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Ich bin eine Gebärmaschine

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Lieber Herr Bischof Mixa, ich bin eine Gebärmaschine. Meine Brüste sind in den vergangenen Wochen von bescheidener Zitronengröße auf mindestens Melonenausmaß angewachsen, mir steigen beim Titelsong von „Verbotene Liebe“ Tränen der Rührung in die Augen und wenn ich zu lange in einer verrauchten Kneipe sitze, gehe ich aus mütterlichen Schutzgefühlen nach Hause, weil ich vermute, dass es dem Zellhaufen in mir drin stinkt. Das Projekt Bikinifigur habe ich ohne Murren auf Frühling 2008 verschoben, ich verpasse garantiert den nächsten Oktoberfestausflug mit den Kollegen und mein Freund und ich hatten in den letzten Wochen viel weniger Sex als früher, weil es in unseren Köpfen gerade irgendwie um andere Dinge geht.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Sie wollen das alles gar nicht so genau wissen? Ach kommen Sie, Herr Mixa, jetzt tun Sie mal nicht so verklemmt. Und außerdem: Ich habe mich letzten Sonntag auch ein bisschen gefragt, wer Ihre Meinung eigentlich hören will? Ich habe da einen Verdacht: Ich glaube, dass Sie nur deshalb zu Frau Christiansen in die Sendung eingeladen wurden, weil man in einer Talkshow ja immer mehrere Meinungen braucht. Und am besten möglichst extreme. Weil aber fast niemand außer Ihnen und vielleicht noch ihrem Chef, dem Herrn Benedikt, so denkt wie Sie, hat man Sie eingeladen! Denn Sie müssen schon zugeben: Eigentlich sollten über dieses Thema junge Mütter verhandeln, die betrifft’s ja auch. Aber schon mal irgendwo eine junge Mutter getroffen, die Ihrer Meinung war? Die ernsthaft findet, dass es „kinderfeindlich“ ist, wenn der Staat endlich mehr Krippenplätze schafft? Irgendeine Frau hier, der mehr Krippenplätze Angst davor machen, als „Arbeitskräftereserve für die Industrie“ rekrutiert zu werden? Wie gesagt, ich bin gerade Gebärmaschine und da lernt man eine Menge junger Frauen kennen. Aber so wie Sie, Verzeihung: So denkt keine! Da sind ja Herr Schirrmacher und Frau Herman noch näher an den echten Müttern dran, obwohl die ja auch längst das falsche Alter bzw. Geschlecht haben. Naja, vielleicht hilft Ihnen ja mein persönlicher Plan, nur so, falls es Sie interessiert, für die Akten: Ich, Gebärmaschine Linda, abschließend in dieser Funktion voraussichtlich Mitte Oktober tätig, möchte nach zehn Monaten Gebärmaschinendasein und dann sechs Monaten Babyfüttern, -wickeln, -schaukeln, -anschmusen, -poabwischen, gerne wieder arbeiten gehen. Am liebsten 30 Stunden in der Woche, dann habe ich nachmittags noch mal ein bisschen Zeit für den kleinen Babypo. Ich hätte dafür gerne einen Krippenplatz, damit das Baby in diesen 30 Stunden nicht alleine in der Wohnung herumliegen muss. Weil mein Freund, und das ist bestimmt ganz in Ihrem Sinne, der arbeitet natürlich auch. Wenn es einen Krippenplatz gäbe, könnte ich das also so machen. Und wenn ich nicht will, könnte ich es auch bleiben lassen. Letzte Woche habe ich, Gebärmaschine Linda, den ca. 1,5 Zentimeter großen Zellhaufen in mir in zehn Münchner Krippen angemeldet. Meine Platzierungen auf den Wartelisten für April 2008 liegen zwischen Platz 86 und 234. Die Frauen an den Anmeldungen haben müde genickt und meinen Zettel in eine wirklich große Kiste gesteckt. Grüßen Sie den lieben Gott von mir, vielleicht kann er da ja noch was machen. Ansonsten: Herzlichst, Ihre Linda Illu: dirk-schmidt

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