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Ladies Night im Gentlemans Club

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Illustration: karen-ernst Neulich stand ich mit einer Flasche Bier in der Hand und einer guten Freundin an meiner Seite in einem nächtlichen Etablissement. Wir wackelten subtil zu skandinavischem Elektro und begutachteten unsere Umgebung. Auf einer Bank unterhielten sich zwei sehr hübsche Mädchen mit einem wenig attraktiven, aber umso mehr interessiertem Mann. Als er seine Hand von einem der Mädchenbeine entfernte, und aufstand, um eine Runde Getränke zu besorgen, drehten sich die beiden lächelnd zu einander und gaben sich einen langen, innigen Kuss. „Heißa“, sagte ich zu meiner Freundin. Die nickte und meinte dann mit einem Seitenblick auf die vielen Jungs auf der Tanzfläche: „Die zwei sind eigentlich die coolsten Typen in dem ganzen Lokal.“ Ich konnte nicht umhin, ihr Recht zu geben. Warum Jungs wenn es auch Mädchen gibt? Ich stehe prinzipiell und ziemlich ausschließlich auf Jungs. Auch meine Freundin kann man problemlos als Grundsatzhetero bezeichnen. Trotzdem drängte sich mir beim Anblick dieser zwei lässigen Mädchen eine dringende Frage auf: Warum noch mal sollte man mit einem Mann zusammen sein, wenn man es mit einer Frau auch kann? Mit dieser Überlegung bin ich in prominenter Gesellschaft. Zwei deutsche Popsternchen haben sich vor kurzem per Bild-Zeitung als Liebespaar bekannt: „Superstar“-Sängerin Juliette Schoppmann und das ehemalige No Angels-Mitglied Lucy Diakovska. Die Medienwelt ist - gemessen an dem B-Wert der beiden Promi-Damen – nicht schlecht schockiert. Bei Lucy wundert sich niemand wirklich. Aber dass Juliette, vom Focus auch andächtig „früherer Männertraum“ genannt, lesbisch sein soll, löste Bestürzung aus. War sie nicht mit einem gleichgesinnten Vorzeigekerl liiert? Warb sie nicht halbnackt und heteroerotisch für Tierschutzvereine? Wurde sie nicht in die Top Ten der FHM-Sexgöttinnen gewählt? Die Allgemeinheit ringt die Hände und der Ex-Freund fragt sich betrübt, was er nur falsch gemacht hat. Die Ausweitung der Beute-Zone Wenn man sich diese Fragen anhört, bekommt man direkt Lust, selbst den Männern abzuschwören. Denn wäre Lucy ein Luke, würde niemand sie stellen. Für weibliche Sexsymbole scheint es klare Verhaltensregeln zu geben. Dazu gehört vor allem, Männern zur Verfügung zu stehen. Klar finden es manche Jungs scharf, wenn Mädchen knutschen. Allerdings nur solange, wie sie es zur Unterhaltung des - ausschließlich männlichen - Zuschauers tun. Eine Frau, die andere Frauen geiler findet als Männer, stellt deren Sexualität in Frage. Und gibt scheinbar ihre Weiblichkeit und damit ihren Marktwert preis. Klar, auch für die Mädchenwelt wäre es nicht einfach zu verkraften, wenn Jude Law statt mit dem Kindermädchen, eine Affaire mit seinem Gärtner angefangen hätte. Meine Vermutung ist aber, dass sie sich schnell wieder abgeregt hätten. Denn Schwule besitzen in unserer Wahrnehmung einen Anspruch auf Sex-Appeal, Lesben dagegen bloß kurze Haare und Phallusneid. Dabei macht es doch kaum noch einen Unterschied, wer mit wem Körperflüssigkeiten austauscht. Schließlich gibt es genügend Beziehungsformen, die sich von althergebrachten Mustern entfernt haben: Sex ohne Liebe, Beziehung ohne regelmäßigen Geschlechtsverkehr, offene Partnerschaften. Vielleicht ist es langsam Zeit für die endgültige sexuelle Befreiung: "Anything goes mit anyone du willst". Welch ungeahnte Möglichkeiten tun sich da plötzlich auf, wie viel größer wird das Beuterevier auf einmal! Und wenn die hübschesten Mädchen im Club das nächste Mal wieder anfangen, miteinander statt mit uns zu knutschen, gucken wir nicht lange fasziniert zu – sondern nehmen uns ein Beispiel. Du möchtest dir diesen Text vorlesen lassen? Dann hör mal rein in den jetzt.de-Podcast!

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