wird, wie viel Plastikmüll überall in der Weltgeschichte "herumfliegt" – eigentlich liegt an jedem Strand, an den ich mich erinnere, zwischen dem normalen Seegut jede Menge sichtbarer Müll. Waren es in Italien in der Hauptsache vom Seegang geschliffene Kachel- und Glasstückchen, war ich in Marokko kurz davor zu glauben, das Land gefunden zu haben, in dem die Plastiktüten und –flaschen auf Bäumen und Sträuchern wachsen. Das alles landet über kurz oder lang im Meer und wird dort mit der Zeit zu immer kleineren Partikeln zerhackstückt, die irgendwann dann so klein sind, dass man sie nicht mehr erkennen kann – was leider keinesfalls zu bedeuten hätte, sie wären nicht mehr da. Im Gegenteil: In vor der kalifornischen Küste entnommenen Wasserproben fanden sich zweieinhalb mal mehr Plastikstücke als Plankton, nordöstlich von Hawaii sogar sechsmal so viele; diese Art Abfall, die nur unterm Mikroskop zu erkennen ist, ist zwar kein ästhetisches Problem – dafür aber umso heikler. Relativ plausibel ist, dass die Minipartikel in irgendeiner Form Einzug in die Nahrungskette finden und somit am Ende des Tages auf unseren Tellern und in unseren Mägen landen. Und was uns nicht bekommt, das kann auch den Fischbeständen, Meeressäugern und sonstigen Bewohnern der Ozeane nicht gut tun – von den weiteren negativen Effekten, die der Plastikmüll in den Weltmeeren verursacht ganz zu schweigen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Helfen kann hier im Grunde genommen nur zweierlei: Zum einen muss das Plastik, das sich bereits in den Meeren befindet, gesammelt, entfernt und sinnvoll entsorgt bzw. recycelt werden. Natürlich ist es außerdem sinnvoll, eine weitere Verseuchung der Meere mit Plastikabfällen so weit wie möglich verhindern, was bekanntlich am besten funktioniert, wenn eben solcher Müll gar nicht erst entsteht. Wie aber kriegt man das Plastik, das sich bereits im Meer befindet wieder raus? Bei den genannten, mikroskopisch kleinen Partikeln wird es schwierig; wahrscheinlich ist hier, zumindest mit den heute zur Verfügung stehenden Methoden, das Kind bereits in den Brunnen gefallen. Größere Stücke Plastikmüll gehen aber zum Beispiel beim Fischfang regelmäßig als so genannter "Beifang" in die Netze. Üblicherweise wird der Beifang gleich auf See aussortiert und wieder zurück ins Meer gekippt. Wozu den knappen Stauraum auf einem Trawler mit Müll zustopfen, den eh keiner haben will? Aber Moment: was wäre denn, wenn man den Fischern den von ihnen zusammengetragenen Müll abkaufen würde? Wenn es sich auch finanziell lohnte, den Beifang an Land zu bringen und einer geordneten Weiterverwertung zuzuführen? Eine Idee, die zugegebenermaßen nicht wir hatten, sondern die Initiatoren von Green Ocean. In den italienischen Städten Calambrone und Livorno hat Green Ocean Container aufstellen lassen und kauft den Fischern sofort im Hafen ihren Plastikbeifang ab; anschließend wird dieser ordnungsgemäß entsorgt. Ziel der Organisation ist außerdem, Fakten über den Zustand vor, während und nach der Aktion zu ermitteln und eine wissenschaftlich Grundlage anhand exakter Daten über die abgelieferte Menge und Beschaffenheit des Mülls zu schaffen. Mittelfristig soll diese von Green Ocean avisierte Art der Müllbeseitigung, so zumindest der Wunsch der Initiatoren, die bereits 60 Universitäten für ihren Ansatz gewinnen konnten, in den EU Richtlinien verankert werden.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

[i]Foto: green-ocean.org[/i] Wie sieht es aber mit der Vermeidung künftigen Plastikmülls aus? Hier braucht es keine EU-Richtlinien und keine internationalen Übereinkünfte, denn hier ist schließlich jeder selber gefragt. Wieder einmal beschließe ich, von mir auszugehen und meinen Plastikkonsum zu überprüfen. Ich will mich hier nicht mit falschen Lorbeeren schmücken: Ich kaufe nicht nur im Bioladen und bin manchmal einfach mehr faul als p.c. – trotzdem: ohne großen Vorsatz landet bei mir hauptsächlich Frischware im Einkaufswagen und die überflüssigen Umverpackungen entsorge ich prinzipiell vor Ort und sei es nur, um die Hersteller indirekt so dauerhaft zu nerven, dass sie das endlich mal sein lassen, mit den praktischen fünf Packs für unterwegs in der inneren Umverpackung im Karton, der dann sicherheitshalber nochmal eingeschweißt ist. Meistens habe ich sowieso eine Tasche dabei, in der ich all meinen Plunder mit mir herumschleppe, den ich meine über den Tag zu brauchen – meine Einkäufe passen da für gewöhnlich noch gut mit rein. Nun aber das Supermarkt-Experiment. An der Fleischtheke: Ich kaufe ein halbes Pfund Gehacktes – das kommt erst auf eine Plastikfolie, dann kommt eine Klarsichtfolie drauf, und das Ganze landet dann in einer Plastiktüte. Auch mein alter Gouda und das Scheibchen Gorgonzola sind fein säuberlich in mehrere Lagen Frischhaltefolie gewickelt – bevor sie an der Käsetheke in die innen ebenfalls mit einer Folie beschichtete Tüte wandern. Selbst meine Bio-Birnen präsentieren sich nicht nur im obligatorischen Foliengewand; sie sind obendrein noch ein einer Plastikschale arrangiert – ebenso mein Feldsalat "aus der Region" und bei der halben Ananas, auf die ich gerade echt Appetit bekommen habe, ist nicht etwa die Schnittkante mit einer einfachen Lage Folie abgedeckt – nein! Das gute Stück ist so zugeschnitten, dass es in eine Plastikschale passt, die auf den ersten Griff so stabil wirkt, dass ich mich frage, ob die wohl spülmaschinengeeignet ist und wofür ich sie künftig verwenden könnte? Das selbe auch bei den Rocher-Pralinen, die sich aus welchem Grund auch immer in einer sehr stabilen Kunstsoffbox befinden. Bei der Bäckerei wird mir mein halbes "Powerbrot geschnitten" natürlich ebenfalls in eine Plastiktüte gesteckt (für ungeschnittenes reicht erstaunlicherweise eine Papiertüte, auch wenn diese, warum auch immer, ein Sichtfenster hat! Kann ja immer mal sein, dass man vollkommen vergisst, was da in dieser Tüte drin ist und die einfach nicht aufbekommt). Heute gehe ich es mal systematisch an, nehme alle Umverpackungen mit und tue mein Gemüse, so wie es die anderen Leute um mich herum auch machen, nach Sorten sortiert ein jedes in sein Tütchen – auch an der Kasse sage ich ausnahmsweise mal nicht "Nein danke", sondern frage die Kassiererin, wie viele Tüten ich für meinen Wocheneinkauf wohl benötigen werde: "Da neh'm Se am besten gleich zwei große", meint sie – nehme ich also. Zu Hause angekommen brauche ich erstmal eine ganze Weile, um meine Einkäufe aus ihren teilweise nicht nachvollziehbaren Ummäntelungen zu schälen: Wieso, frage ich mich, müssen Karotten aus Brandenburg erst in eine Plastikschale und dann mit Folie umwickelt werden, wo sie darin doch ganz klar schneller schlecht werden und man sie deshalb als allererstes auspackt? Wie auch immer: Am Ende komme ich – Joghurtbecher und sonstige, in gewisser Weise bis zum Verzehr des Produktes noch benötigte Verpackungen nicht inbegriffen, auf einen stolzen Berg, der sich, glaubt man dem Richtwert, den meine alte Küchenwaage anzeigt, auf rund 250 Gramm beläuft. Purer Müll, der für nichts gut ist, außer dass sich Obst und Gemüse in Plastikschalen schneller und schicker drapieren lassen und man bei Pralinen in der Plastikbox sehen kann, was drin ist – vielleicht? Normalerweise habe ich nicht viel, was ich in die gelbe Tonne entsorgen müsste aber heute quillt mein Eimerchen, das normalerweise eine Woche braucht, bis es voll ist, fast über. Da ich die Tütchen und Tüten normalerweise nicht nehme und alles, was geht, gleich vor Ort entsorge, war mir nicht klar, wie es um meinen Plastikkonsum wider Willen eigentlich bestellt ist – denn das Zeug wird ja produziert und will entsorgt werden – egal, ob ich es nun im Supermarkt lasse, oder nicht. Bleibt mir also zu schauen, wo ich mich weiter reduzieren kann, ohne dass ich schlechte Laune bekomme. Ich beschließe, dass ich ab sofort Einkaufstüten jeglicher Art ablehnen werde und außerdem die Einweg-PET-Flaschen zu meiden (auch wenn mein Rücken es mir dankt, dass er keine Mineralwasserkästen mit Glasflaschen mehr stemmen muss). Jogurt und Co. gibt es auch im Glas und vielleicht ist der nette, wenn auch teure Markt um die Ecke eben doch die bessere Obst- und Gemüsequelle. Seit letzter Woche gibt es dort auch wieder einen Glühweinstand und frische Luft beim Einkaufen hat sicherlich auch noch niemand geschadet. [i]Das Beste, was Du gegen den Plastikmüll tun kannst (mal abgesehen davon, eben keinen oder möglichst wenig davon zu verursachen) ist, Deinen Abfall so sorgfältig wie möglich zu entsorgen und so sicherzustellen, dass "Dein" Restmüll recycelt wird. Dabei macht, wie immer im Leben, auch Kleinvieh Mist. Natürlich kannst Du auch ideell Flagge zeigen und beispielsweise die von Oceana wider die Plastikschwemme ins Internet gestellte Petition unterzeichnen.[/i] Weiter Informationen zum "Plastic Ocean" und Tips zum richtigen Abfalltrennen findest Du auf RESET.

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