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„Die Passion Christi“ für die Kleinen

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Der Filmwirtschaft geht es schlecht und schlechter – das hört man zwar schon seit Jahren, aber nun scheint es wirklich zu stimmen. In den ersten neun Monaten dieses Jahres gingen 20 Prozent weniger Menschen in deutsche Kinos als im Vorjahr – die Einnahmen im ersten Halbjahr 2005 sanken auf 352 Millionen Euro, 67 Millionen weniger als im gleichen Zeitraum 2004. Die wenigen Lichtblicke, die es im dunklen Kinoalltag gibt, haben inzwischen auffallend oft die Form eines Heiligenscheins: Denn wenn sich noch Geld im Lichtspiel verdienen lässt, dann mit religiösen Themen. Mel Gibsons blutiges Kreuzigungsdrama „Die Passion Christi“ – mit relativ kleinen Budget gedreht – spielte 2004 ein Zigfaches seiner Kosten wieder ein und gilt als einer der 50 erfolgreichsten Filme aller Zeiten. Ähnliche Überraschungserfolge nach dem Prinzip „kostet wenig, bringt viel ein“ waren dieses Jahr die meditative Klosterdokumentation „Die große Stille“ und die niedliche Tierbeobachtung „Die Reise der Pinguine“. Letzterer war zwar nicht als religiöser Film gedacht, wurde von Amerikas Religiöser Rechter jedoch derart mit kirchlichen Werten aufgeladen, dass ein Großteil des finanziellen Erfolgs auf das Konto christlicher Cineasten gehen dürfte.

Nun will auch der Disney-Konzern etwas vom lukrativen Geschäft mit den Bibel-Blockbustern abhaben – und bringt diese Woche mit „Der König von Narnia“ eines der christlichsten Kinderbücher aller Zeiten ins Kino. Durch einen verzauberten Schrank verlassen vier Kinder das England der letzten Weltkriegstage und gelangen in ein Zauberreich. Es folgen: der große Kampf Gut gegen Böse, Märtyrertod des Guten (inklusive Auferstehung), Kindermord à la Herodes, Verrat Marke Judas, Sündenfall, Gott mit Löwenmähne und allerlei weiterer religiöser Zierrat. Der finanzielle Erfolg scheint bei dem Unterfangen von vornherein garantiert: Zum einen handelt es sich bei der Buchvorlage mit über 85 Millionen verkauften Exemplaren um einen erprobten Bestseller. Zum anderen wurde auch die Kirche selbst ins Marketing einbezogen: Es gibt Sneak-Previews in Kirchen, Informationsmaterial für Geistliche und Werbebroschüren für den Religionsunterricht in Schulen.

Wenn sich die Formel „Glauben = Geld“ weiterhin erfüllt, christliche Motive also zu einer Art Erfolgsgarantie im krisengeschüttelten Filmgeschäft werden, wird es nicht lange dauern, bis sich die Fähnchen in Hollywood in den Wind der Erleuchtung drehen – und uns 2006 eine Fülle religiös verbrämter Massenware bescheren. Im Zuge der beliebten Comicverfilmungen könnte beispielsweise ein Superheld namens „Prayerman“ in Szene gesetzt werden, Batman könnte ausnahmsweise nicht gegen Joker oder Eismänner kämpfen sondern gegen den Antichrist. „Mission Impossible: 3“ wird seinem Titel endlich mal gerecht und begleitet nicht Hitech-Agenten sondern echte Missionare –und der neue James Bond? Der wird vom sehr weltlichen „Casino Royale“ entweder in „Der Mann mit dem goldenen Rosenkranz“ umbenannt – oder in „Das Morgengebet stirbt nie“. (Bild: Disney)

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