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Gibt es eine neue Monogamie-Bewegung?

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Huch, haben wir was verpasst? Gerade erst wurde die „Generation Suff“ herbeigeredet und jetzt das hier: Unter vielen Jugendlichen ist wahllose Promiskuität inzwischen so out wie die Macht der Straße für einen Joschka Fischer. […] Sex ja, aber nicht mehr mit jedem, heißt die Devise der neuen Treuen. Meint Journalist und Sozialwissenschaftler Uwe Bork in einem Podcast-Beitrag für das Deutschlandradio unter dem Titel „Die neue Monogamie“. Darin glaubt er eine „sexuelle Konterrevolution“ der lustlosen Enthaltsamkeit als Antwort auf die 68er erkennen zu können: Und sogar die Keuschheit bis zur Ehe findet wieder ihre Verfechter, sei es aus religiösen Gründen oder auch nur aus Angst vor der Ansteckung mit dem immer noch tödlichen HI-Virus. Die Realo-Jugend, endlich zur Vernunft gekehrt.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Reichen wirklich zwei? Bestimmt hat jemand mal ein Spiel namens „Hau die 68er“ erfunden; oder wieso muss diese Generation eigentlich immer reflexartig für alle vermeintlichen Gesellschaftspannen herhalten? Für den Niedergang der Familie, für unrasierte Achseln macht man sie haftbar und hier für den „Zwang [unter Jugendlichen], alles Sexuelle ausprobieren zu müssen“. Wird der Einfluss der 68er in der Distanz des Rückblicks nicht schlichtweg überschätzt? Trotz oder gerade wegen der 40 Jahre, die seither ins Land gegangen sind? Waren nicht vielmehr schon damals diejenigen, die konsequent munter und fröhlich von Kiste zu Kiste hüpften, in der Minderheit? Abgesehen davon kann sich der pubertierende Nachwuchs rein rechnerisch gar nicht gegen seine 68er-Erzeuger auflehnen. Die 68er stehen nämlich, wenn überhaupt, heute als Großeltern in der Erziehungspflicht. Dass Opa und Oma vielleicht mal eine „Jeder mit Jedem“-Philosophie vertreten haben, hat erstens wenig mit dem Lebensalltag der Enkel zu tun und kann ihr daher zweitens ziemlich schnurz sein. Oder erzieht noch irgendwer seine Kinder nach dem Prinzip des Laisser-Faire? Es ist auch weit hergeholt, eine neuartige asketische Vernunft in die heutige Jugend hineinzuspekulieren. Als hätten Umfragen nicht ergeben, dass mittlerweile nur noch ein Drittel der Jugendlichen AIDS für eine gefährliche Krankheit halten, während es in den 90ern noch doppelt so viele waren. Als ob von einzelnen Papst-Fanclubs auf einen Trend zur religiös begründeten Keuschheit zu schließen wäre. Soviel neues ist gar nicht dran, an den „neuen Treuen“. Zumindest, wenn man nicht den Fehler macht, Treue zum aktuellen Partner mit einer generell monogamen Haltung zu verwechseln. Exklusiv – ja schon, darauf kann man sich irgendwie einigen. Lebenslänglich – hmm, oh Gott. Das pflegeleichte Beziehungsmodell „Lebensabschnittspartner“ wird gerne als serielle Monogamie bezeichnet. Es kommt drauf an, wie man es sieht. Genauso gut könnte man es serielle Polygamie nennen. Man schläft mit vielen, nur halt nicht im Multitasking-Betrieb, sondern schön ordentlich mit einem nach dem anderen. Eben so lange, bis man glaubt, dass eine bessere Option sich anbietet, bzw. wer Besseres um die Ecke kommt.

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