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Wie war es gestern Nacht?

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 Freundin T. also, und zwar mit dem Bekannten P.: Eine ganz übliche Bar-Feierszene eigentlich. Ein bisschen tanzen, ein bisschen flirten. Und dann eben ein bisschen miteinander nach Hause gehen. Ich habe da an sich ein recht gesundes Desinteresse – wollte ich sagen. Aber eigentlich stimmt das natürlich nicht. Man hat schließlich eben gerade kein Desinteresse, auch kein gesundes, wenn Freunde und Bekannte jemanden abschleppen. Es gibt ja so schon kaum etwas Aufregenderes als die Anziehung zwischen Menschen. Bei Freunden gebieten es dann wohl auch noch Anstand und Interesse, nachzufragen.  

Wenn man selbst schon lang in einer durchaus stabilen Beziehung steckt, ist das allerdings ein besonders kniffliges Kapitel im großen Buch „Wie ich mich als Pärchen gegenüber Singles verhalte“.

In diesem Fall sogar noch etwas kniffliger. Ich mag Freundin T. sehr gerne und halte den Bekannten P. für einen kapitalen Scheißkopf; wenn auch in sehr nett. Freundin T. hatte in den vergangenen Monaten (eigentlich Jahren) wenig Glück bei der Partnersuche, der Bekannte P. etwas zu viel. Das ist keine gute Kombination, also war ich angemessen besorgt. Und weil Sorge doch schnell mit einem Bein im Feld von Mitleid - also fast auch im Bereich der Überheblichkeit - steht, war ich auch noch besorgt, zu besorgt zu wirken. Mütterlich. Oder paternalistisch. Oder eben irgendetwas anderes, das man gegenüber Freunden nicht sein sollte.  

Es wird also nicht überraschend, dass das „Und?“, das ich am nächsten Tag am Telefon irgendwann nonchalant fallenlassen wollte, und tatsächlich nach sieben Sekunden maximalverkrampft hervornäselte, mit Anlauf misslang. Wenigstens gefühlt schaffte ich es sogar, die beiden Pole freundschaftlicher Grenzwertigkeit in diese eine Silbe zu packen: übertriebene, und damit kleinmachende Sorge – und Sensationsgier.   Denn das ist es doch, was viel zu oft rüberkommt, wenn Pärchen-Menschen ihre Single-Freunde nach deren Flirts, Affären oder One-Night-Stands fragen. Entweder, sie klingen wie ihre eigenen Großmütter, oder wie eine Reporterin der Gala, die wissen möchte, wie der Fürst von Irgendwas denn nun so war – knick knack.   

und
Foto: photocase/form23, Illustration: Daniela Rudolf

Wie ihre eigenen Großmütter, weil ihr Wertesystem („Wir so: Der Opa und ich, wir haben in 56 Ehejahren nicht einen Tag getrennt geschlafen. Du so: Arme Wurst.“) in der Frage mitschwingen kann. Dann nämlich, wenn das „Und?“ wissen will, ob der Sexualpartner von gestern denn nun Beziehungsmaterial von morgen sei. Endlich mal. Weil das doch schließlich das einzige sei, was zählt. Weil es so leicht assoziiert, dass der andere ja bestimmt auch will, was man selbst hat – eine Beziehung. Und weil es narzisstisch ist, wenn man mit dieser Annahme falsch liegt. Und demütigend, wenn man recht hat.  

 

Wie säftelnde Boulevardmedien wiederum, weil die wahrscheinlich legitime Neugier doch so furchtbar leicht kippt. Weil: Neu- und Sensationsgier – den will ich kennenlernen, der das in jeder Lage absolut trennscharf auseinanderklamüsert. Und allzu leicht labt man sich dann doch insgeheim etwas an der ganz außeralltäglichen, noch bettwarmen Erotik, die so ein One-Night-Stand oder Flirt oder eine Affäre zurücklässt – zumindest, wenn es gut war.  

 

Was nun den Ausweg aus dem Dilemma betrifft: Habe ich nicht. Wie auch? Es ist ja tatsächlich eine dieser ungeneralisierbaren Von-Fall-zu-Fall-anders-Situationen, abhängend davon, wie man in der Freundschaft sonst miteinander redet, wie viel und in welchem Ton man sich solche Dinge erzählt und wie glücklich oder unglücklich das Single-Leben ist? So Kram eben. Aus der Mögliche-Fragen-Liste, die ich unter Freunden und Kollegen in den vergangenen Tagen gesammelt habe, war mir jedenfalls diese am sympathischsten: „Habt ihr geknutscht?“ Die lässt viel Luft nach oben und etwas nach unten. Man kann also noch gut ausweichen, bevor es krampfig würde. Und ein niedliches Wort enthält sie auch.  

 

Der Scheißkopf P. stellte sich übrigens als ganz umfassend galanter Gentleman heraus. Er klärte im Vorfeld (und offenbar auch noch im genau richtigen Ton), dass er keine Beziehung will. Und am nächsten Tag fuhr er Freundin T. wie versprochen nach Hause. Frühstück hat er ihr auch noch gemacht. T. äußerte sich begeistert, will aber auch nicht mit ihm zusammen sein. 

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