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Der kleine Unterschied – zwischen Gleichberechtigung und Angela Merkel

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Illustration: karen-ernst Kalle Pohl ist schon ganz aufgeregt. Der unlustigste aus der ohnehin spaßfreien Comedy-Truppe von "Sieben Tage, sieben Köpfe“ ist vermutlich großer Fan einer möglichen Kanzlerkandidatur Angela Merkels. Woche für Woche belastet Pohl das Programm des Senders RTL mit Katastrophen-Kalauern – und sollte die Union tatsächlich Angela Merkel als Spitzenkandidatin in den vorgezogenen Bundestagswahlkampf schicken, Pohl wird darauf brennen, ein Feuerwerk der Flachwitze zu zünden: dass er, hehe, überlege, ob Merkel überhaupt eine Frau sei. Mit dieser Frisur, könne Herr, hehe, Merkel, das Land schließlich nicht angemessen vertreten. Hehe. Wäre "Sieben Tage, sieben Köpfe“ nicht als Belästigung für die ganze Familie gedacht, Pohl würde auch vor Witzen über Angela Merkels Oberweite nicht zurückschrecken. Busenwitze und politisches Lattenmessen Nicht nur Kalle Pohl, auch das Land, das über diesen klein gewachsenen Mann lacht, weiß nicht, wie es ist, wenn Frauen wichtige Positionen besetzen. Deutschland ist kein gleichberechtigtes Land. Daran haben auch sieben Jahre Rot-Grün nichts geändert. Männer kriegen leichter als Frauen einen Job, sie verdienen mehr bei gleicher Arbeit und sie besetzen die führenden Posten in Politik und Wirtschaft. Eine Kanzlerkandidatin, ja womöglich eine Kanzlerin, das wäre neu. Wenn Angela Merkel für diese Neuerung von geistlosen Typen beleidigt oder verspottet wird, sollte man dem laut und entschieden widersprechen. Sie hat es nicht verdient, nach dem von Kalle & Co angenommenen fragwürdigen Grad von Weiblichkeit beurteilt zu werden. Schröder und Fischer müssen ja auch nicht zum Lattenmessen antreten – selbst wenn sie das womöglich gerne täten. Ist eine Minderheiten-Kanzlerin schon Gleichberechtigung? Ob die Vorzeigemannsbilder von Rot-Grün, Gerhard Schröder und Joschka Fischer oder die "politischen Leichtmatrosen“ (so ein Urteil Stoibers) von Schwarz-Gelb, Angela Merkel und Guido Westerwelle, dieses Land regieren sollen, ist eine Frage ihrer Qualifikation und nicht ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung. Wer Angela Merkel für eine gute Regierungschefin hält, bloß weil sie eine Frau und aus dem Osten ist, hat von Gleichberechtigung wenig verstanden. Denn wo in erster Linie nach dem Geschlecht geurteilt wird – und sei es positiv – spricht man von Diskriminierung, in diesem Fall von positiver Diskriminierung. Ich bin aus politischen Gründen gegen Angela Merkel als Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland – und gleichzeitig für Frauen in der Politik. Ich werde auch gegen Angela Merkel als Kanzlerin sein, wenn sich in den nächsten Wochen herausstellt, dass sie eine Lesbe mit Migrationshintergrund ist. Denn auch das wird nichts daran ändern, dass ich ihre Politik für falsch halte. Mit ihrer Frisur und ihren Brüsten hat aber all das nichts zu tun.

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