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Schluss gemacht: Ein Ex-Paar erzählt, wie die Liebe verloren ging

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In unserer Kolumne Liebespaare erzählten zwei Menschen von dem Augenblick, in dem ihre Liebe entstand. In unserer neuen Reihe "Schluss gemacht" erzählen wieder zwei Menschen von der Liebe - aber diesmal vom Ende derselben. In der ersten Folge berichten Markus und Tamara von dem Moment, in dem sich ihre Beziehung aufgelöst hat. Die beiden waren sechs Jahre zusammen, bevor sie sich vor einem halben Jahr trennten. Markus, 28, erzählt:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

„Kurz nach unserem sechsjährigen Jubiläum zogen plötzlich Ausdrücke wie „Freiräume“ und „sich ausprobieren“ in Tamaras Vokabular ein. Wir steuerten damals ziemlich zielsicher auf eine gemeinsame Zukunft zu – wollten endlich in dieselbe Stadt ziehen, eine Wohnung kaufen, sprachen über Kinder. Aber dann wurde Tamara auf einmal unruhig, wollte öfter „ein Wochenende für sich“. Um ehrlich zu sein, hatte ich fast auf den Tag gewartet, an dem es passiert. Wir lernten uns an der Uni kennen, ich war 22, sie 20 und noch Jungfrau. Tamara war ein Spätzünder – schön, sinnlich aber sehr verkopft und in sich gekehrt. Ich war genau das Gegenteil: laut und extrovertiert, hatte mit fünfzehn Jahren das erste Mal Sex und ließ es danach ziemlich krachen. Ich wollte Tamara diese Erfahrung nicht vorenthalten. Vielleicht war es Hochmut, aber irgendwie wollte ich sogar, dass sie sich ausprobiert und bewusst für mich entscheidet. Ein Gefühls-Dreier Als sie nach viel Drucksen einen Dreier mit ihrem neuen Kollegen vorschlug, fragte ich nur: Willst du wirklich einen Dreier, oder willst du ihn? Sie schwieg. Liebst du etwas, lass es ziehen, predigte meine Eltern immer. Wir beschlossen, eine Auszeit zu nehmen. Die Abmachung: Sex mit anderen ist erlaubt, aber immer mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass wir wieder zusammen kommen. Wir bildeten uns ein, es sei eine Art Beziehungs-Sabbatical vor dem „Auf immer und ewig“. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich mein Leben mit Tamara verbringen will. Natürlich hatten wir in den letzten paar Jahren zu viele DVDs gesehen und zu oft über herumliegende Klamotten gestritten. Aber darauf war ich vorbereitet, das ist doch immer so. Ich kannte den Unterschied zwischen Verliebtheit und Liebe. Ich wusste, dass eine neue Frau nur etwas Aufschub bedeuten würde – ein paar Monate Hormontaumel, ein oder zwei Jahre wolkenlosen Glücks, bevor man wieder vor denselben Problemen steht. Außerdem dachte ich, dass man mit dem Alter die Fähigkeit verliert, sich komplett für eine Frau zu begeistern. Und dass ich als zynischer Junggeselle mit Hausschwein enden würde, wenn ich Tamara ziehen lasse, oder mich von einer bedeutungslosen Frau zur anderen hangele, bis ich zufällig eine davon heirate. Dass ich sehr wohl verliebtheitsfähig war, sogar unfähig, der Verliebtheit zu widerstehen, habe ich zu spät mitgekriegt. Ich bin kein besitzergreifender Typ. Am liebsten hätte ich trotzdem nicht gewusst, was in Tamaras Bett passierte. Sie war diejenige, die darauf bestand, dass wir uns alles erzählen. Ich berichtete ihr gewissenhaft jeden One-Night-Stand, jede betrunkene Knutscherei. Tamara nahm es erstaunlich gelassen hin – zuvor war sie fast krankhaft eifersüchtig gewesen. Aber schließlich langweilte sie sich schließlich auch nicht. Nur einmal wurde sie misstrauisch, ausgerechnet bei einer, die ich nie mit nach Hause nahm. Und dann kam Leah Leah tanzte mich auf einer Hausparty an, wir flirteten, tauschten Nummern. Sie war sieben Jahre jünger, meine Wohnung war gleich nebenan. Es sollte ein leichtes Spiel werden. Wir verabschiedeten uns gemeinsam vor der Party und ich war mir schon siegesgewiss, aber dann stieg Leah plötzlich in ein Taxi und verschwand in der Nacht. Wir verabredeten uns am nächsten Tag, dann immer und immer wieder. Irgendwann war der Zeitpunkt verpasst, in dem ich sie hätte kaltschnäuzig abschleppen können. Es war zu schade drum. Viel lieber haben wir gekifft und Rohrschachtests mit ausgegessenem Toastbrot gespielt, oder ihren Gartenzaun in Neonfarben gestrichen. Als ich Leah gestand, dass wir keine Zukunft haben, fragte sie nur: "Denkst du nicht, das ist schon die Definition des perfekten Gegenstücks? Jemanden abschleppen wollen und dann feststellen, dass andere Sachen mit ihm noch viel mehr Spaß machen?" Dann sprachen wir nicht mehr darüber. Sie hatte ja Recht. Ich war bis über beide Ohren verliebt, so sehr wie noch nie in meinem Leben. Und Tamara spürte es auch, fünf Monate nach dem Beginn des Experiments, drei Monate nachdem ich Leah kennenlernte, kehrte sie zu mir zurück —mit der Bedingung, dass ich die andere nie wieder sehe. Ich hätte glücklich sein müssen, stattdessen ging es mir so mies wie nie. Ich schrieb Leah eine sehr lange Email, bat um Verzeihung. Schlußmachen kann man das nicht nennen, sie wusste ja ziemlich früh von meiner Freundin. Aber genauso habe ich mich gefühlt. Schlimmer noch. Leah schrieb nur „Ist besser so“ und steckte eine DVD mit „The Last Kiss“ in meinen Briefkasten – diesen Schinken, in dem Zach Braff seine schwangere Freundin mit einer Studentin betrügt, weil er Torschlusspanik bekommt. Aber so war das eben nicht. Ich hatte kein Schiss, mein Leben an eine Person zu binden. Ich hatte nur Zweifel bekommen, dass es die richtige Person war. Vielleicht war das, was ich für Nebenwirkungen erwachsen gewordener Gefühle hielt – all die Langeweile, all die Keifereien – ja keine Nebenwirkungen, sondern die Krankheit? Mit Tamara und mir ging es unaufhaltsam bergab. Ich kaufte das falsche Geburtstagsgeschenk und war irgendwie viel weniger bei ihr, obwohl ich doppelt so oft zu ihr gefahren bin wie vorher. Tamara kriegte genau mit, dass ich nicht bei der Sache war und hörte nicht auf, nach Leah zu fragen. Ich log ganz ungelenk, erzählte, sie sei nichts Besonders gewesen, nicht mal besonders helle. Ein hübsches Ding, eine Zwischenepisode, mehr nicht. In Wahrheit kriegte ich Leah überhaupt nicht aus dem Kopf. Ich hätte so viel gegeben, sie nie getroffen zu haben, aber gleichzeitig klammerte ich mich an jede Sekunde Erinnerung. Es hat mich fast verrückt gemacht. Und trotzdem habe ich mich noch nie so lebendig gefühlt. Dabei wollte ich meine Beziehung wirklich retten. Ich wollte diesen Hormonsturm aussitzen und zur Tagesordnung zurückkehren. Aber nach zwei Monaten musste Tamara und ich uns eingestehen: Diese Tagesordnung wollen wir nicht mehr. Leah traf ich zwei Wochen später auf einer Party, an der Garderobe. Sie freute sich, mich zu sehen, hatte aber nur paar Minuten Zeit. Sie hatte schon ihre Jacke an, vor dem Club wartete ein Auto. Ich brachte sie noch zur Tür und witzelte ungeschickt à la „Hatten wir das nicht schon mal?“ Aber diesmal war es kein Taxi. Hinter dem Steuer saß ihr Freund. " Auf der nächsten Seite erzählt Tamara vom Anfang vom Ende.


Tamara, 26, erzählt:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

"Es kam nicht plötzlich, wie ein Autounfall. Die Beziehung siechte langsam und schmerzvoll dahin. Ein halbes Jahr lang trennte ich mich von Markus und er sich von mir. Wir nannten es Beziehungspause. Aber eigentlich war es ein stückchenweiser Abschied – nur dass wir es erst im Nachhinein kapiert haben – oder zu feige waren, es von Anfang an beim Namen zu nennen. Ich weiß, es bringt nichts, „was wäre, wenn...“ zu spielen. Oder nach Schuldigen zu suchen. Kurz nach der Trennung, als die Seele aufgeschürft war, und der Kopf voller Chaos, habe ich trotzdem eine Liste gemacht, mit der Reihenfolge: Ich. Er. Sie. Die Wirtschaftskrise. Der Eroberer der Herzen Wäre die Wirtschaftskrise nicht gewesen, wäre ich schon vor einem Jahr zu Markus gezogen und hätte Paul vermutlich nie kennengelernt. Markus und ich sind Architekten. Es wäre Wahnsinn gewesen, mitten in der Rezession zu kündigen, um näher beieinander zu sein. Zumal ich gerade befördert worden war. Wegen der Krise wurden ein paar teuere Firmendinosaurier entlassen. Wir, die Jungen, die Billigen, machten ihre Arbeit. Ich zog eine Etage höher. Paul saß einen Tisch weiter im neuem Großraumbüro. Er hatte schon graue Schläfen und ein kleines Wohlstandsbäuchlein, aber trotzdem einen Ruf, der sich über alle Stockwerke erstreckte. Ich verstand, dass so einer es nie ernst meint. Dass ich nur eine weitere Kerbe auf seinem Bettpfosten sein würde. Später hat sich herausgestellt: Noch schlimmer. Paul war nicht mal so einer, der danach rüber rollt und einen Strich auf die Liste setzt. Sex allein hat ihm nicht gereicht: Er wollte die Herzen. Er wollte sehen, wie eine Frau wegen ihm den Kopf verliert. Was ich auch tat. Mit Paul zusammen zu sein, war ganz anders als mit meinem Freund. Bei Markus war ich immer nur der Sidekick gewesen. Ein unbeholfenes Anhängsel, das sich auf Partys immer an die Bierflasche klammerte, wenn alle tanzten. Paul hingegen lachte über meiner Witze und nicht andersrum. Diesmal wurde ich begehrt, ich war diejenige um die sich alles drehte – wenn auch nur für ein paar Abende. Paul’s Charme ist damals aber auch auf sehr fruchtbaren Boden gefallen. Ich war schon immer auf Markus’ Vergangenheit eifersüchtig gewesen. Je länger wir zusammen waren, desto mehr spürte ich das Ungleichgewicht. Er wusste, was man Frauen sagt, damit sie mitkommen und auch was man danach mit ihnen macht. Ich wüsste nicht einmal, was man auf so eine Einladung antwortet. Ich dachte immer, ich hätte den Zeitpunkt verpasst, in dem man so etwas lernt und daran auch Spaß hat. Ich stellte mir Sex mit Fremden ziemlich unbeholfen von. Woher sollen die anderen denn wissen, wie man mich anfasst? Verunsicherung zu unsexuelle Zeiten Sie wussten es sehr wohl. Auch wenn man es nicht damit vergleichen konnte, was zwischen Markus und mir passierte. Aber das hatte ja Zeit. Auch nachdem Paul mich fallen ließ, wollte ich nicht zurück. Ich war mir Markus ziemlich sicher. Seine Mitbewohnerin, meine gute Freundin, versicherte, dass seine Eroberungen selten länger als eine Nacht blieben. Außerdem beteuerte er mir bei jedem Anruf, dass ich ihm mehr wert bin, als alle Abenteuer. Als er mir vom diesem Mädchen erzählte, dachte ich zuerst, er wolle sich für Paul rächen. Oder meine Rückkehr beschleunigen. Und das auch noch so ungeschickt! Als ich die andere bei Facebook ausfindig machte, dachte ich nur: Das kann doch nicht sein Ernst sein! Sie hat vor zwei Jahren Abi gemacht. Was soll das jetzt: Vorgezogene Midlifecrisis? Und trotzdem verunsicherte mich irgendwas in seiner Stimme, wenn er über sie sprach. Noch schlimmer war es, dass er nicht mehr sofort ans Telefon ging, wenn ich anrief. Und das zu ganz ‚unsexuellen’ Tageszeiten. Dass er bei ihr übernachtete, hätte ich noch nachvollziehen können – und verschmerzen. Aber was sollten sie schon um fünf Uhr Nachmittags miteinander tun? Später, als alles schon am Bröckeln war, fragte ich mich: Will ich für immer mit jemanden zusammen sein, der alles, was wir haben, für ein hübsches Gesicht in Frage stellt? Und gleichzeitig konnte ich selbst nicht aufhören, ganz masochistisch durch ihr Facebook-Fotoalbum zu klicken. Sie sperrte nicht einmal ihr Profil! Als würde sie sagen: Schaut, schaut alle her, wie viel Spaß ich im Leben hab! 74 Fotobeweise! Sie, im Fotoautomaten lustige Grimassen schneidend. Sie, tanzend, im Hintergrund zwei Typen, die ihr auf den Hintern starren. Sie, verkleidet als Cupcake auf einer Kostümparty. Und genau das war sie doch! Ein hübsches Stückchen mit Buttercreme im Kopf. Das sagte Markus auch selbst. Und ich hätte es ihm nur zu gern geglaubt. Aber jedes Mal, wenn er still vor sich hin träumte, wusste ich: In seinem Kopfkino spiele nicht ich die Hauptrolle."

Text: wlada-kolosowa - Illustration: katharina-bitzl

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