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Das Video-Spiel des Lebens

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Illustration: karen-ernst Der Mann, bereits durch auf und ab hüpfende Brüste erregt, besteigt mit erigiertem Penis die ebenfalls schon erregte und daher empfangsbereite Frau, die er zuvor mit Blumen oder Restaurantbesuchen gefügig gemacht hat – und wer jetzt schön rhythmisch die „Rauf“- und Runter“-Tasten an seinem Computer drückt (das sind die Schwanz-plus-Sack-förmig angelegten Tasten mit Pfeilen drauf, rechts neben der Return-Taste), der würde nun noch wollüstiges Gestöhne zu hören bekommen, wäre dies nicht jetzt.de, sondern das Computerspiel „Grand Theft Auto: San Andreas“. Langweilige Umsetzung, wahnsinnige Idee In diesem Spiel, in dem es um den Aufstieg eines Gang-Mitglieds namens CJ zum King of Kings geht, haben die Programmierer nämlich allerlei Sexszenen einprogrammiert – eigentlich an jeder möglichen Stelle im Leben der Hauptfigur: Sobald CJ jemand nett findet oder auch nur sobald er ein Mädchen mal länger anguckt, muss er nur noch ein paar Blumenbouquets über ihr abwerfen und auf geht´s. Der Produktionsfirma war das jedoch zu heikel, worauf die Sexszenen im Spiel gewissermaßen übermalt wurden: Der programmierte Sex-Code ist in den verkauften Spielen noch vorhanden, aber nur verdeckt und deaktiviert. Als ein „Grand Theft“-Fan aus Holland ein kleines Programm ins Internet stellte, mit dem alle Sexszenen in CJs Leben wieder sichtbar gemacht werden können, schlugen in Amerika die Wellen der Empörung über den „Pixelporno Grand Theft“ so hoch, dass der freie Verkauf des Spiels verboten wurde. Warum, ist schleierhaft. Die Sexszenen sind langweilig, langweilig, langweilig. Aber die Idee dahinter, die ist Wahnsinn – einen Sex-Patch für das Spiel des Lebens. Mehr Sex, mehr Praktikanten, mehr Leid Ein kleines Zusatzprogramm, schnell aus dem Netz geladen und installiert, und schon gibt es zu jeder einzelnen nur möglichen Gelegenheit Sex – aber wie sähe dieser Wunsch-Traum vieler Männer in Wirklichkeit aus? Ich vermute: schlimm. Ich käme morgens in die Arbeit und müsste schon im Aufzug über kopulierende Paare steigen, was nicht weiter bemerkenswert wäre, weil schon der Weg zur Arbeit, in S-Bahnen voller Schweiß und Sex, nur mit Gummistiefeln zu bewältigen wäre. Mit dem Rad fahren funktioniert nicht, weil man an jeder roten Ampel in ein anderes Auto steigen muss, um Verkehr zu haben, weswegen die Rotphasen wiederum je nach Stadt unterschiedlich lang sind, von 13,06 Minuten in Erfurt bis zu blitzschnellen 9,36 Minuten in Berlin, so lange dauert ein durchschnittlicher Beischlaf in diesen Städten, das hat das Stuttgarter Institut für rationelle Psychologie herausgefunden, was, nur am Rande, die Frage aufwirft, ob es auch unrationelle Psychologie gibt und wie die dann aussieht. Beim Gang zu meinem Schreibtisch, quer durch die Redaktionsräume und Großraumbüros, bräuchte ich entweder einen Schneepflug, eine gusseiserne Unterhose oder eine Nebukadnezar-Packung Kondome plus Viagra-Infusion, weil bei der Süddeutschen Zeitung sehr viele Frauen arbeiten, die, ehrlich wahr, alle ausgesprochen nett und außerdem schön anzuschauen sind, aber wenn alle plötzlich Sex haben wollten, mein Gott, ich glaube, wir müssten sofort mehr Praktikanten oder den Betrieb einstellen. Ständig wäre jemand krank geschrieben, wegen Penis- bzw. Vaginaüberanspruchung, dem sogenannten Burn-Out-Syndrom, und die Arbeitschutzrichtlinien würden schonende Sexpraktiken vorschreiben, zusammen mit Spezial-Stühlen zum Schonen der Genitalpartie, weil niemand mehr Rückenprobleme, aber jeder einen wundgescheuerten Schritt hat. Und in der Kantine gäbe es für Männer nur noch zwei Gerichte: einen Eimer voll mit rohen Eiern – oder einen Kaviareinlauf. Es wäre schrecklich. Bin ich froh, dass dies hier jetzt.de und nicht „Grand Theft Auto“ ist.

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