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Es wird ernst: Beim Yoga

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Heute Nacht ist der Groschen gefallen. Heute Nacht ist es wirklich bei mir angekommen, dass ich tatsächlich schwanger bin. So mit dick werden, wunderschön aussehen, Hecheln üben, Gummihosen tragen, Hand auf den unteren Rücken stützen und Hohlkreuz machen. Vielleicht sogar mit Yogitee und Kräuterbädern. Gestern war ich im Schwangerschaftsyoga.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Ich bin nicht besonders gut in Yoga, zu viel Handball als Kind, zu wenig Räucherstäbchen im Freundeskreis, zu viel Fremdschämen beim Ohmmm-Singen. Aber ich probiere es immer wieder, irgendwas muss an der Sache doch dran sein und ein bisschen Ruhe, Konzentration und Weisheit, das bräuchte ja eigentlich jeder ab und zu. Also Yoga pränatal Dienstag Abend, lila Matte, rosa Decke, Korkblöcke, sanftes Licht, sanfte Klänge und – Bäuche! Überall um mich herum! Mindestens 20 Kugelbäuche in allen Farben und Größen wälzen sich auf ihren Matten hin und her, werden gestreichelt, gedrückt, gerieben, zur Seite abgelegt und gestreckt. Bäuche, die aussehen wie Heißluftballons oder Riesenmelonen oder Wasserbomben kurz vorm Platzen. Bäuche, die mich so faszinieren, dass ich mich überhaupt nicht konzentrieren kann. Ich bin also schon stark bäucheverwirrt, als ich mich nach diversen Hunden, Kobras und Fischen auf die Matte legen darf und die Yogalehrerein darum bittet, die Augen zu schließen. Sie sagt, nein, sie summt: „Und jetzt geben wir unseren kleinen Apfelbäumchen Energie“. Mit den Apfelbäumchen meint sie die Babys, kombiniere ich, und drücke mit Gewalt meine Augen zu, die gerade beobachten, dass wasserballgroße Bäuche im Sitzen als Push Ups funktionieren, weil der Busen auf der Kugel aufliegt und dabei beinahe pornomäßig nach oben gepresst wird. Ich denke also an Pornobrüste als die Yogalehrerin schnurrt: „So, und jetzt lächeln wir mal ganz fest unserer Gebärmutter zu, der wir im Moment soooo viiiiel zu verdanken haben“. Mein eines Auge geht auf. Die Bäuche um mich herum bewegen sich ruhig auf und ab, die Gesichter darüber lächeln sanft wie im Schlaf. Ich frage mich, ob einen Schwangersein zum Reinhard Mey Fan macht oder ob die alle schon vorher so drauf waren. Nach der Gebärmutter lächeln wir noch der Plazenta, der Nabelschnur, unseren Milchdrüsen, unserem Steißbein und am Ende sogar dem Baby zu, das die Yogalehrerin „das kleine, wundervolle Wunder“ nennt. Weil ich mit meiner Skepsis so alleine bin, versuche ich, irgendwie mitzumachen. Aber vom Gebärmutteranlächeln bekomme ich allerhöchstens Hunger. Und so packe ich nach dem Verabschiedungs-Ohmmm möglichst schnell meine Sachen und überlege, ob es irgendwo in dieser Stadt vielleicht Schwangerschaftshandball oder Frauenfußball pränatal geben könnte. Doch genau in diesem Moment greift die Yogalehrerin meine Hand: „Wehr Dich doch nicht so!“, sagt sie. „Mach Dich locker, Du bist schwanger! Das gehört dazu!“ Ich lächele verlegen und renne fast davon. In der Nacht träume ich von Apfelbäumen, die im Yogaraum Handball spielen. Ich bin Torwart und trage ein Dirndl mit großen, hochgetrimmten Brüsten und die Apfelbäume lachen mich aus. „HaHaHaHaHa!“ lachen die Bäume und laufen auf mich zu „Du wirst nicht cool bleiben! Das gehört heute dazu zum Mutterwerden in einer Großstadt! Mach die Räucherstäbchen an! Hahahahaha!“ „Niemals!“ schreie ich, als sie ausholen und ein Wasserbombenhagel in meine Richtung fliegt ... Ich wache auf. Ich lege meine Hand auf meinen Bauch, schließe die Augen, atme tief durch und zwinkere dem Zellhaufen einmal kräftig zu. Illustration: dirk-schmidt

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