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Schluss gemacht: Hannah, Franz und die einseitige Angelegenheit
Hannah, 24, war ein Jahr lang in Franz verliebt. Mein erster Gedanke, als ich Franz sah: Abstand halten! Der bildet sich ganz schön was auf seine Schönlingsschnute ein. Ich habe gerade ein Praktikum bei einer Unternehmensberatung angefangen, Franz schrieb dort seine Doktorarbeit. Der letzte Freund hat zehn Beziehungskilos aus den Hüften hinterlassen und einen bitteren Nachgeschmack. Seit drei Tagen erst war Schluss. Ich hatte gar keine Lust auf Männer. Schon gar nicht auf solche, die Praktikantinnen mit zwei Bisous in der Grübchengegend begrüßen. Ich habe mich mit Absicht an Schreibtische gesetzt, die am weitesten von seinem entfernt standen, nur damit meine Nase aufhört, sein Parfüm zu erschnuppern. Der Doktorand und die Praktikantin - welch peinliches Klischee! Doch es half alles nichts. Franz flutete mein Postfach mit neckischen, scharfsinnigen Nachrichten, die ich nicht auf mir sitzen lassen konnte. Quer durchs Großraumbüro lächelte er mir zu. Ein Lächeln, das schon im Voraus um Entschuldigung warb. Doch darin lag kein Versprechen der Besserung, sondern ein Eingeständnis seiner Unfähigkeit. Wie ein kleiner verwirrter Bengel, der nur darauf wartet, gerettet zu werden. Nach ein paar Wochen fragte Franz, ob ich ihn zum Pferderennen begleiten will. Daraus wurde ein Zwölfstundendate, das in seiner Küche endete. Wir redeten bis in die Morgenstunden, Rotwein, im Hintergrund absolute Fickmusik. Aber Franz hat mich nach allen Regeln der Kunst unberührt nach Hause gefahren. War wohl auch kein akuter Bedarf. In seinem Zahnputzbecher standen drei Zahnbürsten. „Ich traue dir nicht“, sagte ich beim Abschied. „Bis ganz bald“, sagte er. „Ich bin gespannt.“ „Ich auch.“ Mir war schon klar, mit wem ich es hier zu tun habe. Am Montag hatte ich trotzdem Mühe meine Mundwinkel in der Waagerechten zu halten. Ich fühlte mich noch jünger und dümmer als mit 14 und zum ersten Mal seit Monaten lebendig. Ich schlief schlecht, aß wenig und schleppte mich unterernährt und müde aber völlig fit durch den Tag. Doch auf einmal blieb mein Posteingang leer. Nach zwei Wochen beschloss ich, Franz zur Rede zu stellen, zog trotz Hüftgold das erste Mal seit Monaten einen Rock an und radelte zur Franz’ Wohnung. Meine Freunde fassten sich vor so viel Naivität an den Kopf. Ich hatte aber kein Bock auf Spielchen. Ich wollte ein klares Nein, damit ich wieder den Kopf frei habe. Ich habe mir sogar vorher ein Baumdiagramm gemalt. 27 Möglichkeiten hätte es gegeben, diesen Groschenroman zu beenden. Franz hat sich für die einzige entschieden, die ihn fortsetzte. Er bat mich rein, legte einen Arm um mich, lächelte sein Lächeln. Die Sendepause erklärte er dadurch, dass er ständig in Situationen rein läuft, in denen er enttäuschten Frauen klar machen muss, dass es an dieser Stelle nicht weiter ginge. Übersetzt: „Ich bin der tollste Hecht der Stadt, alle wollen sie meinen Saft. Aber ich will sie halt alle nicht. Und du bist keine Ausnahme.“ Der Kopf verstand: „Du kannst sein Bettmäuschen werden, mehr nicht. Willst du das? Nein? Dann geh! Jetzt! Lauf! Schnell!“ Doch der Mund sagte: „Welchen Anspruch stell ich denn? Meinen Arbeitstag strukturiere ich akribisch, schreibe To-Do-Listen, schmiede Pläne. In meinem Privatleben habe ich keine Lust auf Ratio. Ich will lernen, in den Tag rein zu leben und sehen, was als nächstes passiert." Wir tranken viel Bier an diesem Abend. Irgendwann lagen wir auf seinem Bett, ich in seinem T-Shirt, beide mit geputzten Zähnen. Bevor ich zu Franz aufbrach, habe ich meiner Zahnbürste gewaltsam meiner Mitbewohnerin entreißen müssen. „Zu Strafe für deine Willensschwäche sollst du stinken am nächsten Tag!“, kreischte sie. Stärke, Schwäche, mir war’s egal. Die Straßenlaterne warf Schatten an die Wand. Keine Fickmusik. Einfach nur zwei Menschen, vier Augen. Stille. Ohne dummes Ego-Spazierenführen, ohne Spielchen. Und dann machte Franz alles kaputt. Er fummelte an meinen Hals, Nacken, Ohren, versuchte mich zu küssen. Ich wollte kein Strick auf seiner Liste werden. Ich drehte mich weg. Am nächsten Tag fuhr er mich wortlos nach Hause, sagte vor meiner Haustür die Theaterverabredung ab, die wir gestern ausgemacht haben. Das war gewissermaßen die Vorlage für die nächsten fünf Monate. Franz legte die Attitüde von jemanden an den Tag, der sich eine leisten konnte. Er sagte Verabredungen in letzte Minute ab, beantwortete jede dritte SMS, schrieb aber in jede Absage, dass „wir“ das bald nachholen sollten. Die vermuteten Zahlen in seinem Harem bekamen Gesichter. Aber immer wenn wir gerade Zeit miteinander verbrachten, ließ er mich in dem Glauben, dass es durchaus einen Draht zwischen uns gab und legte gelegentlich einen kleinen Seelenstiptease hin. In solchen Momenten erzählte Franz von seinem schwierigen Vater, davon, dass er gerne jung Kinder bekommen möchte und überlegte sich Namen für seine soeben geborene Nichte. Oder schmiedete Pläne, nach Japan zu gehen. Oder gemeinsam mit seinem Bruder und mir ins Museum. Und meldete sich danach zwei Wochen lang nicht mehr. Fünf Kästen Bier habe ich an meine Freunde verwettet, wie lange ich es schaffe, mich nicht mehr bei Franz zu melden. Rekord: Sechs Wochen. Als Belohnung bekam ich von meiner Mitbewohnerin einen 1,70 Meter großen aufblasbaren Penis geschenkt. Wenn man draufboxt, wackelt er und geht anschließend zurück in die senkrechte Position. Ich hab ein Foto von Franz draufgeklebt. Es ist mittlerweile von alleine abgefallen. Vor Kurzen habe ich seine Nummer gelöscht und bei Facebook auf "hide" geklickt, um seinen Kram nicht mehr zu sehen. Irgendwie kam aber doch hoch, dass er bald umzieht. Nicht nach Japan, aber nach Frankfurt. Ich dachte nur: Gott Sei Dank. Ein halbes Jahr lang habe ich in der Baumschule verbracht und ihn dabei doch nicht kennen gelernt. Dafür hätte ich auch eine Nacht mittelmäßigen bis schlechten Sex mit ihm haben können. Schade drum. Vor ein paar Tagen fuhr ich mit dem Fahrrad an der Kneipe vorbei, wo wir letzten Sommer oft waren. Ich bin leicht kurzsichtig, glaube aber, Franz dort sitzen zu sehen. Ich ziehe meinen Bauch ein und fahre vorbei. Ohne den Kopf zu drehen. Auf der nächsten Seite: Franz
Franz, 28, erzählt Nach seiner Version der Geschichte befragt, verweigerte Franz die Antwort – er möchte seine Altlasten ruhen lassen. Dann wurde er doch neugierig. „Um welche Frau geht es denn? Hannah? Hannah Wer? War das nicht die Praktikantin von neulich?“
Text: wlada-kolosowa - Illustration: katharina-bitzl