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Der Mythos: Wenn ein Junge nicht kommen will, sollte er an etwas Langweiliges denken.

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Illustration: karen-ernst Der Moment, wenn es in die Seitenlage geht, sie ein Bein gefühlvoll über die Bauchdecke legt, ein bezauberndes Lächeln aufsetzt und so beiläufig, als würde sie Butter auf ein Brot streichen, sagt: „Geh doch noch ein bisschen nach rechts, damit ich mich auf dich setzen kann“. Was sie dann tut. Wenn es also hoch hinauf geht, in den Himmel, wenn alles zu rütteln beginnt, übermenschliche Kräfte auf einen einwirken, man nicht mehr weiß, wo oben und unten ist - dann sollte man am besten an etwas Langweiliges denken. Es muss nicht immer nackte Lust zwischen Bettdecken sein. In Wirklichkeit komme ich schon nicht einmal mehr zum Luftholen, wenn die Angebetete angezogen neben mir liegt, und plötzlich vertraulich wird. Wenn die ganze Luft erfüllt ist von knisternder Spannung, schon das Auflegen ihres Zeigefingers auf meinen Rücken für eine Gänsehaut sorgt. Und erst die Wirkung von feuchten Lippen auf blanker Haut! Es gibt wenig Schöneres, als die beiderseitig getroffene Vereinbarung der Zärtlichkeit, als das gegenseitige Entkleiden, Befühlen und später das gemeinsame Zuarbeiten auf den Höhepunkt. An Geometrie denken, hilft auch nicht Ich habe versucht, dabei an etwas Langweiliges denken, wobei nichts anderes herausgekommen ist, als der Befehl, jetzt unbedingt an etwas Langweiliges zu denken. Dass man tatsächlich daran denken könnte, wie man im Schulunterricht gerade Linien mit dem Lineal gezogen hat, ist ein Mythos der Film- und Fernsehindustrie. Bestenfalls kann man sich auf den knarzenden Rhythmus des Lattenrosts konzentrieren, der dem glamourösen Sex den Anstrich einer biederen Beamtentätigkeit verleiht. Vielleicht kommt mir dann noch in den Sinn, wie Homer Simpson neben einer hübschen Arbeitskollegin im Aufzug steht, sie ihn durchdringend ansieht, und sein als Gehirn veranschlagter Hohlraum befiehlt: „Denk an etwas Asexuelles!“ Das beim Geschlechtsverkehr ordentlich hinzukriegen, erfordert aber ein hohes Maß an Selbstbeherrschung, ja: Disziplin. Schließlich sollen beide etwas davon haben. Meine Disziplin beim Sex ist allerdings in etwa die gleiche, wie wenn es darum geht, benutzte Teller zeitnah abzuspülen. Und doch reiße ich mich zusammen, denn im Nachhinein ist mein Eindruck bei ihr vielleicht auf ewig ruiniert. Nicht, dass sie etwas sagen würde; dass sie in ihrer Tasche kramen, ein Beischlafzeugnis hervorbringen und darauf vermerken würde: „ Ausgeprägt kurzes Stehvermögen“. Nein, viel schlimmer ist die Realität, in der ein: „Doch, das war schön“ kommt - und danach nichts mehr. Augen zu und durchhalten In dieser Zwickmühle spielt man also mit Ausweichmanövern, die das Unausweichliche hinauszögern könnten. Vielleicht sich also aus der unteren Lage befreien, und bei fortschreitender Aktdauer noch einmal das Kommando übernehmen. Dabei kann man an der Brustwarze saugen, bis einem schwindlig wird, sich wie ein junger Hund auf dem Spielplatz benehmen, und verspielt von Wölbung zu Wölbung eilen. Wirklich befreiend ist das nicht. Im Normalfall steigert das den Rausch, wo selbst vor geschlossenen Augen verführerische Körperteile aufblinken, und das Problem der Entladung ein dringliches wird. In diesem Moment hätte die Frage, die ich sonst nicht hören kann, die für mich das unerlaubte Betreten einer Intimzone bedeutet, das „Woran denkst du gerade?“, seine Berechtigung. Denn dann würde ich vielleicht wirklich an etwas anderes denken.

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