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Sexy Hausfrauen

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Illustration: karen-ernst Schon klar, eine Fernsehserie über Hausfrauen um die Vierzig. Was könnte spannender sein? Großeinkäufe im Supermarkt, Babybrei auf der Bluse und vor allem: eine neuerwachte Libido. Wissenschaftler behaupten ja, dass Frauen erst ab einer gewissen Reife ihre Sexualität voll entfalten, zu einem Zeitpunkt, wo die Männer schon wieder nachlassen. Aber wollen wir, die wir noch Jahrzehnte davon entfernt sind, das wirklich vorgeführt bekommen? Ja, wollen wir. Die Serie „Desperate Housewives“, die gestern auf Pro7 anlief, soll alle 18- und 49-Jährigen ansprechen und das scheint aufzugehen: „Desperate Housewives“ ist in den USA erfolgreicher als „Friends“ und damit eigentlich erfolgreicher als alle Serien, die es je gab. Es interessieren sich also tatsächlich auch Teenager für das Alltags- und Liebesleben dieser Frauen, die fast unsere Mütter sein könnten. Ist das die fortschreitende geistige Vergreisung des jugendlichen Geschmacks? Von der Babywiege ins Lotterbett Die Serie ist vielseitiger als „Sex and the City“, als deren Nachfolger sie immer wieder gehandelt wird. Aber natürlich geht es auch in „Desperate Housewives“ um Sex, es wird nur weniger darüber gesprochen. Was erstmal bloß heißt, dass es unter der Oberfläche umso mehr brodelt. Lynette hat ihre Karriere aufgegeben, um ganz Mutter zu sein. Jetzt ist sie so von dieser Rolle eingenommen, dass sie von den Anmachen ihres Mannes etwas überfordert ist. Der will Sex, mag aber keine Kondome: „Riskieren wir’s einfach.“ Die beiden haben vier Kinder. Gabrielle stakst auf High Heels und in sehr teuren, sehr stoffreduzierten Kleidern durch die Serie. Ihr Mann schenkt ihr täglich eine neues Diamantcollier, sie pflegt im Gegenzug ein Verhältnis mit dem Gärtner. Alles, was Bree will, ist ihre Familie glücklich machen. Dabei ist so perfekt, dass man glaubt, sie kommt direkt aus Stepford, der Heimat aller selbstlosen und perfekten Hausfrauen. Und Susan, die von ihrem Mann sitzen gelassen wurde, ist auf Männerschau. Glücklicherweise ist gerade ein netter Single in die „Wisteria Lane“, die Straße, in der die Frauen wohnen, gezogen. Dummerweise hat Susan eine Konkurrentin, die sich auch an den Typen ranmacht. Also muss gebuhlt werden. Selbstgebackenes statt Selbstgebranntes Die Frauen beginnen eine Art Wettkampf. Sobald die eine nur in die Nähe des neuen Nachbarn kommt, bekommt Susan einen Eifersuchtsanfall. Und rennt nach Hause, um sich bei ihrer Tochter über die Nebenbuhlerin auszukotzen. Susan’s Tochter übernimmt cool die Rolle der Freundin, in Liebesdingen scheint sie sowieso gelassener zu sein als ihre Mutter. Sie ist es auch, die Susan dazu bringt, den Nachbarn nach einem Date zu fragen. Vorher muss Susan aber erst das passende Outfit und die richtige Frisur wählen. In letzter Sekunde macht sie dann doch wieder einen Rückzieher, sie ist einfach zu nervös. Außerdem steht schon wieder die andere vor der Tür des begehrten Mannes und präsentiert Selbstgekochtes in Frischhaltefolie. Susan könnte sich vor Minderwertigkeitskomplexen einsperren und heulen. Spätestens da kommt uns das Ganze sehr bekannt vor. Es ist das gleiche Spiel, das auch schon 15-Jährige spielen, nur dass die dem Angehimmelten wohl eher vor dessen Schulspint auflauern würden und statt selbstgebackenem Kuchen eine selbstgebrannte CD verschenken. Alte Schafe im Lammpelz Und genau deswegen ist die Serie für uns so sehenswert: Diese Frauen sind eben nicht wie die verheirateten Frauen, die wir kennen, nicht wie unsere Mütter oder Tanten, zumindest nicht so, wie wir sie wahrnehmen. Diese Frauen sind in vielen Situationen, besonders in Sachen Liebe und Sex, vielmehr so wie wir. Sie sehen sogar noch so aus wie unsere Altersgenossinnen: super Figur, straffe Oberarme, kein Hauch von Damenbauch, nicht ein graues Haar und kaum erkennbare Falten. Und das müssen sie auch. Denn ohne diese jugendliche Aufmachung würden wir uns wohl kaum für ihr Leben interessieren. Wenn wir so alt sind, werden wir vielleicht nicht so aussehen wie Lynette, Bree, Susan und Gabrielle, aber es ist doch gut zu wissen, dass das Leben dann immer noch Stoff für eine gute Fernsehserie hergibt.

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